Im zweiten Anlauf klappte es endlich: Am 7. Februar 1971 legten 621'109 Schweizer Männer ein «Ja» zum Stimm- und Wahlrecht für Frauen in die Urne. Der Weg dahin war für die Schweizerinnen lang und steinig gewesen. Über hundert Jahre lang hatte es vom ersten eingereichten Begehren 1868 bis zur tatsächlichen Umsetzung 1971 gedauert. 1959 noch war das Stimm- und Wahlrecht für Frauen mit einer Zweidrittelmehrheit deutlich von den Schweizer Männern abgelehnt worden. Unser Blick zurück veranschaulicht die langwierige Debatte rund um die politische Gleichstellung der Frauen in der Schweiz.
1868: Erstmals verlangten die Zürcherinnen anlässlich der kantonalen Verfassungsrevision das Frauenstimmrecht – vergebens. Kurz darauf wurde von erwerbstätigen Frauen der Schweizerische Arbeiterinnenverband gegründet. 1893 forderte dieser erstmals offiziell das Frauenstimm- und Wahlrecht. In der Folge entstanden weitere Stimmrechtsvereine, die 1909 gemeinsam den Schweizerischen Verband für Frauenstimmrecht (SVF) bildeten.
1904 nahm die Sozialdemokratische Partei der Schweiz (SP) das Frauenstimmrecht in ihr Parteiprogramm auf. Ab 1912 galt das Begehren offiziell als Kampfmittel gegen die Ausbeutung des Proletariats durch die kapitalistische Klasse. Im selben Jahr verlangte die SP im St. Galler Grossen Rat das kantonale Frauenstimmrecht – ohne Erfolg.
Zwischen 1914 und 1921 wurden in den Kantonen Basel-Stadt, Bern, Genf, Neuenburg, Zürich und Waadt Anträge für das Frauenstimmrecht eingereicht, die aber grösstenteils bereits in den Parlamenten scheiterten. In Genf, Neuenburg, Basel-Stadt, Zürich, Glarus und St. Gallen wurde zwischen 1919 und 1921 über das Frauenstimmrecht abgestimmt. Alle Abstimmungen endeten jedoch mit einem negativen Ergebnis für die Frauen.
Erste Vorstösse auf nationaler Ebene
In derselben Zeit wurden im Nationalrat erstmals zwei Motionen für das eidgenössische Frauenstimmrecht eingereicht und von den Räten zu Postulaten abgeschwächt. 1919 wurden sie an den Bundesrat überwiesen, der sie aber für Jahrzehnte in der Schublade verschwinden liess.
1929 reichte der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht (SVF) mit Unterstützung weiterer Frauenorganisationen, der SP und der Gewerkschaften auf Bundesebene eine Petition für das Frauenstimmrecht mit 249'237 Unterschriften (78'840 von Männern, 170'397 von Frauen) ein. Auch sie blieb jedoch folgenlos.
Weltkriege: Traditionelle Werte stehen im Vordergrund
In den 1930er-Jahren ging mit der Wirtschaftskrise und dem Erstarken politisch konservativer und faschistischer Strömungen eine starke Betonung der Aufgaben der Frau im häuslichen Bereich einher. Dies liess die Anliegen der Frauenstimmrechtsbewegung vorübergehend verstummen.
Im 2. Weltkrieg setzten sich die Frauenverbände mit der Hoffnung auf politische Rechte verstärkt in der Volkswohlfahrt ein. Dennoch wurden 1940 in Genf und Neuenburg erneut Vorlagen für das kantonale und kommunale Frauenstimmrecht verworfen. Im Nationalrat wurde 1945 ein Postulat für das Frauenstimmrecht an den Bundesrat überwiesen. In der Aufbruchsstimmung der ersten Nachkriegsjahre fanden einige Abstimmungen über das kantonale oder kommunale Frauenstimmrecht statt (1946 Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Genf, Tessin; 1947 Zürich; 1948 Neuenburg, Solothurn; 1951 Waadt). Sie gingen jedoch alle negativ für die Frauen aus. 1951 publizierte der Bundesrat einen Bericht, in dem er angesichts der kantonalen Misserfolge eine eidgenössische Abstimmung über das Frauenstimmrecht als verfrüht erachtete.
Hartnäckigkeit der Frauen führt zur ersten Volksabstimmung 1959
Trotz des wirtschaftlichen Aufschwungs in den 1950er-Jahren blieb die politische Grundhaltung in der Schweiz weiterhin konservativ. Nur Basel-Stadt ermächtigte 1957 die drei Bürgergemeinden, das Frauenstimmrecht einzuführen. Am 26. Juni 1958 stimmten in Riehen erstmals auch die Frauen ab.
Als der Bundesrat 1957 die Schweizerinnen mit einem Zivilschutzobligatorium in die Landesverteidigung einbinden wollte, wehrten sich der Schweizerische Verband für Frauenstimmrecht, der Schweizerische Katholische Frauenbund und der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen dagegen, den Frauen neue Pflichten bei weiterhin fehlenden politischen Rechten aufzubürden.
Da die öffentliche Kontroverse das Zivilschutzprojekt gefährdete, legte der Bundesrat einen ersten Abstimmungsentwurf zum Frauenstimmrecht vor. Mit Unterstützung der Gegner des Frauenstimmrechts im Parlament, die eine Ablehnung durch die Stimmbürger herbeiführen wollte, passierte die Vorlage 1958 beide Räte. Vor dem Urnengang befürworteten SP, LdU und PdA das Frauenstimmrecht. Die FDP und die konservative Volkspartei gaben die Stimme frei, die BGB beschloss die Nein-Parole. Das Begehren wurde 1959 mit 654'939 (66,9%) Nein gegen 323'727 (33%) Ja bei einer Stimmbeteiligung von 66,7% deutlich abgelehnt. Nur die Kantone Waadt, Genf, Neuenburg stimmten zu. Waadt führte gleichzeitig das kantonale und kommunale Frauenstimmrecht ein. Neuenburg folgte im selben Jahr, Genf 1960.
Als erster Kanton in der deutschen Schweiz bejahte Basel-Stadt 1966 das kantonale und kommunale Frauenstimmrecht. Basel-Landschaft und das Tessin taten es ihm 1968 beziehungsweise 1969 gleich.
Steigender Druck für Parlament und Bundesrat Ende der 1960er-Jahre
1968 plante der Bundesrat die Unterzeichnung der europäischen Menschenrechtskonvention unter Ausschluss des Frauenstimmrechts. Die Frauenverbände, die eine weitere Verschleppung ihres Anliegens befürchteten, liessen sich von der Frauenbefreiungsbewegung (FBB) inspirieren und protestierten massiv. Angesichts der ohnehin gesellschaftlich angespannten Lage in den späten 1960er Jahren musste sich der Bundesrat nun mit einer neuen Abstimmungsvorlage zum Frauenstimmrecht beeilen. Da eine Annahme durch die Stimmbürger diesmal wahrscheinlich schien, hielten sich die Gegner zurück - keine Partei wollte sich die Gunst potentieller Wählerinnen verscherzen.
Am 7.Februar 1971 dann endlich der Erfolg für die Schweizer Frauen: Die Stimmbürger nahmen das eidgenössische Stimm- und Wahlrecht für Frauen mit 65,7% Ja- zu 34,3% Nein-Stimmen an - 53 Jahre nach Deutschland, 52 Jahre nach Österreich, 27 Jahre nach Frankreich und 26 Jahre nach Italien. Appenzell Ausserrhoden, Appenzell Innerrhoden, Glarus, Obwalden, Schwyz, St. Gallen, Thurgau, Uri lehnten das Begehren nach wie vor ab.
Im Zuge der Entwicklung auf Bundesebene führten die meisten Kantone kurz vor, nach oder zeitgleich mit dem eidgenössischen Frauenstimmrecht auch das kantonale und teilweise das kommunale Frauenstimmrecht ein. Manche Gemeinden verzögerten die Einführung des Frauenstimmrechts bis in die 1980er Jahre. In Appenzell Ausserrhoden entschied erst 1989 ein knappes Handmehr an der Landsgemeinde zugunsten des Frauenstimmrechts. Im Kanton Appenzell Innerrhoden brauchte es gar einen Bundesgerichtsbeschluss: Am 27. November 1990 entschied das Bundesgericht, dass auch in Innerrhoden die Frauen ab sofort zu Urne gehen dürfen. Die letzten Frauen stimmten somit am 28. April 1991 erstmals kantonal ab.
Erste Wahlen mit weiblicher Beteiligung im Herbst 1971
Im Herbst 1971 wählten die Schweizerinnen und Schweizer zehn Nationalrätinnen und eine Ständerätin ins Parlament. Eine elfte Nationalrätin rutschte schon nach wenigen Tagen für einen Mann nach, der in den Ständerat gewählt worden war.
Seither ist der Frauenanteil im Nationalrat zunächst rasch und danach etwas langsamer gestiegen; aktuell sind 62 der 200 Abgeordneten Frauen. In der kleinen Kammer mit 46 Mitgliedern sassen Anfang des Jahrtausends vorübergehend auch schon mehr als zehn Frauen. Zurzeit gibt es neun Ständerätinnen.
1977 wurde die Schwyzer CVP-Politikerin Elisabeth Blunschy erste Nationalratspräsidentin und damit höchste Schweizerin.
Erste Ständeratspräsidentin wurde 1991 die Luzerner Juristin Josi Meier (CVP). Als legendär gelten ihre Worte an der Frauensession 1991: «Erst heute begreife ich jene Männer, die mir am Anfang meiner Karriere sagten, die Frau gehöre ins Haus. Recht hatten sie. Die Frauen gehören ins Gemeindehaus, ins Ratshaus, ins Bundeshaus.»