Nach der Beendigung des Sonderbundskrieges schufen die Sieger des Konflikts 1848 den in seinen Grundzügen bis heute erhalten gebliebenen Schweizer Bundesstaat. Die vom Volk angenommene Bundesverfassung gab für die Legislative das Zweikammersystem vor. Als Modell diente dabei das Parlament der USA. Die Bundesversammlung setzt sich seither aus dem Nationalrat und dem Ständerat zusammen. Im Herbst 1848 fanden die ersten Wahlen statt.

Die Einsetzung der Bundesbehörden begann mit der Wahl der Bundesversammlung. Die im Oktober 1848 durchgeführte Wahl war dadurch gekennzeichnet, dass diese mehr oder weniger improvisiert werden musste: Vor der ersten Wahl gab es weder ein Wahlgesetz, noch einen einheitlichen Wahltermin. Die Tagsatzung wies die Kantone am 14.9.1848 lediglich an, die Wahlen «sofort vorzunehmen», d.h. vor dem 6. November, weil an jenem Montag die Bundesversammlung eröffnet werden sollte.

Wahl des ersten Ständerates

Die Mitglieder des Ständerates wurden nach kantonalen Regelungen durch die einzelnen Parlamente oder die Landsgemeinden gewählt. In der Bundesverfassung von 1848 heisst es diesbezüglich: «Der Ständerath besteht aus 44 Abgeordneten der Kantone. Jeder Kanton wählt zwei Abgeordnete; in den geteilten Kantonen jeder Landestheil einen Abgeordneten.» (Artikel 69 BV, 1848). Der Ständerat setzte sich damit aus Abgeordneten der Kantone zusammen, deren Wahl mehrheitlich nicht direkt durch das Volk erfolgte. Nur in sechs Kantonen (Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Freiburg, Glarus, Obwalden und Nidwalden) wurden die Vertreter des Ständerates von der Landsgemeinde gewählt.

Wahl des ersten Nationalrates

Der Nationalrat sollte gemäss Bundesverfassung aus den «Abgeordneten des schweizerischen Volkes» gebildet werden. Auf je 20'000 Einwohner sollte vom Volk ein Nationalrat gewählt werden: «Der Nationalrath wird aus Abgeordneten des schweizerischen Volkes gebildet. Auf je 20,000 Seelen der Gesammtbevölkerung wird ein Mitglied gewählt» (Artikel 61 BV, 1848).
Der erste Nationalrat zählte somit 111 Mitglieder, wobei jeder Kanton oder Halbkanton mindestens ein Mitglied zu stellen hatte.

Die Nationalratswahlen wurden – ähnlich wie Gemeindeversammlungen – in Form von Wahlversammlungen vollzogen. Mobilisiert wurden die Stimmberechtigten durch einen Aufruf von der Kanzel oder ein Beamter zog von Haus zu Haus, um die Wahlen anzukündigen. Wählen durften damals männliche Schweizer, die das 20. Lebensjahr vollendet hatten.
Für die Schaffung eines definitiven Wahlrechts liess sich der Bundesrat Zeit, bis der Waadtländer Ständerat Briatte diesen im Sommer 1850 interpellierte. Daraufhin schlug der Bundesrat im November einen Entwurf vor, welcher vom Nationalrat grundlegend umgestaltet wurde. Am 21. Dezember 1850 konnte das neue Gesetz «betreffend die Wahl der Mitglieder des Nationalrathes» schliesslich verabschiedet werden.

Die ersten Nationalratswahlen verliefen ohne besondere Spannung. Dies hing stark mit der Situation des soeben beendeten Bürgerkrieges zusammen. Man war müde und es gab kaum Streitfragen, welche die Gemüter 1848 bewegten. Zudem bildeten die Freisinnigen nach Beendigung des Krieges eine Übermacht, welche zahlenmässig keine ebenbürtigen Gegner hatte – ernstzunehmende Streitgespräche konnten unter diesen Umständen gar nicht geführt werden. Da die Tagsatzung den Kantonen bei den Wahlen freie Hand liess, machte sie es den Liberal-Radikalen zusätzlich leicht, die Opposition von den Wahlen abzuhalten oder sogar auszuschalten. Gründe für einen Wahlausschluss waren beispielsweise Bedürftigkeit, Konkurs, Rückstand bei der Bezahlung der Steuern – oder im Kanton Freiburg die Weigerung, den Eid auf eine neue Verfassung zu leisten. In manchen Kantonen fanden die Wahlen zudem an einem Mittwoch statt - und zwar um elf Uhr morgens. Damit sollte Lohnabhängigen die Teilnahme an der Wahl erschwert werden. In ihnen vermutete man nämlich ein potentielles Wählerreservoir der Opposition. Nicht selten wurde die Wahl auch an entlegenen, schlecht erreichbaren Wahlorten vorgenommen. Wer nach dem Wahlakt im Raum als nichtstimmberechtigt entdeckt wurde, musste eine Busse entrichten oder er wurde «als der Fälschung beschuldigt» dem Richter übergeben.

Willkürliche Wahlkreise und unterschiedliche Wahlmethoden

Gewählt wurde 1848 schliesslich in 52 – relativ willkürlich festgelegten – Wahlkreisen. Sechs davon waren Landsgemeinde-Kantone, in denen die Stimmenzahlen nicht ermittelt wurden. Für die 104 Sitze, unter Abzug der Landsgemeinde-Kantone, präsentierten sich im ersten Wahlgang 216 Kandidaten. Dies war, verglichen mit den darauffolgenden Wahlen, eine sehr starke Konkurrenz. Gewählt wurde nach dem Majorzprinzip. Interessant ist, dass viele der Kandidaten gleichzeitig in mehreren Wahlkreisen kandidierten – was mittlerweile nicht mehr möglich ist. Diese grosse Zahl von Mehrfachkandidaturen hatte zur Folge, dass in manchen Wahlkreisen Ergänzungswahlen stattfinden mussten. Die Anzahl Wahlgänge, die es brauchte, bis sämtliche Sitze besetzt waren, war bei keinen Wahlen so gross wie 1848.

Dies kam teilweise auch daher, dass die Methoden, nach denen berechnet wurden, wann eine Wahl als zustande gekommen zu betrachten sei, noch nicht eidgenössisch normiert waren: 13 Kantone (darunter die 6 Landsgemeinde-Kantone) verlangten für die Gültigkeit der Wahl ausschliesslich das absolute Mehr der Stimmen, was die Wahlen teilweise langwierig machte. Die restlichen Kantone begnügten sich mit dem relativen Mehr im ersten, zweiten oder dritten Wahlgang, wobei an verschiedenen Orten ein Quorum von einem Viertel oder einem Drittel der Stimmen erforderlich war. Das relative Mehr im zweiten oder dritten Wahlgang setzte voraus, dass im vorhergehenden Wahlgang nach absolutem Mehr entschieden worden war. Bei 46 Wahlkreisen, unter Abzug der Landsgemeinde-Kantone, waren dadurch insgesamt 70 Wahlgänge nötig! Nur in 27 Wahlkreisen siegte ein Kandidat bereits im ersten Wahlgang. In 15 Wahlkreisen brauchte es zwei, in drei waren drei und in einem vier Wahlgänge nötig. Dazu kamen 13 Ergänzungswahlen, die wegen Mehrfachkandidaturen nötig waren, und drei Ergänzungswahlen für die drei in den Bundesrat gewählten Nationalräte Ochsenbein, Frey und Franscini.

Nach etlichen Wahlgängen waren die 111 Nationalräte schliesslich in allen Kantonen gewählt. Die erste Sitzung wurde am 6. November 1848 abgehalten.

Übermacht der Freisinnigen

Die ersten Wahlen brachten, wie erwartet, einen überwältigenden Sieg für die Freisinnigen. Sie eroberten 87 der 111 Sitze im Nationalrat. Ihnen gegenüber standen lediglich 14 Konservative, während die restlichen 10 Sitze von Vertretern der politischen Mitte besetzt wurden. Im Ständerat eroberten die Freisinnigen 30 der 44 Sitze, während 6 Sitze an die Katholisch-Konservativen gingen und 8 Sitze an die Vertreter der gemässigten Liberalen.

Dies waren die ersten 111 Nationalräte und 44 Ständeräte der Bundesversammlung: