(sda) Mehr Mütter sollen nach der Geburt ihrer Kinder eine Erwerbsarbeit aufnehmen. Der Nationalrat will deshalb, dass der Bund Zuschüsse an die Kosten der familienexternen Kinderbetreuung leistet, trotz Kritik des Bundesrates.

Mit 107 zu 79 Stimmen und bei 5 Enthaltungen hiess die grosse Kammer am Mittwoch die Vorlage gut, die ihre Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) ausgearbeitet hatte. Mit Nein stimmten SVP und die meisten Mitglieder der FDP-Fraktion. Einzelne Nein-Stimmen kamen aus der Mitte-Fraktion.

Ziel der Vorlage ist es, die Erwerbstätigkeit zu fördern, indem Familien mehr Zuschüsse an die Betreuungskosten ihrer Kinder erhalten. Die vom Bund seit zwanzig Jahren geleistete Anstossfinanzierung für die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder soll dauerhaft rechtlich verankert werden.

"Eine Wirtschaftsvorlage"

Der Bund hat die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder bisher mit 451 Millionen Franken unterstützt. 72'271 neue Plätze in Kindertagesstätten, in der schulergänzenden Betreuung und in Tagesfamilien wurden geschaffen. Das 2003 in Kraft getretene Programm wurde mehrmals verlängert; es läuft noch bis Ende 2024.

Die befürwortende Mehrheit im Nationalrat argumentierte mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen: "Es ist eine Wirtschaftsvorlage", sagte Kathrin Bertschy (GLP/BE). Befürworterinnen und Befürworter wehrten sich auch gegen den Vorwurf, dass die Betreuung in Institutionen gegenüber anderen Modellen bevorzugt werde.

Matthias Aebischer (SP/BE) plädierte angesichts des Fachkräftemangels für eine bessere Nutzung des inländischen Arbeitskräftepotenzials. Simone de Montmollin (FDP/GE) sagte, Karriereunterbrüche und tiefe Pensen benachteiligten Frauen bei der Karriere, beim Lohn und bei der Altersvorsorge.

"Einseitige Symbolpolitik"

Nicht auf die Vorlage eintreten wollte die SVP. Ihre Vertreterin Nadja Umbricht Pieren (BE) sprach von "einseitiger Symbolpolitik". Von den Bundeshilfen profitierten nur Eltern, die ihre Kinder in einer Institution wie einer Kindertagesstätte betreuen liessen. Wer hingegen eine Nanny einstelle, erhalte nichts.

Dass die Verbilligung von Betreuungsplätzen die Erwerbsquote erhöhe, sei illusorisch, ergänzte Diana Gutjahr (SVP/TG). Viele Eltern wollten nach der Geburt ihrer Kinder nicht mehr oder nur wenig arbeiten. Die SVP störte sich zudem an den Kosten. Auch FDP und Mitte forderten einen finanziell tragbaren Kompromiss.

Die Wbk-N schätzt die Kosten zu Lasten des Bundes für die Verbilligung von Betreuungsplätzen auf 710 Millionen Franken. Der Nationalrat will, dass der Bund vier Jahre bis zu 20 Prozent der durchschnittlichen Kosten eines Betreuungsplatzes übernehmen soll.

Danach wird der Bundesbeitrag abhängig vom finanziellen Engagement der Kantone neu festgelegt und gegebenenfalls bis auf 10 Prozent gekürzt. Unterstützt werden Betreuungsplätze für Kinder bis zum Ende von deren Primarschulzeit. In diesem Punkt hatte die Kommissionsmehrheit dem Bundesrat nachgegeben.

Fast alle Anträge der Bürgerlichen und des Bundesrates für Kürzungen der Beiträge waren chancenlos. Durchsetzen konnten sie sich einzig im Punkt, dass Beiträge nur ab einem Mindest-Arbeits- oder -Ausbildungspensum der Eltern gewährt werden. Geregelt werden muss dieses in einer Verordnung.

Keine Gegenfinanzierung über Bundessteuer

Umstritten war auch der Verpflichtungskredit von 224 Millionen Franken, mit denen zunächst über vier Jahre Programme in Kantonen unterstützten werden. Sie sollen bewirken, dass die Kantone ihr Betreuungsangebot weiterentwickeln und ausbauen.

Bürgerliche, die Finanzkommission und der Bundesrat lehnten den Verpflichtungskredit rundweg ab. Eine weitere Minderheit wollte ihn halbieren. Schliesslich setzte sich aber die Mehrheit und damit die Mehrheit der WBK-N durch.

Der Nationalrat will nicht vorschreiben, dass für die Beiträge an die familienexterne Kinderbetreuung in erster Linie Gelder aus der OECD-Mindeststeuer eingesetzt werden sollen. Die vom Bundesrat gewünschte Gegenfinanzierung der Betreuungsbeiträge durch eine Kürzung des Kantonsanteils an der Bundessteuer lehnte der Rat ebenfalls ab.