(sda) Die neue Terrorismus-Gesetzgebung stösst im Nationalrat auf heftige Kritik. Die Linke warnt vor Rechtsunsicherheit und einer Gefahr für die Grundrechte.

Zur Debatte steht am Dienstagvormittag eine Gesetzesänderung, die die Verfolgung terroristischer Straftaten erleichtern soll. Eine neue Terrorismus-Strafbestimmung stellt das Anwerben, die Ausbildung und Reisen im Hinblick auf einen Terrorakt unter Strafe. Die Beteiligung an einer terroristischen Organisation soll auf die gleiche Stufe gestellt werden wie die Beteiligung an einer kriminellen Organisation. Zudem wird die Rechtshilfe vereinfacht.

Mit diesen und weiteren Massnahmen will der Bundesrat das Europarats-Abkommen zur Verhütung des Terrorismus und ein Zusatzprotokoll umsetzen. "Die Täter greifen unsere Gesellschaft an und unsere Art zu leben", erklärte Justizministerin Karin Keller-Sutter. Dagegen müsse man sich auf verschiedenen Ebenen engagieren. Neben den neuen Strafnormen erwähnte sie Prävention und Aufklärung sowie die geplanten präventiven Massnahmen gegen Gefährder.

Sicherheit gegen Freiheit

Der Linken gehen die geplanten Eingriffe jedoch zu weit. "Freiheit stirbt mit Sicherheit", zitierte die Grüne Marionna Schlatter (ZH) den Dichter Kurt Tucholsky. Ihrer Ansicht nach geht die Vorlage viel zu weit und schafft "erhebliche Rechtsunsicherheit".

Mit einem Rückweisungsantrag verlangte Schlatter eine Vorlage, die sich auf das Wesentliche beschränkt und insbesondere die Definition der terroristischen Organisation nicht dem Richter überlässt. Unverhältnismässige Repression fache extremistische Tendenzen eher noch an, warnte auch Léonore Porchet (Grüne/VD).

SP-Sprecherin Priska Seiler Graf (ZH) bestritt den Handlungsbedarf nicht. Es brauche präventive Massnahmen, aber im Rahmen des Rechtsstaates. Der SP-Fraktion gehe die Vorlage zu weit, sagte Seiler Graf. Als Beispiele nannte sie die neuen Möglichkeiten bei der Rechtshilfe oder die Vorverlagerung der Strafbarkeit. Auch Seiler Graf warnte vor zu weit gehenden Einschnitten: "Der Terrorismus hat sein Ziel erreicht, wenn wir beginnen, selber unsere Freiheiten einzuschränken."

Das bürgerliche Lager drehte das Argument um. Die Schweiz sei ein sehr freiheitliches Land, sagte Maja Riniker (FDP/AG). "Diese Freiheit lassen wir uns nicht einschränken." Die Gefahr von Anschlägen bestehe auch für die Schweiz, warnte SVP-Sprecher Bruno Walliser (ZH). "Wir müssen alles Erdenkliche unternehmen, um solche schrecklichen Taten zu verhindern."

Extremismus und Terrorismus seien ein Angriff auf die Freiheit und den Rechtsstaat, deshalb müssten sie konsequent bekämpft werden, erklärte Mitte-Sprecher Martin Candinas (CVP/GR). Er zeigte sich überzeugt, dass die Verhältnismässigkeit sowie menschenrechtliche und rechtsstaatliche Prinzipien gewahrt werden. Beat Flach (GLP/AG) erwähnte die geplante internationale Zusammenarbeit bei den Ermittlungen. Drakonische Massnahmen allein genügten nicht, sagte er.

Der Nationalrat lehnte den Rückweisungsantrag mit 127 zu 67 Stimmen ab. In der Detailberatung verlangt die Ratslinke ebenfalls Anpassungen, zum Beispiel eine explizite Ausnahme für humanitäre Organisationen oder Demokratiebewegungen.

Ruf nach Präventivhaft

Der Ständerat hatte die Gesetzesänderungen in der Frühjahrssession gutgeheissen. Das Geschäft ist der erste Teil einer zweiteiligen Vorlage, mit der der Bundesrat die Terrorbekämpfung stärken will. Der zweite Teil, bei dem es um präventive Massnahmen wie Hausarrest für terroristische Gefährder geht, kommt frühestens in der Herbstsession in den Rat.

Diese Vorlage ist hoch umstritten. Kritisiert wird unter anderem, dass schon 15-Jährige unter Hausarrest gestellt und Massnahmen gegen Kinder ab 12 Jahren verhängt werden könnten. Auch die Definition von "Gefährdern" wird als zu vage bezeichnet. Die Nationalratskommission will nun sogar die Präventivhaft einführen. Die Schweiz steht derzeit wegen dieser Pläne international in der Kritik.