Der Präsident der Geschäftsprüfungsdelegation wird während der Sondersession des Ständerats im August 2009 eine dringliche Interpellation zum Fall Tinner und zum Verhältnis des Bundesrats zur parlamentarischen Oberaufsicht einreichen.

Laut Artikel 5 der Bundesverfassung ist das Recht die Grundlage und Schranke des staatlichen Handelns. Im Zentrum der parlamentarischen Oberaufsicht steht deshalb immer die Frage, ob der Bundesrat seine Aufgaben rechtmässig wahrnimmt. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) verfügt zur Beantwortung dieser Frage über uneingeschränkte Informationsrechte. Es dürfen ihr keine Geheimhaltungsinteressen entgegenhalten werden. Der Bundesrat war somit gehalten, ihr alle relevanten Informationen zu liefern. Nach umfassender und fundierter Abklärung kam die GPDel nachvollziehbar zum Schluss, dass der Bundesrat ein unrechtmässiges Vorgehen beschlossen hat. Es war deshalb ihre Pflicht, den Bundesrat aufzufordern, ein anderes Vorgehen zu wählen. Sie hat ihre Schlussfolgerungen in ihrem veröffentlichten Untersuchungsbericht vom 19. Januar 2009 wie auch an der Medienkonferenz vom 30. Juni 2009 belegt.

Der Bundesrat hat gemäss seiner Medienmitteilung vom 1. Juli 2009 ein anderes Verständnis von der Rolle der parlamentarischen Oberaufsicht. Nach Ansicht des Bundesrats ist es fraglich, ob es der GPDel im Rahmen der parlamentarischen Oberaufsicht zusteht, die Exekutive aufzufordern, sich an das Landesrecht zu halten. Bisher war das Empfehlungsrecht der GPDel gegenüber dem Bundesrat unbestritten. Bei dieser zentralen staatspolitischen Frage geht es letztlich um die Rollenverteilung zwischen dem Parlament und der Regierung. Die GPDel ist der Ansicht, dass diese Frage im Parlament zu diskutieren ist.

Dabei soll auch zur Sprache kommen, warum der Bundesrat trotz den Schlussfolgerungen des Untersuchungsberichts der GPDel vom 19. Januar 2009 keinen Weg gefunden hat, um das Strafverfahren Tinner in rechtsstaatlich einwandfreie Bahnen zu lenken. Konkret stellt sich die Frage, ob die Entscheide des Bundesrats sachgerecht und mit dem Ziel eines rechtskonformen Vorgehens vorbereitet wurden.

Der Präsident der GPDel wird deshalb an der Sondersession des Ständerats, die vom 10. bis 11. August 2009 stattfindet, eine dringliche Interpellation zum Fall Tinner und zum Verhältnis des Bundesrats zur parlamentarischen Oberaufsicht einreichen. Ausserdem wird die GPDel mit den Geschäftsprüfungskommissionen beider Räte gestützt auf das Parlamentsgesetz prüfen, ob anderweitige Massnahmen vorzukehren sind.

 

Bern, 2. Juli 2009 Parlamentsdienste