Die Delegation für die Beziehungen zum französischen Parlament empfing am 25. und 26. Februar 2019 die Freundschaftsgruppe Frankreich–Schweiz des französischen Senats zu einem Besuch in der Schweiz. Die vom Senator der Auslandsfranzösinnen und -franzosen, Ronan Le Gleut, angeführte Delegation aus Frankreich hatte Innovation als Thema ihres Besuchs festgelegt. Neben verschiedenen Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft und Praxis stand auch ein Austausch zu bilateralen und grenzüberschreitenden Themen auf dem Programm.

​Am Montag, 25. Februar, weilten die beiden Delegationen in Genf, wo Gespräche mit einem Vertreter des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI) sowie mit dem stellvertretenden Generalsekretär für Wirtschaftsangelegenheiten des Amtes für Wirtschaftsförderung des Kantons Genf stattfanden. In den Gesprächen wurde die Funktionsweise des Schweizer Innovationssystems erläutert und hervorgehoben, dass die Unabhängigkeit der Eidgenössischen Technischen Hochschulen sowie die hervorragende Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren entscheidende Erfolgsfaktoren der Schweiz sind. Das SBFI präsentierte ausserdem die Schweizerische Agentur für Innovationsförderung Innosuisse, die 75 Prozent ihrer Fördermittel direkt an innovative kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ausrichtet. Der Kanton Genf seinerseits verfügt über eine breite Palette an Instrumenten, um solch junge und verheissungsvolle Unternehmen zu unterstützen und in ihrer Entwicklung zu fördern. Im Jahr 2018 unterstützte er Start-ups in der Inkubationsphase mit zehn Millionen Franken. Ein Mitglied der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur des Nationalrates, Nationalrat Jacques-André Maire, nahm als Experte dieses Themenbereichs ebenfalls an den Diskussionen teil. Alle waren sich einig darin, dass die geographische Nähe zwischen Industrie und Wissenschaft wichtig ist, um qualifizierte Arbeitskräfte zu finden und den Innovationstransfer von der Forschung zur Praxis zu fördern. Das SBFI erinnerte daran, dass die Schweiz zwar nicht mit den chinesischen und amerikanischen Investitionen in die Innovation konkurrieren, aber eine wichtige Rolle in Nischenbereichen spielen kann, in welchen wir ausgezeichnete Arbeit leisten und einigen unserer wichtigsten Konkurrenten den Rang ablaufen.

Im Weiteren hatten die beiden Delegationen die Gelegenheit, das Thema eHealth mit Professor Dr. Antoine Geissbuhler, Chefarzt des Dienstes für eHealth und Telemedizin der Genfer Universitätsspitäler (HUG), zu besprechen. Professor Geissbuhler erläuterte, welches die verschiedenen Herausforderungen im Bereich eHealth sind, und informierte darüber, dass beim elektronischen Patientendossier Fortschritte erzielt werden, angesichts der sensiblen Daten jedoch Wachsamkeit geboten ist. Ausserdem begrüsste er Frankreichs gesetzgeberische Fortschritte in diesem Bereich.

Der Nachmittag war dem Human Brain Project der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Lausanne (EPFL) gewidmet. Die beiden Delegationen wurden zunächst von Stéphane Decoutère, Beauftragter des EPFL-Präsidenten für Governmental Affairs, empfangen. Die Delegationsmitglieder waren beeindruckt von der digitalen Revolution an der EPFL und den zahlreichen MOOC-Kursen (Massive Open Online Courses), die auf der ganzen Welt ein Publikum erreichen, darunter 33 Prozent französischsprachige Teilnehmende. Anschliessend besuchten sie das Zentrum für Neuroprothesen, wo sie sich von konkreten Beispielen aus diesem Forschungsbereich ein Bild machen konnten. Bruno Heberlin, stellvertretender Direktor des Zentrums, präsentierte ihnen die verschiedenen laufenden Projekte und legte dabei den Schwerpunkt auf den jüngsten Erfolg des Zentrums: Dank Rückenmarkstimulation können Paraplegikerinnen und Paraplegiker ihre Beine wieder bewegen. Dieses Projekt wird von der SUVA bereits umgesetzt und ist ein gutes Beispiel für erfolgreichen Innovationstransfer. Als Abschluss des Tages besichtigten die Delegationen die 3D-Visualisationsplattform Open Deck, die über eine Computersimulation die Funktionsweise unseres Gehirns aufzeigt. Dank diesem innovativen Instrument kann die Stimulation der Neuronen in unserem Gehirn neu über Computer berechnet und analysiert werden anstatt an Tieren oder Menschen.

Am Dienstag, 26. Februar, begaben sich die Delegationen nach Zürich, wo sie das Forschungszentrum von Google besuchten, um mehr über künstliche Intelligenz zu erfahren. Google vergrösserte seien Belegschaft in Zürich in den vergangenen 15 Jahren deutlich, und zwar von zwei auf über 2500 Mitarbeitende aus 85 Ländern. Nach einer kurzen Einführung in die Kultur bei Google stand das Kernthema des Besuchs im Zentrum. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier entdeckten – mit mehr oder weniger Erfolg –, welche Möglichkeiten der Google Assistant dank Deep Learning eröffnet. Anschliessend stellte der Forschungsverantwortliche diverse auf künstlicher Intelligenz basierende Anwendungen vor, welche teils Grosses für die Menschheit leisten. Seiner Auffassung nach ist die künstliche Intelligenz noch weit davon entfernt, die menschliche zu übertreffen, allerdings könne sie in konkreten Fällen eine Hilfe für die Menschen sein, beispielsweise, wenn sie die Medizin bei der Erkennung genetischer Erkrankungen unterstützt. Die künstliche Intelligenz sei für Softwareprogramme was die Luftfahrt für das Reisen war. Ziehe man die Prognosen zur Zahl der Smartphonebesitzerinnen und -besitzer (bis 2020 werden 5 Mia. Personen ein Smartphone besitzen) heran, sei das Entwicklungspotenzial enorm. Getreu dem Leitspruch von Rabelais «Wissenschaft ohne Gewissen bedeutet den Untergang der Seele» baten die Parlamentsmitglieder Google, zusammen mit der Philosophie die Grenzen der künstlichen Intelligenz festzulegen. Zum Abschluss fand eine Führung durch die Räumlichkeiten des Unternehmens statt.

Danach trafen sich die Delegationen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETHZ) zu einem Gespräch mit deren Präsidenten Joël Mesot. Er dankte dem Parlament für die Unterstützung von Wissenschaft und Forschung, wies aber auch darauf hin, dass der Bildungsbereich vor äusserst grossen Herausforderungen steht. Ausserdem habe die Schweiz, obschon sie eine ausgezeichnete Ausbildnerin sei, grosse Mühe, eine stetig steigende Nachfrage zu befriedigen. Er sei allerdings erfreut, dass das Schweizer Berufsbildungssystem mit seinen Passerellen dafür sorgt, dass die Schweiz auf allen Ebenen über eine hervorragende Ausbildungsqualität verfügt. Des Weiteren betonte Joël Mesot, dass das Schweizer System im Vergleich zu den USA ein zurückhaltendes System ist, was Investitionen in die Innovation betrifft, und dass das Parlament möglicherweise die Rechtsgrundlagen anpassen sollte, um solche Investitionen zu erleichtern und den Innovationstransfer in die Industrie zu fördern. Nationalrat Fathi Derder wies auf das grosse Misstrauen hin, das die Parlamentsmitglieder der Wissenschaft im Allgemeinen entgegenbringen. Ständerätin Liliane Maury Pasquier regte an, neben den Einführungskursen in den Ratsbetrieb, die jeweils zu Legislaturbeginn für die neuen Parlamentsmitglieder durchgeführt werden, ähnliche Kurse auch zur Wissenschaft anzubieten (eine Art technische Ausbildung), um ein besseres Verständnis zu schaffen.

Darüber hinaus hatten die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Gelegenheit, sich im Rahmen der Besichtigung des Innovation & Entrepreneurship Lab der ETHZ mit Inhaberinnen und Inhabern von Start-ups auszutauschen. Die Gründer der zwei Start-ups FenX und Oxara, die aus dem Pioneer-Fellowship-Programm der ETHZ hervorgingen, hielten ihren Elevator Pitch vor den beiden Delegationen. FenX nutzt Mineralien (wie Asche oder Ton) zur Herstellung eines neuen, innovativen und feuerbeständigen Isolationsmaterials, Oxara entwickelte zementfreien Beton, der zweieinhalbmal günstiger und 60 bis 70 Prozent ökologischer ist als «normaler» Beton. Die Erfindungen dieser beiden Start-ups stellen aufgrund ihrer tiefen Produktionskosten ein grosses Potenzial für Entwicklungsländer dar. Beide Delegationen lobten den unternehmerischen Mut und den Erfindergeist der beiden Start-ups.

Da die Schweiz und Frankreich ausgezeichnete und intensive Beziehungen pflegen, nutzten die beiden Delegationen ihr Treffen auch, um sich offen über verschiedene bilaterale und grenzüberschreitende Themen zu unterhalten. Die französische Delegation wollte wissen, was die Schweizer Delegation vom Référendum d’Initiative citoyen (RIC) hält, das die Gelbwesten in Frankreich fordern. Die Schweizer Delegation antwortete, dass in der Schweiz zwischen der Anfechtung einer Gesetzesvorlage (Referendum) und dem Vorschlag einer neuen Gesetzesvorlage (Initiative) unterschieden wird. Sie betonte, dass die Konsenskultur fester Bestandteil der Schweizer Politik ist, was in Frankreich nicht zwingend der Fall ist. Laut der Schweizer Delegation könnte das Schweizer System auch auf Frankreich angewendet werden, allerdings nur auf lokaler Ebene. Die Schweizer Delegation ihrerseits verlangte genauere Auskünfte zum Rahmenabkommen der beiden Länder über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich und zum Stand der Verhandlungen in der französischen Nationalversammlung. Die Nationalversammlung hatte zahlreiche Vorbehalte gegenüber diesem Abkommen und schickte 2018 eine Delegation für einen «Blitzbesuch» in die Schweiz, um bestimmte Fragen zu klären. Obschon dieser Besuch längst abgeschlossen ist, ist das Abkommen noch immer in der Nationalversammlung hängig, weshalb es noch nicht vom Senat behandelt werden konnte. Laut der französischen Delegation wird sich der Senat vermutlich im Mai 2019 mit diesem Abkommen befassen, das von vielen Gesundheitsfachpersonen sehnlichst erwartet wird. Die Schweizer Delegation bleibt am Ball.

Die Freundschaftsgruppe Frankreich–Schweiz des französischen Senats – die sich aus Senatorinnen und Senatoren aller Fraktionen zusammensetzt – wurde angeführt von Senator Ronan Le Gleut. Neben ihm gehörten der französischen Delegation auch die Senatorin Martine Berthet (Les Républicains, Savoie) sowie die Senatoren Hugues Saurey (Les Républicains, Loiret) und Christophe-André Frassa (Les Républicains, Auslandfranzösinnen und -franzosen) an.

Die Schweizer Delegation setzte sich zusammen aus ihrer Präsidentin, Ständerätin Liliane Maury Pasquier (SP, GE), ihrer Vizepräsidentin, Nationalrätin Céline Amaudruz (SVP, GE), Nationalrätin Alice Glauser-Zufferey (SVP, VD), den Nationalräten Fathi Derder (FDP, VD), Yves Nidegger (SVP, GE) und Manuel Tornare (SP, GE) sowie Ständerat Olivier Français (FDP, VD).