Die grosse Kammer nahm am Mittwoch eine Motion ihrer Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N) nur in einem Punkt an. Der Bundesrat soll die Wiederausfuhr von in der Schweiz hergestellten Waffen ausnahmsweise bewilligen können, wenn der Uno-Sicherheitsrat einen Angriffskrieg verurteilt. In der Praxis dürfte der Beschluss aber nichts ändern.
Wirtschaftsminister Guy Parmelin beteuerte in der Debatte vergeblich, der Beschluss entspreche dem Status quo. Falls der Sicherheitsrat wegen einer Verletzung des Gewaltverbots in der Uno-Charta militärische Massnahmen autorisiere, seien Wiederausfuhren schon heute bewilligungsfähig.
Neu soll nach dem Willen des Nationalrats die reine Verurteilung eines völkerrechtswidrigen Angriffs ausreichen. Obwohl es sich um einen Mini-Schritt ohne direkte Konsequenzen handelt, fiel der Entscheid äusserst knapp - mit 98 zu 96 Stimmen bei zwei Enthaltungen. Über diesen Punkt der Motion muss nun der Ständerat entscheiden.
Deutliches Nein zum zweiten Punkt
Mit 117 zu 78 Stimmen bei einer Enthaltung verwarf die grosse Kammer den zweiten Punkt der Motion dagegen deutlich. Es soll nicht für eine Ausnahmebewilligung reichen, wenn die Uno-Vollversammlung einen Angriffskrieg mit Zweidrittelmehrheit verurteilt.
Die Debatte am Mittwochnachmittag war geprägt von zahlreichen Fragen. Diskutiert wurden weniger Einzelheiten zum Kriegsmaterialgesetz als Grundsatzfragen.
Hintergrund der Diskussion ist, dass seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine vor gut einem Jahr mehrere Staaten die Schweiz darum ersucht haben, Waffen an Kiew weitergeben zu dürfen. Der Bundesrat lehnte derartige Gesuche bis anhin stets ab. International trug dies der Schweiz Kritik ein.
Grundsatzdiskussion zur Neutralität
Die Schweiz müsse ihren Beitrag zur europäischen Sicherheit leisten und die Ukraine stärker unterstützen, sagte Priska Seiler-Graf (SP/ZH) namens der Kommissionsmehrheit. Es sei im Landesinteresse, dass das Gewaltverbot in der Uno-Charta respektiert werde.
Die Gegnerseite warnte dagegen vor einer Aufgabe der Schweizer Neutralität und davor, dass die Schweiz in den Krieg hineingezogen werden könnte.
Heftige Kritik an der Kommissionsmotion übte Hans-Peter Portmann (FDP/ZH). "Wie kann uns eine Kommission, die für die Sicherheit des Landes zuständig ist, eine solche Motion unterbreiten?" fragte er rhetorisch.
Roger Köppel (SVP/ZH) bezeichnete die Motion als Ungeheuerlichkeit. Denn sie verletze das neutralitätsrechtliche Gleichbehandlungsverbot und fordere, eine Seite in einem Krieg "einseitig aufzumunitionieren".
Warnung von Parmelin
Auch der Bundesrat hielt die Motion in ihrer ursprünglichen Form für nicht mit dem Neutralitätsrecht vereinbar - weil letztlich die Schweiz entscheiden würde, ob Kriegsmaterial an eine Kriegspartei geliefert würde.
Parmelin legte sich nicht fest, ob der Bundesrat Gesuche aus dem Ausland je nach Entscheid des Parlaments anders behandeln und neue Ausnahmeklauseln nutzen würde. "Die Annahme der Motion würde den Bundesrat in eine sehr schwierige Lage bringen", warnte er aber.
Er verstehe, dass sich ein Teil des Nationalrats auf die Uno-Vollversammlung als Legitimationsquelle stützen wolle, so Parmelin weiter. Bindende Entscheidungen dazu, wer in einem Krieg der Aggressor sei, könne dieses Gremium aber nicht fällen.
Diskussion geht weiter
Das Nein des Nationalrats bedeutet nicht das Ende der Diskussion um Waffenexporte. Im Parlament sind derzeit drei parlamentarische Initiativen zum Thema hängig.
Zur Debatte steht unter anderem eine Ausnahmeregelung ausschliesslich im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, eine "Lex Ukraine". Die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S) möchte es dem Bundesrat erlauben, Nichtwiederausfuhr-Erklärungen unter gewissen Bedingungen auf fünf Jahre zu befristen.
Auf dem Tisch liegt zudem ein Kompromissvorschlag, der die Grundsätze der Befristung und der Abstützung auf Beschlüsse von Uno-Gremien kombiniert. Ob dieser kombinierte Ansatz Chancen hat, ist nach dem Nationalratsentscheid vom Mittwoch allerdings fraglich.