(sda) Der Nationalrat ist auf eine Vorlage des Bundesrats zur besseren Abstimmung von Lärmschutz und Siedlungsentwicklung eingetreten. Es geht um eine Revision des Umweltschutzgesetzes, mit welcher die Landesregierung auch die Sanierung von Altlasten beschleunigen will.

Nachdem Eintreten unbestritten geblieben war, nahm der Nationalrat am Montagabend die Detailberatung der Vorlage auf. Dabei befasste er sich sofort mit einem der Kernpunkte der Vorlage: Unter welchen Umständen es erlaubt sein soll, neue Wohnungen in Gebieten mit überschrittenen Lärm-Immissionsgrenzwerten zu bauen.

Mehrere Redner wiesen darauf hin, dass diese Frage bei zunehmender Zuwanderung und knapper werdendem Raum für den Wohnungsbau sehr wichtig sei.

"Lüftungsfensterpraxis" wieder einführen

Der Ständerat sprach sich im Dezember bei der Beratung der Vorlage für einige Erleichterungen im Lärmschutz aus. So soll beispielsweise der Wohnungsbau auch dann möglich sein, wenn die lärmempfindlichen Räume einer Wohnung einfach eine kontrollierte Wohnraumlüftung erhalten.

Das kritisierten im Nationalrat Gabriela Suter (SP/AG) und Beat Flach (GLP/AG) im Namen ihrer Fraktionen: Kontrollierte Lüftungen seien nicht mit Klimaanlagen gleichzusetzen. Auch in solchen Wohnungen müsse man lüften können, gerade im Sommer.

Flach beantragt unter anderem deshalb, die lange in der Schweiz in etlichen Kantonen praktizierte sogenannte "Lüftungsfensterpraxis" ins geänderte Umweltschutzgesetz zu schreiben. Das Bundesgericht setzte dieser Praxis 2015 mit einem Urteil zu einem Fall im Kanton Aargau ein Ende. Seitdem herrscht laut Flach, der für den Schweizer Ingenieur- und Architekturverein arbeitet, Rechtsunsicherheit.

Die Praxis besagt, dass Wohnungsbau in Gebieten mit übermässigem Lärm dann möglich sein soll, wenn bei jeder Wohneinheit jeder lärmempfindliche Raum über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten werden. Unter bestimmten Bedingungen will Flach diese Regel etwas aufweichen.

Kommissionsmehrheit will "Mittelweg"

Eine Mehrheit der vorberatenden Nationalratskommission schlägt hingegen eine Lösung vor, die sie als Mittelweg zwischen Flachs Vorschlag und dem Ständerat bezeichnet.

Für sie sollen in der Schweiz künftig Wohnungen in Gebieten mit zu viel Lärm unter folgenden Bedingungen zulässig sein: Bei jeder Wohneinheit verfügt mindestens ein lärmempfindlicher Raum über ein Fenster, bei dem die Grenzwerte eingehalten sind.

Zudem muss bei den übrigen Räumen eine kontrollierte Wohnraumlüftung installiert werden oder ein privat nutzbarer Aussenraum zur Verfügung stehen, bei dem die Lärmgrenzwerte eingehalten werden.

Alternativ sind Baubewilligungen möglich, wenn bei jeder Wohneinheit mindestens die Hälfte der lärmempfindlichen Räume über ein Fenster verfügt, bei dem die Immissionsgrenzwerte eingehalten sind, und der bauliche Mindestschutz nach Artikel 21 des Umweltschutzgesetzes wird angemessen und wirtschaftlich verhältnismässig verschärft.

Die FDP-Fraktion hatte sich grundsätzlich bereits für diesen Vorschlag ausgesprochen, bevor die Sitzung am Montagabend unterbrochen wurde. Am 11. März wird der Nationalrat damit weitermachen. Die SP-Fraktion sprach sich für den Vorschlag Flach aus.

Gegen Tempo 30 als Lärmschutzmassnahme?

Ebenfalls zu reden geben dürfte ab 11. März ein Einzelantrag von Thomas Hurter (SVP/SH). Er fordert, dass es künftig verboten sein soll, auf verkehrsorientierten Strassen mit dem Ziel der Lärmreduktion die zulässige Maximalgeschwindigkeit zu senken, also beispielsweise Tempo 30 zu verhängen.

Eine Minderheit der vorberatenden Kommission, die einen ähnlichen Antrag gestellt hatte, zog diesen zugunsten von Hurter zurück.

Ab dem 11. März wird auch eine allfällige Aufweichung der Lärm-Immissionsgrenzwerte für Wohngebiete rund um Flughäfen diskutiert. Gabriela Suter drohte bereits ein Referendum an, falls der Nationalrat bei den Lärmfragen zu weit gehe.

Kinderspielplätze: Privaten soll geholfen werden

Ein weiteres Hauptziel des Bundesrats mit der Gesetzesrevision ist, die Sanierung von Altlasten zu beschleunigen. Diesbezüglich schlägt die vorberatende Kommission dem Nationalrat vor, dass die Kantone die Inhaber dieser Plätze unter gewissen Bedingungen finanziell unterstützen können. Der Ständerat wollte das nicht.