(sda) Der Nationalrat hat am Montag über den Schutz und die Förderung der Biodiversität diskutiert. Der Bundesrat schlägt vor, dafür zusätzlich zum bestehenden Schutzgebiet etwa die Fläche des Kantons Luzern unter Schutz zu stellen. Dies fand im Rat Unterstützung.

Entschieden hat der Nationalrat aber noch nichts. Er führte erst eine allgemeine Diskussion über die Biodiversitätsinitiative und den vom Bundesrat ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag dazu. Es zeichnet sich ab, dass die grosse Kammer die Biodiversitätsinitiative zur Ablehnung empfehlen und den Vorschlag des Bundesrat zum indirekten Gegenvorschlag diskutieren will.

Mehrere Nationalrätinnen und Nationalräte sagten im Rat, dass es schlecht um die Biodiversität stehe. "Wir haben eine akute Biodiversitätskrise, die genauso dringend ist, wie die Klimakrise", sagte etwa Martina Munz (SH) für die SP. Die Krise sei so gross, dass sie sogar sichtbar sei: Früher habe man oft die Windschutzscheibe des Autos putzen müssen, weil dort tote Insekten zu finden gewesen seien. Das müsse man heute nicht mehr.

Mehr Geld für mehr Schutz

Zusammen mit den Grünen und einem Teil der Grünliberalen will die SP die Initiative zu Annahme empfehlen. Diese gebe dem "stillen Artensterben" eine Stimme und der Natur mehr Fläche, sagte Munz. Die Biodiversitätsinitiative will den Schutz der Natur, der Landschaft und des baukulturellen Erbes als gemeinsame Aufgabe von Bund und Kantonen stärken. Sie will erreichen, dass die erforderlichen Flächen und finanziellen Mittel zur Verfügung gestellt werden.

Svp, Fdp, die Mitte und ein Teil der GLP beabsichtigen, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Ihnen geht das Begehren zu weit. Es schränke etwa die Landwirtschaft durch sehr absolute Formulierungen ein. Dadurch werde die Versorgungssicherheit geschmälert. Auch der Bundesrat sprach sich gegen die Initiative aus.

Zusätzlich Fläche von Kanton Luzern schützen

Stattdessen schlägt die Regierung vor, Teile des Anliegens im Natur- und Heimatschutzgesetz zu regeln. So soll zum Beispiel ab 2030 die Kernfläche der sogenannten ökologischen Infrastruktur von 13,4 auf 17 Prozent der Landesfläche erhöht werden. Gemäss mehreren Voten entspricht die zusätzliche Fläche der Fläche des Kantons Luzerns.

Zu den Kernelementen gehören die Biotope, Waldreservate und nationale Schutzgebiete. Erreicht werden soll die erweiterte Fläche mit der Ergänzung weiterer Biotope oder dem Ausbau von Waldreservaten.

Zudem sollen die nationalen Schutzgebiete wo nötig saniert und diese etwa durch Wildkorridore verbunden werden. Die Mehrheit des Rates dürfte beschliessen, dass über diesen Vorschlag diskutiert werden soll - sprich, dass mehr zum Schutz der Natur unternommen werden soll.

Schweiz "schaut Sterben tatenlos zu"

Roland Fischer (LU) von der GLP etwa sagte, dass die Schweiz bisher fast tatenlos zugesehen habe, wie die Artenvielfalt weiter abnehme. Von den etwa 56'000 Arten seien 35 Prozent als gefährdet eingestuft, fügte der Zürcher Grünen-Politiker Bastien Girod an.

Auch in den Biotopen, also in bereits geschützten Gebieten, finde eine Verschlechterung statt. Der Gegenvorschlag habe das Potenzial, die Schweiz auf den richtigen Pfad zu bringen, sagte wiederum Fischer.

Auch die grosse Mehrheit der FDP stellt sich hinter den Gegenvorschlag. Ein besserer Schutz der biologischen Artenvielfalt sei in der Fraktion unbestritten, sagte Susanne Vincenz-Stauffacher (FDP/SG). Mit dem Gegenvorschlag könnten ausgewählte und sinnvolle Anliegen auf Gesetzesstufe festgesetzt werden. Es sei aber klar, dass sich mit diesem die Schutz-Nutzen-Diskussionen akzentuieren würden.

Kein Platz mehr für Landwirtschaft

Tatsächlich nahmen diese Abwägungen in der Debatte viel Platz ein. Die SVP mit vielen Vertretern aus der Landwirtschaft befürchtet, dass durch die Vorlagen Produktionsfläche verloren geht. "Wenn die Landwirtschaft nicht mehr Produkte produzieren kann, weil so viel Fläche geschützt ist, dann behindert das die Landwirtschaft", sagte Albert Rösti (SVP/BE). Ausserdem werde der Tourismus ausgebremst.

Die Svp will entsprechend nicht auf den indirekten Gegenvorschlag eintreten. Die Bevölkerung habe zur Zeit andere Probleme als eine Biodiversitätskrise, eine solche Krise gebe es nämlich nicht, sagte Michael Graber (SVP/VS). Ausserdem sei die Vorlage kein indirekter Gegenentwurf, sondern bereits eine "pfefferscharfe Umsetzung der Initiative, die noch gar nicht angenommen worden sei." Die Landwirtschaft werde einmal mehr die Geschädigte sein, weil sie Fruchtfolgeflächen opfern müsse.

Auch Mitglieder der Mitte-Fraktion stellten sich die Frage, wo diese zusätzliche Fläche gefunden werden solle, wie Priska Wismer-Felder (LU) sagte. Der indirekte Gegenvorschlag stosse ausserdem auf Widerstand, weil nicht ein Richtwert, sondern eine fixe Prozentzahl ins Gesetz geschrieben werden solle.

Nach vier Stunden Debatte war die Sitzung vom Montag zu Ende. Die Beratungen sollen am Dienstag weitergehen.