(sda) Die Vorlage, die den Wechsel von der Armee in den Zivildienst erschweren sollte, ist im Nationalrat in der Schlussabstimmung gescheitert. Die aus Sorge um die Armeebestände ausgearbeiteten Gesetzesänderungen ist zwar vom Tisch, doch die Diskussionen über die Dienstpflicht dürften weitergehen.

Die grosse Kammer lehnte die Vorlage am Freitag mit 103 zu 90 und bei 5 Enthaltungen ab. Mit Nein stimmten SP, Grüne und GLP, aber auch zahlreiche Mitglieder der Mitte-Fraktion. In der FDP gab es mehrere Enthaltungen. Der Ständerat dagegen hatte die Vorlage mit 33 zu 12 Stimmen bei 0 Enthaltungen angenommen.

Umstrittenster Punkt in den geplanten Neuerungen Vorlage war die einjährige Wartefrist für Armeeangehörige, die zum Zivildienst wechseln wollen. Während der Wartezeit hätten die Gesuchsteller zudem weiterhin Militärdienst leisten müssen.

Umstrittenes Wartejahr

Auf Antrag der Linken hatte der Nationalrat die Wartefrist zunächst abgelehnt. Zuletzt wollte eine rot-grüne Minderheit in der grossen Kammer am Nein festhalten, unterlag aber. Mache man den Zivildienst unattraktiver, mache man die Armee nicht attraktiver, hatte Priska Seiler Graf (SP/ZH) im Nationalrat gesagt.

"Die Wartefrist ist nichts anderes als Schikane", sagte Beat Flach (GLP/AG). Die Wartefrist gebe Zeit, den Wechsel mit dem Betroffenen gründlich zu prüfen, hielt Thomas Rechsteiner (CVP/AI) dagegen.

Hintergrund der nun verworfenen Gesetzesänderung war die Sorge um die Bestände bei der Armee. Denn das Interesse am Zivildienst stieg mit der Abschaffung der Gewissensprüfung im Jahr 2009 sprunghaft an. Zuletzt war der Trend aber wieder rückläufig. Neben dem Wartejahr waren noch weitere Massnahmen geplant.

Wie heute sollte der Zivildienst zwar weiterhin anderthalb mal so lange dauern wie der Militärdienst, neu jedoch mindestens 150 Diensttage. Heute werden bereits geleistete Militärdiensttage angerechnet. Die Mindestzahl hätte die Dienstzeit für jene verlängert, die ab dem ersten Wiederholungskurs zum Zivildienst wechseln. Für Offiziere und Unteroffiziere hätte ebenfalls der Faktor 1,5 eingeführt werden sollen. Nun bleibt es beim Faktor 1,1.

Erschwerte Zulassung

Der erste Einsatz im Zivildienst hätte zudem bereits im Jahr nach der Zulassung vollständig geleistet werden müssen. Wer zum Zeitpunkt der Zulassung die Rekrutenschule noch nicht bestanden hat, hätte den Zivildiensteinsatz von 180 Tagen spätestens im Kalenderjahr nach der rechtskräftigen Zulassung abschliessen müssen.

Mit der Vorlage hätte zudem verhindert werden sollen, dass sich Armeeangehörige mit dem Wechsel zum Zivildienst der Schiesspflicht entziehen. Wer in der Armee keine Restdiensttage mehr übrig hat, hätte deshalb nicht mehr zum Zivildienst zugelassen werden sollen.

Wegfallen sollte auch der Anreiz, zwecks beruflicher Weiterbildung zum Zivildienst zu wechseln. Deshalb sollten keine Einsätze mehr erlaubt sein, die ein begonnenes oder abgeschlossenes Medizinstudium erfordern.

Nachachtung verschaffen

Bundesrat Guy Parmelin hatte die Vorlage kurz nach der Übernahme des Wirtschafts- und Bildungsdepartements (WBF) Anfang 2019 dem Parlament zugestellt. Der Zivildienst sei Personen mit einem Gewissenskonflikt vorbehalten, sagte er damals vor den Medien. Der Bundesrat wolle diesem Grundsatz wieder Nachachtung verschaffen. Es bestehe keine freie Wahl zwischen Militär- und Zivildienst.

Schon Johann Schneider-Ammann, der das WBF bis Ende 2018 geleitet hatte, stellte 2017 im Parlament fest, dass es "etwas zu einfach" sei, im Zivildienst Unterschlupf zu finden. Zusammen mit dem damals von Parmelin geführten Verteidigungsdepartement würden Massnahmen geprüft.

Der Nationalrat nahm damals eine Motion an, gemäss der bei einem Wechsel aus der Rekrutenschule in den Zivildienst neu nur noch die Hälfte der geleisteten Diensttage anrechenbar sein sollten. Die Befürworter sprachen von nutzlosen Ausbildungskosten und gefährdeten Armeebeständen. Die Gegner - Vertreter von SP und Grünen - hielten eine solche "Bestrafung" von Zivildienstleistenden für unangebracht.

Der Zivildienstverband Civiva, die Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (Gsoa), die Grünen und die SP hatten bereits ein Referendum gegen die Gesetzesänderungen angekündigt. Auch die GLP wollte dieses unterstützen. Auf das Nein im Nationalrat reagierten Civiva und Gsoa umgehend.

"Gerettet und in Sicherheit"

Der Zivildienst sei "zumindest vorläufig gerettet und in Sicherheit", schrieb Civiva. Über 1,6 Millionen Zivildiensttage seien im vergangenen Jahr geleistet worden, davon 80 Prozent in der Pflege und Betreuung, wo die Mittel knapp seien. Es brauche nun eine konstruktive Diskussion über die Dienstpflicht.

Die Gsoa sprach von einem "grossartigen Tag für eine pazifistische Schweiz". Der Rückfall in Zeiten, in denen junge Männer, die mit dem Militärdienst nichts anfangen konnten, schikaniert wurden, habe in letzter Sekunde verhindert werden können.