(sda) Der Nationalrat will nichts wissen von der Ernährungsinitiative. Keine einzige Fraktion befürwortet das Begehren, das in den Worten vieler Ratsmitglieder diktieren würde, was auf den Teller kommt. Auch eine alternative, weniger weit gehende Verfassungsbestimmung lehnte der Rat ab.

Seine Nein-Empfehlung beschloss der Nationalrat am Mittwoch ohne Abstimmung, entsprechend dem unbestrittenen Antrag der zuständigen Kommission. Die Initiative "Für eine sichere Ernährung - durch Stärkung einer nachhaltigen inländischen Produktion, mehr pflanzliche Lebensmittel und sauberes Trinkwasser" verlangt, die Lebensmittelproduktion vermehrt auf pflanzliche Kost auszurichten.

70 Prozent Netto-Selbstversorgung

Die Selbstversorgung soll laut Initiativtext verstärkt werden. Konkret soll der Netto-Selbstversorgungsgrad auf mindestens 70 Prozent steigen, und das innert zehn Jahren. Zudem sollen die Grundwasserressourcen und die Fruchtbarkeit der Böden gesichert sein. Dabei geht es namentlich um den Eintrag von Stickstoffverbindungen und Phosphor.

Heute liegt der Selbstversorgungsgrad nach Angaben des Bundesrats bei 46 Prozent. Hinter der Initiative stehen Franziska Herren vom Verein "Sauberes Wasser für alle" sowie sechs weitere Personen. Herren war bereits treibende Kraft der 2021 an der Urne abgelehnten Trinkwasserinitiative.

Den geforderten Netto-Selbstversorgungsgrad nannten zahlreiche Nationalratsmitglieder unrealistisch. Während der Anbauschlacht im Zweiten Weltkrieg sei er nicht vollständig erreicht worden, sagte etwa Olivier Feller (FDP/VD). Es sei fraglich, ob die Bevölkerung zu den damaligen Opfern bereit sei. Damals habe man Parkflächen und Sportplätze umgegraben.

"Ribelmais, Griessmus und Haferbrei"

Bauernverbandspräsident Markus Ritter (Mitte/SG) erinnerte daran, dass es in der Schweiz heute weniger Kulturland gebe als während des Zweiten Weltkriegs. Damals seien Lebensmittel rationiert gewesen. Um die Ziele der Initiative zu erreichen, müsste man den Konsum von Milchprodukten, Eiern und Fleisch drastisch einschränken. "Ribelmais, Griessmus und Haferbrei kämen wieder auf unsere Tische."

Nadja Umbricht Pieren (SVP/BE) sprach von "staatlichem Vegan-Zwang". Mündige Menschen könnten selbst entscheiden, was eine gesunde Ernährung sei. Inländische tierische Produkte würden mit der Initiative zum Luxusgut, das sich nur noch wenige leisten könnten. Erschwinglicher könnten nur Produkte aus dem Ausland sein.

Viehzucht gehöre zur Schweizer Kultur, sagte Nicolas Kolly (SVP/FR). In den Voralpen und Alpen würden keine Sonnenblumen gepflanzt, um veganen Greyerzer oder Raclettekäse herzustellen. Lukas Reimann (SVP/SG) wollte die Selbstversorgung steigern. Würden Nahrungsmittel in Krisenzeiten knapp, schaue jedes Land für sich, mahnte er.

"Es kann nicht so weitergehen"

Einmal mehr werde längst Diskutiertes und Entschiedenes diskutiert, stellte Simone de Montmollin (FDP/GE) fest. Der Wechsel zu mehr Nachhaltigkeit müsse mit den Bauern, Bäuerinnen, Konsumenten und Konsumentinnen erfolgen.

Bei Sp, Grünen und GLP fanden die Initiantinnen und Initianten mehr Gehör, und sie wollten zumindest den Erhalt der Gewässerqualität, der Boden-Fruchtbarkeit und der Biodiversität in die Verfassung schreiben. Der von ihnen vorgeschlagene direkte Gegenvorschlag kam aber mit 73 gegen 121 Stimmen nicht durch.

"Wir können nicht so tun, als hätte unsere Nahrungsmittelproduktion keine problematischen Folgen", sagte Ueli Schmezer (SP/BE). Abhilfe zu schaffen, heisse standortgerecht produzieren, mit dem vorhandenen Futter und mit weniger Hochleistung.

"Wie es ist, kann es nicht weitergehen, da haben die Initiantinnen und Initianten Recht", sagte auch Gabriela Suter (SP/AG). Der Gegenvorschlag mache umsetzbar, was die Initiative als Probleme benenne. Er sei eine pragmatische Antwort auf ein gesellschaftlich relevantes Problem, fügte Niklaus-Samuel Gugger (EVP/ZH) hinzu.

In der Agrarpolitik ab 2030

Der Bundesrat lehnte die Initiative ab, und er wollte auch keinen Gegenvorschlag dazu. Mit seiner Agrarpolitik ab 2030 wolle der Bundesrat die Anliegen der Initiative aufnehmen, versicherte Landwirtschaftsminister Guy Parmelin im Rat. "Er wird dabei realistische Ziele und eine realistische Agenda vorlegen."

Über die Initiative hat als nächstes der Ständerat zu entscheiden.