Die Schweiz ist mit einer Delegation an der parlamentarischen Versammlung der Frankophonie vertreten. Bei der diesjährigen Jahrestagung brachten die Schweizer Vertreter eine Resolution ein. Sie fordern die Stärkung von Bildungsinstitutionen in Krisen wie der Covid-19-Pandemie.

Grenzen dicht, Läden zu, in 190 Ländern wurden auch die Schulen geschlossen. Vor fast einem Jahr hat Covid-19 die Welt zum Stillstand gebracht. Obwohl Kinder von den gesundheitlichen Folgen des Virus scheinbar weniger betroffen sind als Erwachsene, hat sich auch ihr Alltag seither drastisch verändert. Die UNESCO schätzt, dass ab März 2020 1,6 Milliarden Kinder und Jugendliche nicht mehr zur Schule gehen konnten. Das sind 91 Prozent aller Lernenden weltweit.

«Bildung ist ein grundlegendes Menschenrecht, deshalb darf sie auch in Krisensituationen nicht vernachlässigt werden», sagt Mathias Reynard. Der Walliser SP-Nationalrat ist Mitglied der Schweizer Delegation der parlamentarischen Versammlung der Frankophonie (APF) und Sekundarlehrer in Savièse. Er kennt die Herausforderungen, die die Pandemie an Schülerinnen, Schüler und Lehrpersonen stellt, denn auch aus eigener Erfahrung: «Ungewissheit, fehlende soziale Kontakte und technologische Hürden haben sich negativ auf die Entwicklung von Lernenden ausgewirkt. Wir können nicht genug betonen, welch wesentliche Rolle die Schulen für den sozialen Zusammenhalt spielen » sagt Reynard, der auch die Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) präsidiert.

Dies sollen Regierungen in ihren Plänen zur Bewältigung der Gesundheitskrise berücksichtigen, verlangt deshalb die Schweizer Delegation unter der Leitung des Waadtländer FDP-Nationalrats Laurent Wehrli an der 46. Jahrestagung der APF, die dieses Jahr online stattfand. Die Schweizer Parlamentarier forderten die Regierungen der Mitgliedstaaten ausserdem auf, die für Bildung vorgesehenen Budgets trotz der von der Pandemie verursachten wirtschaftlichen Krise nicht zu kürzen. Wehrli befragte dazu die Generalsekretärin der «Organisation internationale de la francophonie» (OIF), Louise Mushikiwabo zu den Mitteln, die die OIF aufbringen könne, um Bildungsangebote für krisengeschädigte Kinder einzurichten.

Der Schweizer Resolution liegt ein Bericht zu Bildung in Krisensituationen  zugrunde, den die AFP-Delegation noch während der ersten Pandemiewelle erarbeitete. 20 Gebiete der Frankophonie wurden darin unter die Lupe genommen.

Was, wenn die Internetverbindung abbricht?

Der Bericht hält fest, einen Krisenplan für den Bildungssektor gab es in den meisten der untersuchten frankophonen Gebiete nicht. Die ad-hoc Alternativen zum Präsenzunterricht waren oft pragmatisch und durchaus kreativ, selten jedoch längerfristig praktikabel. Während in der Schweiz oder Frankreich vorwiegend auf den digitalisierten Fernunterricht gesetzt wurde, haben grosse Teile der Bevölkerung in Togo oder Senegal keinen zuverlässigen Zugang zu Internet und Computer. Dort wurde mit Hilfe traditioneller Medien wie TV und Radio unterrichtet. In Niger hingegen musste der Schulunterricht mangels Infrastruktur ganz eingestellt werden.

Die Pandemie verschärfe so die existierende Chancenungleichheit, so das Fazit des Berichts. Bereits in den reicheren Ländern ist es für Kinder aus bildungsfernen oder sozial schwächeren Familien schwieriger, sich zuhause alleine mit dem Schulstoff auseinanderzusetzen. In wirtschaftlich weniger privilegierten Regionen hatte die Schliessung der Schulen teils drastische Konsequenzen für Kinder und Jugendliche. Schule ist eben nicht nur ein Ort, an dem gelernt wird. Schule bedeutet manchenorts auch Schutz, eine warme Mahlzeit und eine optimistischere Zukunftsperspektive.

Was Schweizer Kinder und Jugendliche im Frühjahr 2020 erlebten, sei für 127 Millionen Kinder, die in Krisenherden aufwachsen bereits vor der Pandemie Alltag gewesen, so Reynard, der den Bericht mitverfasst hat.  «Mit der Schweizer Resolution wollen wir die internationale Gemeinschaft aufrufen, sich für das Recht auf Bildung wirksam einzusetzen.»

Die Institutionen der Frankophonie, insbesondere deren Parlamentarische Versammlung, engagieren sich seit langem im Bereich der Bildung. «Ich würde sogar sagen, dass die Sicherstellung, dass alle Mädchen und Jungen Zugang zu hochwertiger Bildung haben, einer der Eckpfeiler der APF ist», sagt Reynard.  Die Schweizer Delegation sei besonders gut positioniert, um Bildungsfragen voranzutreiben, schliesslich präsidiert sie seit mehr als einem Jahrzehnt die APF-Kommission für Bildung, Kommunikation und kulturelle Angelegenheiten (CECAC), eine Aufgabe, die derzeit vom Freiburger SP-Ständerat Christian Levrat ausgeführt wird.

Genf neues Zentrum für Bildung in Krisensituationen

Das Engagement der Schweizer Delegation knüpft an eine Initiative des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA) an, das am vergangenen Montag zusammen mit zehn nationalen und internationalen Partnern offiziell den «Geneva Global Hub for Education in Emergencies» ins Leben gerufen hat. Genf wird damit zum internationalen Zentrum für die Suche nach Lösungen und Antworten für Bildungsfragen in Krisensituationen.