(sda) Verhüllungsverbot: Das Tragen von Burkas soll in der Schweiz verboten werden. Der Nationalrat hat am Dienstag mit 88 zu 87 Stimmen bei 10 Enthaltungen knapp einer parlamentarische Initiative zugestimmt. Diese fordert ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Die Kommission hatte argumentiert, der Vorstoss sei unnötig, weil die Bevölkerung wegen einer lancierten Volksinitiative sowieso über diese Frage werde befinden können. Das überzeugte den Nationalrat nicht, er folgte einem Minderheitsantrag der SVP. Nun muss sich der Ständerat damit befassen. Das Thema sorgt in der Schweiz vor allem auf kantonaler Ebene seit längerem für rote Köpfe. Im Kanton Tessin ist das Verhüllungsverbot seit dem 1. Juli in Kraft.

Strasse: Der neue Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrs-Fonds (NAF) steht. Der Nationalrat hat die letzten Differenzen zu der Vorlage ausgeräumt. Damit ist diese bereit für die Schlussabstimmung am Freitag. Aus dem NAF werden Betrieb, Erhalt und Fertigstellung des Nationalstrassennetzes, die Beseitigung von Engpässen sowie Projekte des Agglomerationsverkehrs finanziert. Die heute vorhandenen Mittel reichen dafür nicht aus. Darum werden auch neue Geldquellen für den NAF erschlossen. Der Benzinpreis wird erhöht, der Bund leistet einen höheren Beitrag, zudem wird auf Elektrofahrzeugen eine neue Abgabe erhoben. Insgesamt stehen so für den NAF pro Jahr rund 3 Milliarden Franken zur Verfügung.

Schengen: Die Schweiz soll sich an der IT-Agentur von Schengen und Dublin beteiligen. Der Nationalrat hat einer entsprechenden Zusatzbotschaft mit 124 zu 61 Stimmen zugestimmt. Der Bundesrat habe klare Regeln bei der Finanzierung und der Beteiligung ausgehandelt, erklärte Walter Müller (FDP/SG) im Namen der Kommission. Nun muss noch der Ständerat entscheiden. Das Parlament hatte 2012 die EU-Verordnung an den Bundesrat zurückgewiesen und genauere Angaben zur Beteiligung und den Finanzen gefordert. Damit die Schweiz die Informationssysteme von Schengen und Dublin auch in Zukunft effizient nutzen kann, ist der Anschluss an die europäische Agentur nach Ansicht des Bundesrates unumgänglich.

Investitionsschutz: Schiedsverfahren zu Streitigkeiten über Auslandinvestitionen sollen nicht länger unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Der Nationalrat hat sich oppositionslos für die Ratifikation des UNO-Transparenzübereinkommens ausgesprochen. Dieses verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, die Transparenzregeln auch bei alten Investitionsschutzabkommen anzuwenden. In den meisten Abkommen ist vorgesehen, dass der Investor bei einer Streitigkeit mit dem Staat vor einem internationalen Schiedsgericht klagen kann. Die steigende Zahl von Fällen hat zu wachsender Kritik an der sogenannten Investor-Staat-Schiedsgerichtsbarkeit geführt. Der Staat kann zu Schadenersatzzahlungen an einen Investor verpflichtet werden.

Einbürgerung: Bei den Regeln zur erleichterten Einbürgerung von Ausländerinnen und Ausländern der dritten Generation nähern sich National- und Ständerat einer Einigung. Umstritten bleiben die Voraussetzungen betreffend der Grosseltern. Der Nationalrat hat mit 90 zu 83 Stimmen bei 5 Enthaltungen beschlossen, an seiner Fassung festzuhalten. Demnach müssten einbürgerungswillige Ausländer nicht nachweisen, sondern lediglich glaubhaft machen, dass mindestens ein Grosselternteil ein Aufenthaltsrecht besass. In einem anderen Punkt ist der Nationalrat dem Ständerat einen Schritt entgegengekommen. Er schlägt einen Kompromiss vor: Während fünf Jahren sollen auch über 25-Jährige ein Gesuch zur erleichterten Einbürgerung stellen dürfen, sofern sie das 35. Altersjahr noch nicht überschritten haben.

Jugendstrafrecht: Das Parlament will eine Lücke im Jugendstrafrecht schliessen. Der Nationalrat hat eine Motion von FDP-Ständerat Andrea Caroni (AR) oppositionslos an den Bundesrat überwiesen. Heute enden alle Massnahmen des Jugendstrafrechts, wenn ein jugendlicher Täter das 25. Altersjahr erreicht. Der Betroffene kann also beispielsweise eine geschlossene Einrichtung verlassen. Zwar könnten die Massnahmen unter bestimmten Bedingungen weitergeführt werden. Diese Regeln wurden aber für Täter geschaffen, die sich selbst gefährden oder an einer psychischen Störung leiden. Das Gesetz soll daher so geändert werden, dass auch Massnahmen zum Schutz Dritter angeordnet werden können.

Zuwanderung: Der Nationalrat will den Bundesrat nicht beauftragen, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der EU zu kündigen, falls die EU Neuverhandlungen ablehnt. Er hat sich mit 122 zu 63 Stimmen gegen eine Motion der SVP-Fraktion ausgesprochen. Toni Brunner (SVP/SG) argumentierte, wenn der Bundesrat das Abkommen nicht neu verhandeln wolle oder könne, müsse es gekündigt werden. Justizministerin Simonetta Sommaruga erinnerte daran, dass der Bundesrat ein Verhandlungsmandat verabschiedet hat. Für Verhandlungen brauche es aber zwei Seiten. Die Motion lehne der Bundesrat ab, weil sie dem Zuwanderungsartikel in der Verfassung widerspreche. Dort stehe nämlich, dass völkerrechtliche Verträge neu verhandelt und angepasst werden müssten. "Es steht aber nichts drin von kündigen", sagte Sommaruga. Das Stimmvolk habe mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative also nicht für die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens gestimmt.

Drohungen: Der Nationalrat fordert härtere Strafen für Drohungen oder Gewalt gegen Beamte und Behörden. Er hat eine Motion aus den Reihen der SVP angenommen. Der Rat sprach sich mit 92 zu 72 Stimmen bei 18 Enthaltungen für den Vorstoss aus. Darüber entscheidet nun der Ständerat. Die Motion eingereicht hatte der ehemalige Nationalrat Oskar Freysinger (SVP/VS). Nach seinem Vorschlag soll mit einer Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu fünf Jahren bestraft werden, wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten bedroht oder tätlich angreift. Wird die Tat von einem "zusammengerotteten Haufen" begangen, so soll jeder Beteiligte mit einer solchen Freiheitsstrafe bestraft werden.

Kesb: Der Bundesrat muss einen Leitfaden zur Anwendung des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts vorlegen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Albert Vitali (FDP/LU) mit 133 zu 46 Stimmen bei 7 Enthaltungen angenommen. Das Postulat verlangt, dass der Bund zusammen mit interkantonalen Stellen einen "Best Practice"-Leitfaden verfasst, um die Probleme bei der Umsetzung des neuen Rechts zu mindern. Der Bericht soll insbesondere die Kostenteilung zwischen Kanton und Gemeinde beleuchten. Weiter soll er auf das Anhörungsrecht der Gemeinden bei hohen Kosten eingehen. Auch die Organisation der KESB sowie die Anzahl der Gefährdungsmeldungen sollen thematisiert werden. Justizministerin Simonetta Sommaruga erinnerte vergeblich daran, dass der Nationalrat den Bundesrat bereits mit der Evaluation des neuen Rechts beauftragt habe.

Inkasso: Schuldner sollen in Zukunft sämtliche Inkassokosten tragen. Der Nationalrat hat eine Motion von Peter Schilliger (FDP/LU) angenommen. Diese geht nun an den Ständerat. In der Wirtschaft sei es üblich, dass Schulden durch mandatierte Inkassofirmen eingetrieben würden, sagte Schilliger. Dies verursache aber zusätzliche Kosten. Umstritten sei, wer diese zu tragen habe. Die Motion will nun die Kosten sämtlicher Inkassomassnahmen auf den Schuldner abwälzen. Der Bundesrat lehnt diese Forderung ab. Bereits heute gelte der Grundsatz, dass der Schuldner für den Schaden aufkomme, den er verursache, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Es liege aber nicht in jedem Fall ein Verschulden des Schuldners vor.

Terrorismus: Der Nationalrat will keine Änderung des Strafgesetzbuches zur Terrorismusfinanzierung. Er hat eine Motion von Rebecca Ruiz (SP/VD) abgelehnt. Diese schlug vor, dass die Terrorismusfinanzierung auch dann strafbar sein sollte, wenn der Täter die Möglichkeit der Terrorismusfinanzierung lediglich in Kauf nimmt. Der Bundesrat hatte sich gegen den Vorstoss gestellt. Die Schweiz verfüge bereits über eine Reihe von Strafnormen, sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga. Zudem seien Änderungen in Arbeit. Die Rechtsstaatlichkeit und die Verhältnismässigkeit würden es aber gebieten, nicht schon die eventualvorsätzliche Finanzierung zu bestrafen.

Namen: Der Bundesrat muss nicht untersuchen lassen und in einem Bericht darlegen, welche Auswirkungen das neue Namensrecht auf die Namenswahl hat, insbesondere jene der Frauen. Der Nationalrat hat ein Postulat von SP-Nationalrätin Rebecca Ruiz (VD) abgelehnt. Mit dem neuen Namensrecht waren Doppelnamen ohne Bindestrich abgeschafft worden. Ruiz wollte wissen, ob das einen Einfluss habe auf den Anteil Frauen, die zugunsten des Namens ihres Ehegatten auf ihren Ledignamen verzichten, weil die Kinder den Namen des Vaters tragen. Justizministerin Simonetta Sommaruga sagte, der Bundesrat prüfe mit dem Bundesamt für Statistik, ob eine Auswertung möglich sei.

Kantonsverfassungen: Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat die geänderten Verfassungen der Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Graubünden gutgeheissen. Die Verfassungsänderungen betreffen unterschiedliche Themen: Im Kanton Basel-Land geht es etwa um die interkantonale und regionale Zusammenarbeit, im Stadtkanton wurde die Gerichtsorganisation revidiert. Im Kanton Graubünden betreffen die Änderungen die Beteiligung an Kohlekraftwerken.

Die Traktanden des Nationalrates für Mittwoch, 28. September, 08.00 bis 13.00 Uhr und 15.00 bis 19.00 Uhr:

Bern Vereinigte Bundesversammlung - Wahlen ans Bundesgericht: zwei ordentliche Richterinnen oder Richter sowie ein nebenamtlicher Richter oder eine nebenamtliche Richterin (16.205 und 16.207)
anschliessend:
Altersvorsorge 2020. Reform (14.088)