(sda) Beim Bundesamt für Justiz treffen pro Monat weiterhin zwischen 30 und 40 Gesuche um Solidaritätsbeiträge von Personen ein, die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen wurden. In den vergangenen 12 Monaten waren rund 1350 Gesuche eingegangen.

Die Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen können zeitlich unbeschränkt ein Gesuch um Solidaritätsbeiträge einreichen. Das Parlament hatte am 19. Juni 2020 beschlossen, die Frist ersatzlos zu streichen. Zuvor waren in der ersten Runde rund 9000 Gesuche eingegangen.

Dass weiterhin Gesuche eingereicht werden zeige, dass die notwendigen Informationen zur Fristaufhebung viele der Betroffenen erreicht hätten und nach wie vor erreichten, schreibt der Bundesrat auf eine Frage, die der Berner Mitte-Nationalrat Heinz Siegenthaler am Montag in der Fragestunde des Nationalrats gestellt hatte. Es seien auch alle kantonalen Anlaufstellen und Archive sowie die meisten Behörden über die Fristaufhebung im Bild.

Schwierig zu erreichen seien jedoch Betroffene, die etwa aufgrund ihres Alters, ihrer Gesundheit oder einer besonders zurückgezogenen Lebensführung nicht beziehungsweise kaum mehr am öffentlichen Leben teilnähmen. Das Bundesamt für Justiz sei deshalb seit Herbst dieses Jahres daran, gezielt verschiedenste Organisationen im Sozial-, Heim-, Alters-, Medizin- und Pflegebereich sowie Berufs- und Gemeindeverbände zu kontaktieren.

Damit würden Betreuungspersonen der Betroffenen über die Fristaufhebung und über den Solidaritätsbeitrag informiert. Zudem werde auch auf die Fristaufhebung hingewiesen, wenn in den Medien über die fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen berichtet werde.

Billige Arbeitskräfte

Laut dem Bundesamt für Justiz wurden bis 1981 zehntausende Kinder und Jugendliche von Behörden auf Bauernhöfe als billige Arbeitskräfte ver-"dingt", in streng geführte Heime oder in geschlossene Einrichtungen - und zum Teil auch ohne Gerichtsentscheid in Strafanstalten - fremdplatziert.

Diese Kinder und Jugendlichen haben gemäss Bundesrat oft unsägliches Leid und Unrecht erlitten. Auch junge Frauen seien unter grossen psychischen Druck gesetzt und gezwungen worden, einer Abtreibung, einer Sterilisation oder einer Adoption ihrer Kinder zuzustimmen.