Bundesanwalt Michael Lauber wird verdächtigt, durch das Abhalten von mehreren nicht protokollierten Treffen mit FIFA-Präsident Gianni Infantino, Oberstaatsanwalt Rinaldo Arnold und weiteren Personen sein Amt im Sinne von Art. 312 StGB missbraucht, das Amtsgeheimnis (Art. 320 StGB) verletzt und jemanden begünstigt zu haben (Art. 305 StGB). Der a.o. Staatsanwalt des Bundes hält in seinem Gesuch vom 29. Juli 2020 fest, dass bis anhin unklar blieb, welchen tatsächlichen Zwecken die in Frage stehenden Treffen dienten und deshalb ein strafrechtlich relevanter Zweck nicht ausgeschlossen werden könne. Im Zweifelsfall müsse das Strafverfahren eröffnet werden. Die RK-S hat das Gesuch an ihrer Sitzung vom 11. August 2020 geprüft. Sie ist einstimmig darauf eingetreten und hat mit 10 zu 1 Stimmen beschlossen, die Immunität von Bundesanwalt Michael Lauber aufzuheben.
Nach der Anhörung des Bundesanwalts Michael Lauber hat die Kommission in einem ersten Schritt den unmittelbaren Zusammenhang zwischen der amtlichen Stellung und Tätigkeit von Bundesanwalt Michael Lauber und der ihm vorgeworfenen Handlungen bejaht und einstimmig entschieden, auf das Gesuch des a.o. Staatsanwalts des Bundes einzutreten. Die Kommission erachtet es als unbestritten, dass der Bundesanwalt an den in Frage stehenden Treffen in amtlicher Funktion teilgenommen hat. Sie hält zudem fest, dass der Schutz der relativen Immunität auch für strafbare Handlungen gilt, welche während der Amtszeit begangen worden sind, selbst wenn die Person zum Zeitpunkt der Strafverfolgung aus dem Amt ausgeschieden ist. Der Bundesanwalt wäre deshalb auch dann von der Immunität geschützt, wenn er zum Zeitpunkt der Eröffnung des Strafverfahrens nicht mehr im Amt wäre.
In einem zweiten Schritt hat die Kommission eine Interessenabwägung zwischen den institutionellen Interessen der Bundesanwaltschaft und dem rechtsstaatlichen Interesse an einer Strafverfolgung vorgenommen. Sie folgt dabei der Ansicht der RK-S, dass es im vorliegenden Fall im Interesse der Institution Bundesanwaltschaft sei, dass der Sachverhalt rund um die nicht protokollierten Treffen im Rahmen eines Strafverfahrens umfassend abgeklärt und beurteilt werden könne. Die Kommission weist darauf hin, dass die Aufhebung der Immunität die Voraussetzung dafür sei, dass eine strafrechtliche Untersuchung die grösstmögliche Transparenz rund um die in Frage stehenden Treffen schaffen könne. Mit dem heutigen Entscheid der Kommission ist die Aufhebung der Immunität von Bundesanwalt Lauber endgültig.
Wie die RK-S beantragt die Kommission der Gerichtskommission für die eigentliche Strafuntersuchung gemäss Art. 308 ff. StPO die Einsetzung des gesuchstellenden a.o. Staatsanwalts des Bundes oder einer anderen geeigneten Person als a.o. Bundesanwalt durch die Bundesversammlung gestützt auf Art. 17 Abs. 3 ParlG zu prüfen und im Hinblick auf die Herbstsession vorzubereiten.