Mit dem Inkrafttreten der revidierten Erwerbsersatzordnung am 1. Juli 2005 fand der hundertjährige politische Kampf um die Mutterschaftsversicherung einen vorläufigen Abschluss. Zum Erfolg hatte eine parlamentarische Initiative geführt, die von einer überparteilichen Gruppe erarbeitet worden war.
Die Zeit war trotz der vorangegangenen Niederlage einfach reif für eine solche Versicherung. So engagierte sich der damalige Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV), der die Vorlage von 1999 noch vehement bekämpft hatte, für eine Lösung.
Unter einem besonders guten Stern
Am 20. Juni 2001 reichte Nationalrat Pierre Triponez (FDP/BE, 1943) die parlamentarische Initiative 01.426, «Revision Erwerbsersatzgesetz. Ausweitung der Erwerbsersatzansprüche auf erwerbstätige Mütter». Er hatte den Vorstoss zusammen mit Jacqueline Fehr (SP/ZH, 1963), Ursula Haller Vannini (SVP/BDP/BE, 1948) und Thérèse Meyer (CVP/FR, 1948) ausgearbeitet. Eine Gruppe von 108 Parlamentarierinnen und Parlamentarier unterzeichneten die Initiative noch vor der Einreichung.
Das Plenum des Nationalrates unterstützte Ende 2001 die Initiative in einer ersten Phase. Der Rat erteilte seiner Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit den Auftrag, eine Vorlage für eine Mutterschaftsentschädigung. Die Entschädigung würde aus der Erwerbsersatzordnung (EO) finanziert, also durch die von Arbeitnehmer und Arbeitgeber je zur Hälfte getragenen Lohnabzüge; Leistungen würden nur an erwerbstätige Frauen ausgerichtet; den zum Bezug berechtigten Frauen würde während 14 Wochen ein Erwerbsersatz in der Höhe von 80 Prozent des letzten Einkommens entrichtet.
Die Verhandlungen in den Räten
Die Vorlage wurde in den Jahren 2002 und 2003 im Nationalrat und im Ständerat behandelt. Befürworterinnen und Befürworter argumentierten, dass die Lücke in der Gesetzgebung hinsichtlich des Mutterschutzes für erwerbstätige Frauen endlich geschlossen werden müsse, da dem achtwöchigen Arbeitsverbot nicht immer ein äquivalenter Erwerbsersatz gegenüberstehe.
Ein Grossteil der bezugsberechtigten Frauen werde dank der Vorlage bessere Leistungen als bisher erhalten. Sie bedeute einen weiteren Schritt hin zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf und zur Gleichstellung von Frau und Mann in der Arbeitswelt. Mit der Finanzierung über die EO werde keine neue Sozialversicherung geschaffen, sondern eine bestehende erweitert. Finanziell sei die Lösung tragbar und für die Wirtschaft gar von Vorteil.
Die Schwangerschaft sei eine private Angelegenheit
Die Gegner monierten, der Volkswille von 1999 werde missachtet und der Sozialstaat weiter ausgebaut statt konsolidiert. Die Schwangerschaft sei eine private Angelegenheit, für die keine neue Sozialversicherung notwendig sei. Es brauche vielmehr brancheninterne Lösungen. Die Vorlage verstosse zudem gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung, weil nichterwerbstätige Mütter leer ausgehen.
Die Vorlage, über welche die Räte am Ende befanden, war bescheidener und kostengünstiger ausgestaltet als die gescheiterte Gesetzesvorlage von 1999. Die Arbeitgeber konnten auf eine Reduktion ihrer Kosten hoffen – bislang standen sie gemäss Obligationenrecht für den Lohnersatz bei Mutterschaft in der Pflicht. Um die Vorlage mehrheitsfähig auszugestalten, hatte das Parlament gleichzeitig die Entschädigungssätze für bezugsberechtigte Männer von 65 auf 80 Prozent des Erwerbseinkommens angehoben. Franziska Teuscher (GPS/BE, 1958) bemerkte dazu: «Aber wie könnte es anders sein? Den Frauen wird nie etwas gegeben, wenn nicht auch die Männer davon profitieren können.»
Erfolg in der Volksabstimmung
In der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 nahmen der Nationalrat mit 146 zu 41 Stimmen und der Ständerat mit 31 zu 6 Stimmen die Vorlage an. Abgelehnt hatten sie die grosse Mehrheit der Fraktion der SVP und vereinzelte Mitglieder der Freisinnig-demokratischen Fraktion. Die SVP ergriff in der Folge das Referendum. Anders als 1999 standen diesmal jedoch die Arbeitgeber und das Gewerbe nicht aufseiten der Gegner. In der Volksabstimmung vom 26. September 2004 obsiegte die Vorlage mit 55,5 Prozent Ja-Stimmen.
Zum Erfolg der Mutterschaftsversicherung hatte eine parlamentarische Initiative geführt, die von einer überparteilichen Gruppe erarbeitet worden war. So engagierte sich der damalige Nationalrat und Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbands Pierre Triponez (FDP/BE) zusammen mit der alt Nationalrätin Jacqueline Fehr (SP/ZH) gegen das Referendum. Im Video erklärt er den Erfolg des Textes in der Volksabstimmung.