(sda) Der Nationalrat stört sich daran, dass der Schweiz durch den florierenden Einkaufstourismus im nahen Ausland zunehmend Mehrwertsteuern verloren gehen. Er hat den Bundesrat deshalb beauftragt, zu prüfen, ob sich das Problem durch die Einführung eines neuen Mehrwertsteuerregimes bekämpfen liesse.

Die grosse Kammer überwies am Donnerstag mit 119 zu 58 Stimmen ein Postulat seiner Finanzkommission, das von der Regierung einen Bericht zu diesem Thema verlangt. Ursache der Malaise ist das Preisgefälle zwischen der Schweiz und dem nahen Ausland.

Aufgrund der Frankenstärke würden sich zunehmend Konsummilliarden aus der Schweiz in die Nachbarländer verlagern, argumentierte die Kommission. Dort würden neue Detailhandelsstrukturen aufgebaut und Mehrumsätze erzielt, während in der Schweiz Ladenflächen und Arbeitsplätze verschwänden.

Inzwischen betrage das Volumen des Einkaufstourismus bereits 12 Milliarden Franken, sagte Kommissionssprecher Hans-Ulrich Bigler (FDP/ZH) im Rat. Zusätzlich verschärft wird die Situation laut der Kommission dadurch, dass Schweizer Einkaufstouristen die ausländische Mehrwertsteuer vollständig zurückfordern könnten, ohne dafür in der Schweiz auf die eingeführten Waren Steuern entrichten zu müssen.

Die Rückerstattung von Mehrwertsteuern bei Ausfuhr der Ware sei angesichts der zunehmenden grenzüberschreitenden Mobiliät und im Zeitalter des Online-Handels einfach nicht mehr zeitgemäss, befand die Kommission.

Neues Mehrwertsteuersystem

Der Bundesrat muss nun einerseits prüfen, ob zur Entschärfung der Situation gesetzliche Massnahmen nötig sind. Auch Staatsverträge mit den Nachbarstaaten muss er in Erwägung ziehen. Weiter muss er aufzeigen, ob ein Mehrwertsteuerregime eingeführt werden könnte, in dem alle Kunden Mehrwertsteuer bezahlen - entweder in dem jeweiligen europäischen Nachbarland oder in der Schweiz.

Der Bundesrat muss zudem Zahlen zu den Mehrwertsteuern vorlegen, die dem Schweizer Fiskus aufgrund des Einkaufstourismus entgangen sind. Ebenso muss er offenlegen, welche Mehrwertsteuer-Mehreinnahmen aus nicht weitergegebenen Währungsgewinnen auf Importwaren resultierten.

Eine SVP-Minderheit beantragte die Ablehnung des Postulates. Die Mehrheit der Kommission gebe vor, eine Ungerechtigkeit beseitigen zu wollen, sagte Sebastian Frehner (SVP/BS). Bei diesem Postulat gehe es in Wirklichkeit jedoch um Abschottung.

Viele importierte Produkte kosteten in der Schweiz viel mehr als im Ausland, obwohl sich dies nur teilweise mit höheren Produktionskosten erklären lasse. Das Nachsehen hätten die Konsumenten und das Gewerbe. Richtig wäre es, stattdessen alle Handelshemmnisse abzubauen.

Vielschichtiges Problem

Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulats. Die Problematik sei äusserst vielschichtig, hielt Bundesrat Ueli Maurer fest - und etwas vielschichtiger als es der Sprecher der Kommissionsminderheit dargestellt habe. Es gehe nicht nur um den Einkaufstourismus, bei dem man mit dem Auto nach Konstanz zum Einkaufen gehe, sondern auch um den Online-Handel.

Er teile die Ansicht des Parlamentes, dass die Thematik umfassend und unter verschiedenen Blickwinkeln aufgearbeitet werden soll.