Raumplanung: Die Bergkantone drängen auf eine Aufweichung des seit 2014 geltenden Raumplanungsrechts. Eine Standesinitiative des Kantons Wallis ist jedoch auch im Nationalrat durchgefallen - mit 100 zu 64 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Kommissionssprecherin Silva Semadeni (SP/GR) warnte aber erfolgreich vor Schnellschüssen. Die Umsetzung des Raumplanungsgesetzes brauche Zeit, und es habe zum Ziel, die Zersiedelung einzudämmen. Eine Lockerung des Gesetzes würde dem Volkswillen widersprechen. Mit dem Nein ist die Initiative vom Tisch. Bei der nächsten Änderung des Raumplanungsgesetzes will der Bundesrat den Spielraum für das Bauen ausserhalb von Bauzonen vergrössern.
Strafjustiz: Die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit sexueller Straftaten wird nicht von 12 auf 16 Jahre erhöht. Das hat der Nationalrat entschieden. Er gab einer parlamentarischen Initiative von alt Nationalrätin Natalie Rickli (SVP/ZH) keine Folge. Heute gilt für Übergriffe an über zwölfjährigen Kindern eine Verjährungsfrist von 15 Jahren. Auch wenn jeder Missbrauchsfall betroffen mache, gebe es keinen Grund, die vor Jahren geführte Debatte erneut zu führen, sagte Kommissionssprecherin Andrea Gmür-Schönenberger (CVP/LU). Mit 96 zu 83 Stimmen wurde die Initiative abgelehnt. Damit ist diese erledigt.
Atomkraftwerke: Der Bund strebt keine bestimmte Laufzeit für Atomkraftwerke an. Das sagte Energieministerin Simonetta Sommaruga in der Fragestunde des Nationalrates. Fragestellerin Irène Kälin (Grüne/AG) bezog sich auf einen Artikel in der "NZZ am Sonntag" von Anfang Juni, wonach das Bundesamt für Energie in den Energieperspektiven neu auch mit einer Betriebslaufzeit von sechzig Jahren rechnet. Sommaruga sagte dazu, die Energieperspektiven bildeten den aktuellen Stand und die Annahmen zur künftigen Entwicklung ab. Sie erinnerte daran, dass die Betriebsbewilligungen für AKW unbefristet sind. Die Szenarien des Bundes mit einer Laufzeit von fünfzig und sechzig Jahren entsprächen nicht angestrebten Laufzeiten. Es handle sich um mögliche Szenarien.
Umwelt: Der Schutz der Moore wird nicht gelockert. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Bern oppositionslos abgelehnt. Der Kanton Bern wollte in Moorlandschaften den Bau von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energien zulassen. Das bernische Verwaltungsgericht kam jedoch zum Schluss, dass die Kraftwerke Oberhasli (KWO) die Staumauern des Grimselsees wegen des Moorschutzes nicht erhöhen dürften. Seit der Einreichung der Standesinitiative habe sich jedoch viel getan, sagte Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO). Gemäss Entscheid des Bundesgerichts beeinträchtige der Ausbau der Grimselkraftwerke die Moorlandschaft Grimsel nicht. Am Horizont sei ausserdem kein ähnliches Projekt ersichtlich, das es rechtfertige, den Moorschutz zu lockern. Die Standesinitiative ist damit vom Tisch.
Flüchtlinge: Die SVP-Fraktion wollte den Familiennachzug von vorläufig Aufgenommenen befristet stoppen. Der Nationalrat hat ein dreijähriges Moratorium, wie es eine parlamentarische Initiative forderte, aber deutlich abgelehnt. Mit 113 zu 64 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgte die grosse Kammer der Mehrheit ihrer vorberatenden Kommission. Kommissionssprecher Marco Romano (CVP/TI) sagte, dass das Parlament erst kürzlich punktuellen Anpassungen des Status der vorläufigen Aufnahme zugestimmt habe. Daraus ergäben sich allenfalls Änderungen oder Anpassungen in der Regelung des Familiennachzugs. Die Wirkung eines dreijährigen Moratoriums sei dagegen fraglich. Mit dem Nein ist die Initiative vom Tisch.
Medien: Der Bund beschäftige sich derzeit intensiv mit der künftigen Medienförderung. Das sagte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der Fragestunde des Nationalrats. In diesem Rahmen werde eine stärkere Unterstützung der journalistischen Ausbildung geprüft. Die Demokratie und insbesondere die direkte Demokratie seien auf professionellen Journalismus angewiesen, sagte Sommaruga. Der Bundesrat sei von der grossen Bedeutung einer soliden journalistischen Ausbildung überzeugt. Von der angespannten wirtschaftlichen Situation der Medienhäuser seien auch die Aus- und Weiterbildung betroffen. Erkundigt hatten sich Olivier Feller (FDP/VD) und Martin Candinas (CVP/GR).
Nachrichtenagentur: Der Bund will die Situation bei der Nachrichtenagentur Keystone-SDA genau beobachten und überprüfen, ob die zugesicherten Leistungen erbracht werden. Das sagte Medienministerin Simonetta Sommaruga in der Fragestunde des Nationalrates. Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO) hatte sich erkundigt. Er störte sich an der geplanten Dividendenausschüttung von 1,4 Millionen Franken. Seit dem laufenden Jahr werde Keystone-SDA vom Bund mit bis zu 2 Millionen Franken unterstützt, stellte er fest. Sommaruga erklärte, die Dividende betreffe das Jahr 2018. Die Leistungsvereinbarung mit dem Bund gelte ab 2019. Sie erlaube nicht, dass Bundessubventionen für Dividenden verwendet könnten.
Überwachung: Heute kann der Bundesrat den Export von Spionagesoftware gestützt auf eine Verordnung verbieten. Nun möchte er dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. Die Vorlage soll in der nationalrätlichen Kommission diskutiert werden. Mit 89 zu 84 Stimmen hat es die grosse Kammer abgelehnt, die Behandlung der Vorlage bis im Herbst 2021 zu sistieren. Eine knappe Mitte-Links-Koalition stimmte gegen ein "unnötiges Zeitspiel", wie Nationalrätin Ida Glanzmann-Hunkeler (CVP/LU) die geplante Sistierung bezeichnete. Die Gesetzesänderungen seien jetzt zu beraten, um einen Reputationsschaden für die schweizerische Aussenpolitik abzuwenden.
Altersvorsorge: Die laufenden Renten im überobligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge sollen nicht je nach Finanzlage der Kasse erhöht oder gesenkt werden. Der Nationalrat hat sich dagegen ausgesprochen. Mit 138 zu 37 Stimmen bei 4 Enthaltungen folgte die grosse Kammer ihrer Sozialkommission und lehnte eine parlamentarische Initiative von Thomas Weibel (GLP/ZH) ab. Diese ist damit vom Tisch. Nach Meinung der Mehrheit würde es für die Versicherten eine grosse Unsicherheit bedeuten, wenn laufende Renten gekürzt werden dürften. Zudem arbeiteten die Sozialpartner derzeit an der nächsten grösseren Reform der beruflichen Vorsorge.
Gesundheit I: Der Nationalrat hält nichts von einer Zuckersteuer. Er hat eine Standesinitiative des Kantons Neuenburg mit dieser Forderung klar mit 121 zu 43 Stimmen abgelehnt. Angesichts der verschiedenen freiwilligen Bestrebungen, den Zuckergehalt von Lebensmitteln zu reduzieren, gebe es keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf, sagte Benjamin Roduit (CVP/VS). Vergeblich argumentierte eine Minderheit für die Annahme der Initiative. Abgaben auf gezuckerte Erzeugnisse seien ein gutes Instrument, um mit Zuckerkonsum im Zusammenhang stehende Krankheiten wirksam zu bekämpfen, sagte Bea Heim (SP/SO). Da sich der Ständerat bereits gegen die Standesinitiative ausgesprochen hat, ist sie vom Tisch.
Gesundheit II: Der Nationalrat will die Regeln für medizinische Gutachten in der privaten Krankenversicherung nicht verschärfen. Er hat eine parlamentarische Initiative von Pierre-Alain Fridez (SP/JU) abgelehnt. Dieser wollte im Gesetz eine Garantie verankern, dass medizinische Gutachter "vollkommen unabhängig und frei von Interessenkonflikten sind". Konkret hätten die Versicherer künftig nicht mehr den Gutachter ihrer Wahl aussuchen dürfen, sondern diesen aus einem Pool von anerkannten Fachärztinnen und Fachärzten wählen müssen. Die Mehrheit war der Ansicht, die vorgeschlagene Lösung sei wenig praktikabel. Mit 116 zu 61 Stimmen bei 2 Enthaltungen gab der Nationalrat der Initiative keine Folge. Diese ist damit erledigt.
Flugverkehr: Am Grundsatz "English only" im kontrollierten Luftraum wird trotz der Kritik aus Luftfahrtkreisen und aus dem Nationalrat vorerst festgehalten. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat dies in erster Linie mit Aspekten der Sicherheit im Flugverkehr begründet. Der Aargauer FDP-Nationalrat Matthias Jauslin und der Walliser CVP-Nationalrat Thomas Egger hatten den Bundesrat aufgefordert, die neue Regelung zurückzunehmen, die das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) auf den kommenden 20. Juni umsetzt. Die Schweiz habe die Herausforderung, dass vier Landessprachen gesprochen und drei davon in der Luftfahrt benutzt würden, sagte Sommaruga in der Fragestunde des Nationalrats. Dieses Sprachengemisch berge die Gefahr von sprachlichen Missverständnissen und Risiken für die Flugverkehrsleitung.
Grenzwache: Das parlamentarische Hin und Her beim Thema Grenzwachtkorps geht weiter. Anders als der Ständerat will der Nationalrat zwei Standesinitiativen nicht abschreiben, welche eine Aufstockung des Grenzpersonals sowie eine bessere Ausrüstung fordern. Während der Nationalrat schon fast traditionell mehr Mittel und Personal für die Grenzwache sprechen will, lehnt der Ständerat solche Pläne mehrheitlich ab. Im Rahmen des Budgets 2019 haben die Räte im vergangenen Dezember für einmal einen Konsens gefunden und 44 neue Stellen bewilligt. Eine Mehrheit des Ständerats hält die Forderung der Kantone Graubünden und Wallis deshalb für erfüllt. Die grosse Kammer hat die Abschreibung der Initiativen mit 124 zu 40 Stimmen bei 8 Enthaltungen aber abgelehnt.
Belästigung: Das Büro des Nationalrats muss keine Studie darüber machen, in welchem Umfang Parlamentarierinnen und Parlamentarier Drohungen, Belästigungen und Ehrverletzungen ausgesetzt waren. Der Rat lehnte ein Postulat von Nationalrätin Margret Kiener Nellen (SP/BE) mit 97 zu 83 Stimmen ab. Das Ratsbüro sei sich der Problematik bewusst, sagte die Vertreterin des Büros, Edith Graf-Litscher. Allerdings sei ein Bericht nicht der richtige Weg. Viel eher sollten sich aber die betroffenen an Beratungs- und Hilfsstrukturen wenden und gegebenenfalls Anzeige erstatten. Der Ständerat wird noch darüber befinden.
Gleichstellung I: Das Büro des Nationalrats soll die parlamentarische Arbeit auf die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik prüfen. Dieser Meinung ist die grosse Kammer. Sie hat ein entsprechendes Postulat von Yvonne Feri (SP/AG) mit 109 zu 62 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Die Mehrheit des Büros empfahl zuvor, den Auftrag anzunehmen. Der Bericht soll aufzeigen, was für abweichende Varianten zum heutigen System möglich und sinnvoll wären. Arbeitsweisen von Kantonsparlamenten oder aus vergleichbaren Ländern können als Ideengeber dienen. Thomas Aeschi (SVP/ZG) plädierte erfolglos für Nichtannahme des Postulats. Dieses hätte aus seiner Sicht nichts als eine "weitere teure Studie" zur Folge.
Gleichstellung II: Der Nationalrat will den Kantonen nicht mehr Instrumente in die Hand geben, um die Umsetzung der Gleichstellung von Mann und Frau zu überprüfen. Er hat eine Standesinitiative des Kantons Genf mit 110 zu 61 Stimmen abgelehnt. Die Kantone haben bereits genügend grossen Handlungsspielraum, um die Lohngleichheit zwischen Mann und Frau zu prüfen und durchzusetzen, sagte Diana Gutjahr (SVP/TG). Die Initiative verpflichte keine Kantone, aktiver zu werden, sagte derweil Mathias Reynard (SP/VS). Aber man hätte den Kantonen die Freiheit gelassen, weitere Massnahmen gegen die Lohnungleichheit zu unternehmen, wenn sie dies wollten. Weil der Ständerat die Standesinitiative schon ablehnt hat, ist sie vom Tisch.
Strassenverkehr: Alle anerkannten Ärztinnen und Ärzte - etwa auch Pathologen und Hautärzte - sollen ohne verkehrsmedizinische Weiterbildung den Entscheid über die Fahrtüchtigkeit fällen können. Dies hat Mauro Tuena (SVP/ZH) in einer parlamentarischen Initiative gefordert. Der Nationalrat sprach sich jedoch mit 102 zu 76 Stimmen dagegen aus. Heute dürfen dies nur Ärzte, welche eine zusätzliche verkehrsmedizinische Weiterbildung absolviert haben. Für die Ärzte, welche eine solche Weiterbildung absolvieren wollen, sei dies ein grosser administrativer und finanzieller Aufwand, sagte Tuena. Das sei absurd. Die Ratsmehrheit stellte sich gegen den Antrag. Die heutige Regel habe sich bewährt, zitierte Thomas Hardegger (SP/ZH) die Verwaltung. Die Initiative ist damit erledigt.
Parlamentsbetrieb: Der Nationalrat will keinen Bericht darüber, wie eine längere Absenz von gewählten nationalen Politikern - etwa im Fall einer Mutterschaft oder bei längerer Krankheit - eine Stellvertretung organisiert werden kann. Der Nationalrat hat ein Postulat mit 125 zu 54 Stimmen abgelehnt. Irène Kälin (Grüne/AG) wollte prüfen lassen, welche rechtlichen und verfassungsmässigen Anpassungen nötig wären für eine gewählte Stellvertreterlösung. Zudem hätte aufgezeigt werden sollen, welche pragmatischen Lösungen ohne gesetzliche Anpassung möglich wären. Das Ratsbüro lehnte das Postulat ab. Es ist damit vom Tisch.
Bundesratswahlen: Die Resultate von Personen, die bei Bundesratswahlen weniger als zehn Stimmen auf sich vereinigen, sollen auch künftig nicht verlesen und publiziert werden. Wie heute sollen solche Personen unter "Diverse" zusammengefasst werden. Das entschied der Nationalrat mit 113 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung. Franz Ruppen (SVP/VS) und seine Parteikollegen plädierten vergeblich für eine Praxisänderung. Das heutige Vorgehen schliesse an die Bestimmung des Parlamentsgesetzes an, wonach vom dritten Wahlgang an nur Personen wählbar sind, die im zweiten Wahlgang mindestens zehn Stimmen erhalten haben, argumentierte das Büro der Bundesversammlung.
Poststellen: Das Parlament fordert mehr Mitsprache bei der Schliessung von Poststellen. Verschiedene Vorstösse dazu sind in den vergangenen Monaten gutgeheissen worden. Oppositionslos abgelehnt hat der Nationalrat nun Standesinitiativen der Kantone Tessin und Wallis zum Poststellennetz. Dies aus Effizienzgründen: Sämtliche Anliegen dieser beiden Initiativen - die der Ständerat bereits abgelehnt hat - seien in der Standesinitiative des Kantons Jura enthalten, lautete der Tenor. Die Arbeiten zu einem Gesetzesentwurf sind in Gang.
Gebühren: Der Bundesrat muss die gesetzlichen Grundlagen schaffen, damit die zu Unrecht erhobenen Mehrwertsteuerbeträge auf Radio- und Fernsehempfangsgebühren dereinst zurückbezahlt werden können. Das hat das Parlament schon länger beschlossen. Weil das Bundesgericht im vergangenen November in vier Musterfällen die Rückerstattung der Gebühren von 2010 bis 2015 angeordnet hat, erarbeitet der Bund zurzeit eine gesetzliche Grundlage für eine pauschale Rückzahlung an alle Haushalte. Weil kein weiterer Handlungsbedarf besteht, hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat eine Standesinitiative des Kantons Genf stillschweigend abgelehnt. Damit ist diese erledigt.
Altersvorsorge: Der Nationalrat hat eine Standesinitiative des Kantons St. Gallen abgelehnt, welche verlangte, dass die Altersvorsorgegelder von den Negativzinsen der Nationalbank ausgenommen werden. Der Entscheid wurde 100 zu 58 Stimmen gefasst. Barbara Gysi verlangte die Annahme der Initiative, da eine Aufhebung der Negativzinsen nicht in Sicht sei. Das schade insbesondere den Pensionskassen und Stiftungen der zweiten Säule. Die Erläuterungen verfingen im Rat nicht. Weil bereits der Ständerat dem Geschäft eine Absage erteilt hatte, ist es vom Tisch.
Traktanden des Nationalrats für Mittwoch, 12. Juni, 08:00 bis 12:00; am Nachmittag Fraktionsausflüge:
Bern |
Differenzen zum Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (17.019) |
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Differenzen zur Umsetzung der Empfehlungen des Globalen Forums über Transparenz und
Informationsaustausch für Steuerzwecke (18.082) |
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Parlamentarische Vorstösse im EFD
(gebündelte Abstimmungen um circa 11:45) |