Schon vor der letzten Beratungsrunde im Parlament hatte der Bundesrat deutlich gemacht, dass keine Gelder ausbezahlt werden, solange die EU die Schweizer Börsenregulierung nicht als gleichwertig anerkennt.
Noch in der letzten Legislatur hatten beide Räte einer Bedingung zugestimmt: Die Schweiz soll nur dann eine weitere Kohäsionsmilliarde an die EU zahlen, wenn diese auf diskriminierende Massnahmen verzichtet. Andernfalls soll der Bundesrat keine Verpflichtungen auf der Grundlage des Rahmenkredits eingehen.
Bei der Formulierung der Bedingung stand die Börsenäquivalenz im Zentrum. Das damals drohende Szenario ist inzwischen eingetreten: Seit Juli anerkennt die EU die Schweizer Börsenregulierung nicht mehr als gleichwertig.
"Sie vergeben sich nichts"
Der Bundesrat wertet dies als diskriminierende Massnahme, wie er in seiner Antwort auf einen parlamentarischen Vorstoss dargelegt hatte. Er macht geltend, es handle sich um eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebots der WTO.
Aussenminister Ignazio Cassis bekräftigte dies am Dienstag im Nationalrat. "Mit einer Genehmigung der Rahmenkredite vergeben Sie sich zum jetzigen Zeitpunkt nichts", sagte er. Gleichzeitig betonte Cassis, mit dem Ja zur Kohäsionsmilliarde leiste das Parlament einen Beitrag zur Deeskalation in den Beziehungen mit der EU.
Keine Deeskalation
Zur Bedingung, die das Parlament eingebaut hatte, gab es im Nationalrat nichts mehr zu beschliessen. Dennoch wurde sie erneut thematisiert. Tiana Moser (GLP/ZH) kritisierte sie. Damit sei das Ja zur Kohäsionsmilliarde nur bedingt ein deeskalierender Schritt, sagte sie. Es sei ein positives Zeichen mit angezogener Handbremse.
Auch die Gründe für und gegen die Kohäsionsmilliarde wurden erneut vorgebracht. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten, die Zahlungen seien ein Zeichen der Solidarität - und lägen im Interesse der Schweiz. Die EU betrachte die Kohäsionszahlungen als Bedingung für den Zugang zum EU-Binnenmarkt, stellte Kommissionssprecher Hans-Peter Portmann (FDP/ZH) fest.
Schweiz auf der Speisekarte
Nein zu einer weiteren Kohäsionsmilliarde sagt die SVP. Sie sieht keinen Grund für solche Zahlungen. Die SVP stelle sich gegen alle Versuche, die Schweiz an die EU anzuschrauben, sagte Fraktionssprecher Roger Köppel (ZH).
Ein EU-Diplomat habe vor kurzem gesagt, sollte es nicht bald Fortschritte beim Rahmenabkommen geben, komme die Schweiz auf die Speisekarte. "Leuten, die Sie auf eine Speisekarte setzen, sollten Sie nicht Ihr Geld geben", sagte Köppel.
Gelder für Ost-Länder
Insgesamt geht es um 1,3 Milliarden Franken, die über zehn Jahre ausbezahlt werden sollen. Der grösste Teil ist für den Rahmenkredit Kohäsion vorgesehen, also für Projekte in Osteuropa. Dort sollen unter anderem Berufsbildungsprojekte finanziert werden.
190 Millionen Franken sollen an Staaten gehen, die besonders von Migration betroffen sind. Diese sollen in ihren Anstrengungen unterstützt werden, die Asylstrukturen zu stärken und ein effizienteres Asyl- und Rückkehrverfahren aufzubauen.
Migrationskredit nicht verdoppelt
Zunächst hatte der Nationalrat den Rahmenkredit Migration verdoppeln und den Rahmenkredit Kohäsion entsprechend kürzen wollen. Am Dienstag ist er nun aber stillschweigend seiner Kommission gefolgt, die ihm beantragte, darauf zu verzichten.
Umstritten war, ob der Bundesrat gleichzeitig beauftragt werden sollte, mit der EU die Teilnahmebedingungen für diverse EU-Programme zu Bildung, Forschung und Kultur auszuhandeln und dem Parlament 2020 die Verpflichtungskredite vorzulegen.
Kein Auftrag zu Bildungsprogrammen
Der Nationalrat lehnte es ab, diesen Auftrag im Beschluss zur Kohäsionsmilliarde zu verankern. Die Befürworterinnen und Befürworter argumentierten vergeblich, die Zusammenarbeit mit der EU sollte zukunftsweisend gestaltet werden.
Die Mehrheit vertrat die Ansicht, dass der Wille des Parlaments zur Assoziierung der Schweiz an die Bildungs-, Forschungs- und Kulturprogramme der EU bereits an den Bundesrat übermittelt worden sei. Es sei nicht ratsam, die Kohäsionsmilliarde mit anderen Dossiers zu verknüpfen, hiess es. Ausserdem könnte dies das Geschäft verzögern.
Den gesetzlichen Grundlagen hatte das Parlament schon früher zugestimmt. Anders als bei der ersten Kohäsionsmilliarde wurde dagegen kein Referendum ergriffen. Eine Volksabstimmung wird es also nicht geben.