(sda) Das Parlament hat am Donnerstag die Arbeiten am indirekten Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative abgeschlossen. Damit werden die Kompetenzen der Pflegenden ausgeweitet. Kern des Gegenvorschlags ist eine Ausbildungsoffensive. Ob die Initianten die Volksinitiative nun zurück ziehen, wird sich zeigen.

Die Kantone sollen mit dem indirekten Gegenvorschlag verpflichtet werden, angehenden Pflegefachkräften Beiträge an die Lebenshaltungskosten zu leisten. Der tiefe Ausbildungslohn gilt als eine der Ursachen für die zu geringe Zahl von Abschlüssen. Zudem gibt es für Spitäler, Pflegeheime und Spitexorganisationen neu eine Ausbildungsverpflichtung, für welche die Kantone verbindliche Vorgaben machen zur Anzahl der Ausbildungsplätze.

Die Kantone wiederum sind verpflichtet, den Leistungserbringern die ungedeckten Kosten der praktischen Ausbildungsleistungen mindestens teilweise zu finanzieren. Dabei werden sie vom Bund während acht Jahren unterstützt. Die Kosten für die "Ausbildungsoffensive" belaufen sich auf 469 Millionen Franken.

Selbstständige Abrechnung möglich

Die Initiative lehnt das Parlament ab, auch wenn der akute Mangel an qualifiziertem Pflegepersonal allseits anerkannt wurde - nicht nur, aber erst recht wegen der Corona-Pandemie. Der Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner (SBK) fordert damit, dass Bund und Kantone die Pflege als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung fördern. Mit dem indirekten Gegenvorschlag kommt das Parlament den Initianten nun entgegen.

Ein wichtiges Anliegen der Initianten ist, dass Pflegefachpersonen, Spitexorganisationen und Pflegeheime selbstständig zu Lasten der Krankenkassen abrechnen können. In den meisten Fällen brauchte es dafür noch eine Anordnung des Arztes. Künftig bestimmt nun der Bundesrat, welche Pflegeleistungen selbstständig abgerechnet und welche dieser Leistungen ohne ärztlichen Auftrag erbracht werden können.

Die geplante Bedingung, dass dafür vorgängig eine Vereinbarung mit den Krankenversicherern abgeschlossen werden muss, wurde wieder gestrichen. Für die Initianten war das Wort "Vereinbarung" ein "Pièce de résistance". Stattdessen müssen die Verbände der Leistungserbringer und der Versicherer gesamtschweizerisch geltende Verträge abschliessen. Mit diesen muss die mengenmässige Entwicklung der Pflegeleistungen, die ohne ärztliche Anordnung erbracht werden, überwacht werden.

Furcht vor massiven Mehrkosten

Für den Fall von ungerechtfertigtem Mengenwachstum müssen vorab Massnahmen zur Korrektur vereinbart werden. Sollten sich die Verbände nicht einigen können, regelt der Bundesrat die Einzelheiten. Hintergrund sind Befürchtungen vor allem von FDP und SVP, dass durch die Vorlage massive Mehrkosten entstünden. Je mehr Leistungserbringer vorhanden seien und je mehr Leute abrechnen könnten, desto höher seien die Kosten, so ihr Argument.

Über die Ausgestaltung dieser Selbstabrechnung waren sich die Räte bis zum Schluss nicht einig. Erst die Einigungskonferenz konnte mit der vorliegenden Version den Knoten lösen. Am Mittwoch hatte der Nationalrat mit 175 zu 2 Stimmen mit 2 Enthaltungen dazu Ja gesagt, am Donnerstag folgte der Ständerat mit 42 zu 0 Stimmen.

Mit der Vorlage werden auch Berufsbezeichnungen angepasst.

65'000 Pflegende gesucht

Der indirekte Gegenvorschlag zur Pflegeinitiative geht am Freitag noch in die Schlussabstimmung. Danach wollen die Initianten das weitere Vorgehen der Initiative beraten. Der Bundesrat lehnte die Pflegeinitiative ohne Gegenvorschlag ab. Aus seiner Sicht genügt der bestehende Verfassungsartikel zur medizinischen Grundversorgung, um die Pflege zu stärken.

Bis 2030 braucht es gemäss des Schweizer Berufsverbandes 65'000 zusätzliche Pflegende. Die Ausbildungszahlen seien aber viel zu tief. Der SBK hatte zum Mittel der Initiative gegriffen, nachdem Bemühungen zur Stärkung des Pflegeberufs im Parlament gescheitert waren. Die Pflegenden müssen aus ihrer Sicht wieder genug Zeit für die Pflege der Patienten haben. Zudem müssen sich die Arbeitsbedingungen und die Attraktivität des Berufes verbessern, damit die Ausgebildeten im Beruf blieben.