(sda) Der Nationalrat hat am Mittwochmorgen die Beratung über die Burka-Initiative aufgenommen. Es ist eine Debatte über Rechtsstaat, Religion und Frauenrechte. Die vorberatende Kommission rät der grossen Kammer, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen.

Die Volksinitiative verlangt, dass in der ganzen Schweiz niemand im öffentlichen Raum das Gesicht verhüllen darf. Ausnahmen wären ausschliesslich aus Gründen der Sicherheit, der Gesundheit, des Klimas und des einheimischen Brauchtums möglich. Ausserdem soll niemand eine Person zwingen dürfen, ihr Gesicht zu verhüllen.

Im Zentrum der Diskussion stehen auch die Burka und der Niqab als Symbol der muslimischen Religion. Die ersten Voten im Rat zeigten, dass die Debatte über die Volksinitiative eine Debatte über Religion, Rechtsstaat, Freiheiten, umstrittene Kleidungsstücke und Frauenrechte ist.

Eingriff in die Kompetenz der Kantone

Balthasar Glättli (Grüne/ZH) führte zu Beginn der Debatte aus, wieso aus Sicht der Mehrheit der staatspolitischen Kommission die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen sei. So würden mit dem schweizweiten Verbot die Kantone in ihrer Kompetenz beschnitten werden, polizeirechtlich eigene Verhüllungsverbote zu beschliessen. Die Kantone St. Gallen und Tessin haben ein solches eingeführt, andere wie etwa Glarus haben entsprechende Vorstösse abgelehnt.

Das Argument der Befürworter, mit der Initiative diesen Flickenteppich abzuschaffen, entkräftete Glättli mit dem Argument, dass die Initiative keine Bundeskompetenz schaffe. Sie verpflichte die Kantone, selber gesetzgeberisch tätig zu werden. "Die Gesetze würden wohl wieder von Kanton zu Kanton unterschiedlich ausgestaltet werden", sagte Glättli.

Auch die Menschen würden in ihren Rechten beschnitten, etwa in der Gewissensfreiheit und der Achtungsfreiheit. Auf der anderen Seite gebe es bereits den Tatbestand der Nötigung, der zur Anwendung komme, wenn etwa ein Ehemann seine Frau oder seine Tochter zum Tragen einer Burka oder eines Niqab zwinge. Auch um diese Thematik zu regeln brauche es daher kein schweizweites Verbot.

Zudem sei nicht mit dem von den Initianten vorgebrachten Sicherheitsgewinn zu rechnen. Terroristen würden sich ja nicht mit einer Burka oder einem Niqab verkleiden - und auch an Demonstrationen habe ein Verhüllungsverbot nicht dazu führt, Vermummte von Gesetzesverstössen abzuhalten.

Keine freiwilliges Tragen

Barbara Steinemann (SVP/ZH) legte sich für die Initiative ins Zeug. Als die Frauen im Jahr 2016 in einer syrischen Stadt vom IS befreit worden sei, hätten sie ihre Schleier vom Gesicht gerissen. Das sei Freiheit gewesen für sie, Freiheit, welche tausende Frauen nicht gekannt hätten - und es sei der Beweis dafür, dass diese Frauen Burka und Niqab nicht freiwillig trügen.

Diese Körperverhüllungen seien ein Zeichen der Abschottung und der Minderwertigkeit der Frauen. Sie raubten Individualität und Bewegungsfreiheit und seien zutiefst menschenverachtend. "Sie führen Errungenschaften der Aufklärung und der Frauen ad absurdum und begraben alle Werte, welche in den letzten Jahrzehnten erkämpft worden sind", sagte Steinemann.

Burka und Niqab hätten nichts verloren in einer Demokratie. Auf das, was den Frauen in den anderen Ländern passiere, habe die Schweiz keinen Einfluss. "Aber uns ist es nicht egal, wenn Frauen in der Schweiz so 'gehalten' werden", sagte Steinemann.

In den Voten der Fraktionen kam etwa die Frage auf, wie gross das Problem überhaupt sei, welches die Initiative zu lösen versuche. Es gebe sehr wenig Frauen, die in der Schweiz leben und eine Burka oder einen Niqab tragen, hiess es mehrfach. Dafür Kleiderschriften auf Verfassungsebene festzuschreiben, sei unverhältnismässig.