Dass die Totalrevision des Datenschutzgesetzes und die damit verbundene Änderung zahlreicher weiterer Erlasse ein heisses Eisen ist, zeigte sich bereits in der anderthalbstündigen Eintretensdebatte. Richtig zufrieden mit dem vorliegenden Entwurf ist niemand. Den einen geht es zu wenig weit, den anderen zu weit. Jedoch will eine Mehrheit das Geschäft diskutieren.
Äquivalenz herstellen
Das geltende Datenschutzgesetz ist im Jahr 1993 in Kraft getreten. Eine Modernisierung sei dringend notwendig, sagte Matthias Jauslin (FDP/AG) im Namen der vorberatenden Kommission. Diese hatte an total zwölf Sitzungen über 140 Anträge des komplexen Geschäfts diskutiert.
Ein weiterer Aufschub sei nicht zielführend, die Zeit dränge, gab Jauslin zu bedenken. "Wir hinken den Diskussionen in der EU und im Europarat hinterher." Geschehe nicht bald etwas, könne die Schweiz die Anerkennung der EU als gleichwertiger Partner verlieren.
Suche nach kleinstem gemeinsamem Nenner
Die Fraktionen aus der Mitte plädierten, dass nicht bereits jetzt die Notbremse gezogen werde. Notwendige Korrekturen könnten auch in der Differenzbereinigung zwischen den Räten angebracht werden.
"Wir haben die Pflicht, das Gesetz an unsere Zeit anzupassen", sagte Duri Campell (BDP/GR). Eine Rückweisung nütze nichts, damit würden die offenen Fragen nur verschoben. Es mache keinen Sinn, wenn das Datenschutzniveau in jedem europäischen Land anders sei, konstatierte Marco Romano (CVP/TI). "Wir müssen Mindeststandards übernehmen."
"Flutwelle der Bürokratie"
Das sah die SVP völlig anders. "Wir haben langsam genug davon, jeden Unsinn von der EU zu übernehmen", sagte Gregor Rutz (SVP/ZH). Seine Partei wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen mit dem Auftrag, die Vorlage so weit als möglich zu entschlacken. "EU-Vorschriften sind nur dort zu übernehmen, wo es unumgänglich ist." Sonst drohe eine "Flutwelle der Bürokratie".
Andreas Glarner (SVP/AG) bezeichnete die Vorlage als "Minenfeld für KMU" und "Konjunkturprogramm für Anwälte". Für kleine und mittlere Unternehmen seien die neuen Regeln unzumutbar, zudem werde es zu zahlreichen Rechtsstreitigkeiten kommen, prognostizierte Glarner.
SP stellt Bedingungen
Der Nationalrat lehnte den Rückweisungsantrag mit 120 zu 66 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Ein Antrag der SP für Rückweisung an die Kommission wurde zurückgezogen. Cédric Wermuth (SP/AG) begründete dies mit dem Willen, eine "produktive Debatte" führen zu wollen, es sei quasi ein "Vorschussvertrauensbeweis".
Jedoch sei das Gesetz in der vorliegenden Form nicht brauchbar. Die SP knüpft ihre Zustimmung in der Gesamtabstimmung an verschiedene Bedingungen. Kurz gesagt will die Partei das aktuell gültige Datenschutzniveau "nicht unnötigerweise unterschreiten". Sonst sei eine allfällige Referendumsabstimmung nicht zu gewinnen.
Lange Debatte erwartet
Auch die Grünen hoffen, dass das Gesetz im Laufe der Beratungen "besser wird als von der Mehrheit der Kommission beschlossen", wie es Balthasar Glättli (Grüne/ZH) ausdrückte. Beat Flach (GLP/AG) plädierte dafür, den Ball flach zu halten." Viele Punkte, die wir heute diskutieren, gibt es schon." Niemand habe sich dagegen beschwert.
Der Nationalrat führt nun die Detailberatung, den ersten Teil bis Dienstagmittag, den zweiten Teil am Mittwochvormittag. Dabei geht es laut Kurt Fluri (FDP/SO) auch darum, "mehrere Inkompatibilitäten mit der EU-Datenschutzgrundverordnung" zu vermeiden.