(sda) Der Nationalrat diskutiert am Mittwoch über ein Verbot von Versuche an Tieren und Menschen. Dass er die  Volksinitiative "Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot" unterstützt, ist unwahrscheinlich. Zur Diskussion stehen indes Gegenvorschläge.

Die vorberatende Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) beantragt der grossen Kammer einstimmig, die Initiative abzulehnen. In ihren Augen würde sich das Volksbegehren negativ auswirken auf die Gesundheit und Wirtschaft sowie auf den Forschungsplatz Schweiz.

Die Mehrheit der WBK-N will der Initiative zudem keinen Gegenvorschlag gegenüberstellen. Minderheiten hingegen wollen sowohl einen direkten als auch einen indirekten Gegenvorschlag beantragen. Die Debatte dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. 24 Einzelrednerinnen und -redner haben sich eingetragen.

Bedingungsloses Verbot verlangt

Die Initiative verlangt ein bedingungsloses Verbot von Tier- und Menschenversuchen. In der Verfassung sollen Tierversuche als Quälerei und Verbrechen eingestuft werden. Bestehende oder neue Produkte, für die Tierversuche durchgeführt werden müssten, dürfen weder gehandelt noch ein- oder ausgeführt werden.

Die Wbk-N hat sich mit 15 zu 9 Stimmen gegen einen direkten Gegenvorschlag entschieden. Die unterlegene rot-grüne Minderheit will aber einen Ausstiegsplan aus belastenden Tierversuchen in die Verfassung schreiben.

Öffentliche Mittel sollen demnach primär an Forschungsprojekte gehen, die ohne Versuchstiere auskommen. Auf internationaler Ebene müsste sich der Bund für die Förderung von Forschung ohne Tierversuche stark machen. Ebenso müsste er sich dafür engagieren, dass Methoden ohne Tierversuche validiert werden.

Minderheit will Gesetzesanpassungen

Sp, Grüne und GLP wollen mit einem weiteren Minderheitsantrag einen verbindlichen Ausstiegsplan aus den Tierversuchen in der Gesetzgebung verankern. Diese Minderheit will die Vorlage deshalb an die WBK-N zurückweisen mit dem Auftrag, eine Kommissionsinitiative für einen indirekten Gegenvorschlag auszuarbeiten.

Dieser soll ein verbindliches Ausstiegsszenario beinhalten. Die WBK-N lehnte diesen Weg mit 13 zu 10 Stimmen und bei einer Enthaltung ab.

Der Bundesrat empfiehlt ebenfalls ein Nein zur Initiative, und er hat sich auch gegen einen Gegenvorschlag ausgesprochen. Das geltende Recht sei genügend streng, um Menschen und Tiere in der wissenschaftlichen Forschung zu schützen, schrieb er in seiner Botschaft ans Parlament. Die Initiative gehe zu weit.

Forschungsprogramm des Bundes

Die Zahl der Tierversuche senken will auch der Bundesrat. Er lancierte dazu ein 20 Millionen Franken schweres Nationales Forschungsprogramm. Dessen Ziel ist es, Tierversuche durch alternative Methoden zu ersetzen, die Zahl der Versuche zu senken und diese weniger belastend für die Tiere zu gestalten.

Hinter der Initiative "Ja zum Tier- und Menschenversuchsverbot – Ja zu Forschungswegen mit Impulsen für Sicherheit und Fortschritt" stehen St. Galler Bürger. Unterstützt wird die Initiative von rund achtzig Organisationen und Unternehmen. Darunter sind Vertreter von SP und Grünen sowie Tierschutzgruppen und Tierparteien.

Nicht mit an Bord ist der Schweizer Tierschutz (STS). Er argumentiert, eine Annahme würde die Schweiz abschotten. Die "Fondation Animalfree Research" ist der Ansicht, dass das Ziel eines vollständigen Verzichts auf Tierforschung schrittweise erreicht werden muss.

Weniger Versuchstiere

Initiativen für Tierversuchsverbote waren in den letzten Jahrzehnten chancenlos an der Urne: 1985 wurde die Initiative "für die Abschaffung der Vivisektion" an der Urne verworfen. 1992 wurde eine Initiative abgelehnt, die eine "drastische und schrittweise Einschränkung der Tierversuche" forderte. 1993 verwarfen Volk und Stände eine weitere Initiative "zur Abschaffung der Tierversuche".

2019 wurden in der Schweiz nach Angaben des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen rund 572'100 Tiere für Versuche eingesetzt. Während für nicht oder wenig belastende Versuche weniger Tiere eingesetzt wurden, stieg die Zahl der für Versuche mit mittlerem und schwerem Belastungsgrad gebrauchten Tiere.