Während der ersten Phase der Covid-19-Krise hat der Bundesrat seine Notrechtskompetenz rege genutzt. So waren im Frühsommer 2020 neben zahlreichen unselbstständigen Verordnungen mit Krisenbezug zeitweise bis zu fünfzehn bundesrätliche Notverordnungen gleichzeitig in Kraft.
Das Parlament hat selbst keine Notverordnungen erlassen. Es hat aber den Bundesrat mittels Motionen (20.3128 WBK-N / 20.3129 WBK-S, 20.3145 KVF-S / 20.3154 KVF-N, 20.3146 KVF-S / 20.3155 KVF-N, 20.3157 RK-N) beauftragt, drei Notverordnungen (SR 862.1, SR 783.03, SR 784.402) zu erlassen. Aus Gründen der Rechtssicherheit hatten sich die Gewalten in der ersten Phase der Covid-19-Krise informell darauf geeinigt, dass das Parlament kein eigenes Notrecht bzw. Dringlichkeitsrecht ausarbeitet, sondern stattdessen dem Bundesrat mittels Motionen Aufträge erteilt, welche dieser umgehend umsetzt.
Im Nachgang zur Covid-19 Krise hielt das Parlament für eine bessere «Nutzung der Notrechtskompetenzen und Kontrolle des bundesrätlichen Notrechts in Krisen» im Gesetz neu fest (20.437/20.438), dass eine verlangte ausserordentliche Session unverzüglich stattzufinden hat, wenn
- der Bundesrat eine Notverordnung oder eine Verordnung, die sich auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise stützt, erlassen oder geändert hat;
- der Entwurf für eine Notverordnung oder einen einfachen Bundesbeschluss, der einer Notverfügung entspricht, oder der Entwurf für ein dringliches Bundesgesetz im Parlament anhängig gemacht wird.
Zudem werden Kommissionsmotionen, die vom Bundesrat den Erlass oder die Änderung einer Notverordnung oder einer Verordnung, die sich auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise stützt, verlangen, neu in der laufenden ordentlichen oder ausserordentlichen Session traktandiert oder, falls die Motion ausserhalb der Session eingereicht wird, in der nächsten ordentlichen oder ausserordentlichen Session.
Auch muss der Bundesrat die zuständigen Kommissionen zu den Entwürfen für Notverordnungen zur Wahrung der inneren oder äusseren Sicherheit oder einer Verordnung, die sich auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise stützt, und zu Änderungen solcher Verordnungen konsultieren.
Und der Bundesrat hat dem Parlament neu unverzüglich Bericht zu erstatten, wenn eine Kommissionsmotion – welche den Erlass oder die Änderung einer Notverordnung oder einer Verordnung, die sich auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Bewältigung einer Krise stützt – nach Ablauf der im Motionstext vorgesehenen Frist für die Berichterstattung noch nicht erfüllt ist.
Faktenbericht: Die Bundesversammlung und die Covid-19-Krise: Ein chronologischer Überblick (PDF)