(sda) Ermittlungsbehörden sollen aus DNA-Spuren von Tatorten mehr Informationen herauslesen dürfen als heute. Der Nationalrat hat am Dienstag Änderungen im DNA-Profil-Gesetz und in der Strafprozessordnung zugestimmt. Als nächstes hat sich der Ständerat dazu zu äussern.

Kern der Vorlage sind gesetzliche Grundlagen für die sogenannte Phänotypisierung. Heute darf bei DNA-Spuren nur nach Übereinstimmungen in vorhandenen Gendatenbanken gesucht werden und es darf nur das Geschlecht eruiert werden.

Neu sollen aus DNA-Profilen auch Hinweise auf äusserliche Merkmale wie beispielsweise Haar- und Augenfarbe, Alter oder biogeografische Herkunft - zum Beispiel Westeuropa - herausgelesen werden können. Der Bundesrat und auch der Nationalrat wollen, dass Strafverfolger auf neue wissenschaftliche Möglichkeiten zurückgreifen können.

Der Nationalrat hiess die Vorlage mit 125 zu 54 Stimmen und 12 Enthaltungen gut. Nein stimmten die Grünen und etliche Mitglieder der SP-Fraktion. Auch die Enthaltungen kamen von der SP.

Umgang mit Minderheiten

Sp und Grüne hätten die Kriterien, unter denen Ermittlungsbehörden auf die Phänotypisierung zurückgreifen können dürfen, strenger fassen wollen als die Mehrheit der Sicherheitspolitischen Kommission (Sik-N), unterlagen aber mit ihren Anträgen. Etwa hätten sie die biogeografische Herkunft als Information nicht zulassen wollen.

Eine zielgerichtete Kategorisierung auf Grund der Herkunft betreffe Minderheiten, und das in einer Gesellschaft mit weit verbreitetem Racial Profiling, sagte Franziska Roth (SP/SO) zum Antrag auf Streichung. Die Mehrheit wollte es aber halten wie der Bundesrat und Schlüsse auf die mögliche biogeografische Herkunft zulassen.

Minderheiten könnten mit dem Verfahren ja auch entlastet werden, sagte Alois Gmür (Mitte/SZ). Die Phänotypisierung sei zuverlässiger als Zeugenaussagen, die sich im Laufe der Zeit verändern könnten, sagte Jacqueline de Quattro (FDP/VD) namens der Mehrheit der Sik-N.

In den Niederlanden, wo schon länger mit der Phänotypisierung gearbeitet werde und diese inzwischen breit akzeptiert sei, habe die biogeografische Herkunft jeweils eine wichtige Rolle gespielt, berichtete Justizministerin Karin Keller-Sutter. Es handle sich um eine wissenschaftliche Analyse.

Kompetenz für Bundesrat

Eine Minderheit um Léonore Porchet (Grüne/VD) forderte zudem eine abschliessende Liste von Delikten, bei denen die Phänotypisierung erlaubt sein sollte. Sie wollten damit erreichen, dass die Methode lediglich bei schweren Gewaltverbrechen eingesetzt werden darf.

Keller-Sutter entgegnete, dass Kataloge die Gefahr bergen würden, unvollständig zu sein. Phänotypisierung sei bei allen Straftaten zulässig, bei denen eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Jahren drohe. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt.

Sollte es die Technik erlauben, gibt der Nationalrat dem Bundesrat die Kompetenz, in Zukunft weitere Merkmale festlegen zu können, die aus DNA-Profilen herausgelesen werden dürfen. Der Nationalrat stellte sich mit 97 zu 88 Stimmen gegen die Sik-N. Sie hätte gewollt, dass das Parlament über eine Ausweitung befindet, mit einer neuen Vorlage.

Suche nach Verwandtschaftsbezug

Die Vorlage regelt auch den Suchlauf nach Verwandtschaftsbezug, der bereits angewendet wird. Meldet die DNA-Datenbank beim Abgleich einer DNA-Spur keinen Treffer und sind alle Ermittlungen ergebnislos geblieben, ist ein solcher Suchlauf eine Option, um die Person zu identifizieren, von der die sichergestellte DNA-Spur stammt.

Ergibt sich in der Datenbank eine Übereinstimmung, wird im Kreis der Verwandten nach dem Spurenleger gesucht. Dieser Suchlauf ist ebenfalls nur für die Aufklärung von Verbrechen zulässig und wird durch die Staatsanwaltschaft angeordnet. Anträge von SP und Grünen, die Auflagen für die Anwendung strenger zu fassen, wurden abgelehnt.

Administrativ vereinfachen will der Bundesrat die Löschregelung von DNA-Personenprofilen, und er hat auch hier die Zustimmung des Nationalrates erhalten. Anträge von SVP und FDP für längere Aufbewahrungsfristen lehnte der Rat ab.

Künftig wird die Aufbewahrungsdauer der DNA-Profile in der DNA-Datenbank einmalig im Urteil festgelegt. Einzig bei Verwahrungen und therapeutischen Massnahmen bleiben die Löschfristen vom Vollzug der Sanktion abhängig.

Vom Parlament verlangt

Die Gesetzesbestimmungen verlangt hatten die Räte mit einer Motion des 2020 verstorbenen Nationalrates Albert Vitali (FDP/LU). Vitali hatte den Vorstoss nach der Vergewaltigung einer jungen Frau in Emmen LU im Juli 2015 eingereicht. Im Rahmen der Ermittlungen wurde eine Massen-DNA-Probe bei über 370 Männern durchgeführt.

Am Tatort wurde die mutmassliche DNA des Täters sichergestellt, doch die Ermittler durften mangels gesetzlicher Grundlagen nicht auf die vollständigen genetischen Informationen zugreifen. Die Frau, die beim Überfall vom Velo gerissen wurde, erlitt schwerste Verletzungen.