Datum: 15.12.2010
Anlass: Einladung
Redner/Rednerin: Joseph Deiss
Funktion: ​Präsident UNO-Generalversammlung

Am 15. Dezember 2010 sprach zum ersten Mal ein auswärtiger Gast vor der Bundesversammlung, der schon manches Votum im Schweizer Parlament gehalten hatte. Joseph Deiss kehrte als Präsident der UNO-Generalversammlung an den Ort zurück, wo er in den 1990er Jahren als Nationalrat und Bundesrat gewirkt hatte. Wie schon bei anderer Gelegenheit hatte es auch rund um seine Einladung Diskussionen gegeben. Deiss seinerseits nahm denn auch gleich Stellung zu konkreten Parlamentsbeschlüssen. So erklärte er, dass ihn die Entscheide der Vorwoche zur Aufstockung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit zuversichtlich stimmten. Weiter warnte er vor populistischen Versuchungen und betonte, dass es inakzeptabel sei, wenn aus Egoismus oder Opportunismus die Grundrechte oder die Solidarität geschmälert würden. Die Presse sah in diesen Aussagen eine Anspielung auf das Minarett-Verbot und die Ausschaffungsinitiative. Deiss warnte auch vor Isolationismus: Ein Volk sei nur dann souverän, wenn es von seiner Freiheit Gebrauch mache und aktiv an der internationalen Gemeinschaft partizipiere. Er betonte mehrmals, dass die Grösse der Schweiz von ihrer moralischen Autorität abhänge. Noch sei ihr diesbezügliches Prestige innerhalb der UNO gross, aber es sei nicht für alle Zeiten gesichert. Einen Teil seines Diskurses widmete der ehemalige Bundesrat der UNO: Er zeigte sich überzeugt, dass die UNO seit 1945 einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des Friedens, der Sicherheit und des Wohlstands auf der Welt geleistet habe und weiterhin leiste. Die Millenniums-Entwicklungsziele seien der grösste Beitrag, der jemals zur Bekämpfung der Armut beschlossen worden sei. Deiss gestand aber auch ein, dass Reformen dringend notwendig seien, insbesondere bezüglich der Zusammensetzung des Sicherheitsrates und der Beziehungen zu den neuen Akteuren der globalen Gouvernanz, z.B. der G-20.

Quellen: AB 2010 VBV 2195ff; Tages Anzeiger online, 15.12.2010, sda, 15.02.2010.