Pflege: Das Parlament will den Pflegeberuf stärken. Nicht einig sind sich die Räte bei den Bedingungen für Pflegende, die selbstständig abrechnen wollen. Der Ständerat will, dass nur jene Pflegefachpersonen, Spitexorganisationen und Pflegeheime selber abrechnen können, die mit den Krankenversicherern vorgängig eine Vereinbarung abgeschlossen haben. Der Nationalrat lehnt dies ab. Uneinig sind sich die Räte auch bei der kantonalen Zuständigkeit bei den Ausbildungsbeiträgen. Der Nationalrat will die Kantone verpflichten, angehenden Pflegefachkräften Beiträge an die Lebenshaltungskosten zu leisten und veranschlagt dafür 469 Millionen Franken. Der Ständerat will diese Leistung der Kantone jedoch als freiwillig gestalten und beantragt 369 Millionen Franken. Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.
Sozialversicherung: Wenn ein krankes Baby nach der Geburt länger im Spital bleiben muss, soll die Mutter länger Mutterschaftsurlaub machen können. Dieser Meinung ist nach dem Ständerat auch der Nationalrat. Es verbleiben aber zwei Differenzen. Die grosse Kammer hat stillschweigend beschlossen, dass die Mutterschaftsentschädigung verlängert wird, wenn das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt ununterbrochen während mindestens zwei Wochen im Spital bleiben muss. Bundesrat und Ständerat wollen, dass die Regel erst nach drei Wochen Spitalaufenthalt greift. Im Gegensatz zum Ständerat beantragt der Nationalrat zudem, dass nur Mütter Anspruch auf diese Verlängerung der Entschädigung haben, die nach dem Mutterschaftsurlaub nachweislich wieder ins Erwerbsleben zurückkehren wollen. Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.
Kita-Hilfe: Von den Corona-Finanzhilfen für die familienergänzende Kinderbetreuung sollen mehr Institutionen profitieren als bisher. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion seiner Bildungskommission (WBK) angenommen - mit 117 zu 67 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Stimmt der Ständerat einer gleichlautenden Motion seiner Kommission zu, muss der Bundesrat die Covid-19-Verordnung familienergänzende Kinderbetreuung anpassen. So sollen auch Institutionen berücksichtigt werden, die vom Kanton oder von der Gemeinde Subventionen erhalten oder von der öffentlichen Hand betrieben werden. Die Verordnung zur Kita-Hilfe ist rückwirkend per 17. März 2020 in Kraft getreten und läuft am 16. September aus. Der Entscheid des Nationalrats hat so eher symbolischen Charakter. Eine fristgerechte Revision und Umsetzung der Verordnung durch die Kantone ist nicht mehr möglich.
Berufliche Vorsorge: Die Auffangeinrichtung der zweiten Säule wird angesichts möglicher Schwierigkeiten wegen der Coronavirus-Pandemie besser abgesichert. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine Änderung des BVG-Gesetzes einstimmig gutgeheissen. Nach der inhaltlichen Bereinigung können beide Räte noch über die Dringlichkeit abstimmen. Mit dieser Änderung kann die Stiftung Auffangeinrichtung bei Bedarf rasch ein unverzinsliches Konto im Umfang von bis zu 10 Milliarden Franken eröffnen. Die Auffangeinrichtung soll Mittel aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos bei der Bundestresorerie anlegen können, sofern ihr Deckungsgrad die Schwelle von 105 Prozent unterschreitet. Die dringliche Anpassung des Gesetzes über die berufliche Vorsorge soll vorerst für drei Jahre gelten. In dieser Zeit will der Bundesrat eine langfristige Lösung vorbereiten.
Krankenkassen: Minderjährige sollen Zugang zu medizinischen Leistungen haben, auch wenn ihre Eltern die Krankenkassenprämien nicht bezahlt haben. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion mit 137 zu 45 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Wer auf die Liste der säumigen Prämienzahlenden kommt, hat nur noch Anspruch auf Notfallbehandlungen. Die Schweiz verstosse damit gegen die Kinderkonvention. Es sei an der Zeit, diese Gesetzeslücke zu schliessen. Barille fordert daher eine Anpassung des Krankenversicherungsgesetzes, sodass Minderjährige nicht mehr auf solche Listen gelangen können. Verena Herzog (SVP/TG) setzte sich vergeblich gegen die Motion ein. Es gehe auch um Gleichberechtigung derjenigen, die ihre Prämien bezahlen, argumentierte sie. Auch der Bundesrat ist dagegen. Der Vorstoss geht an den Ständerat.
Gesundheitskosten: Die Preise von Laboranalysen sollen gesenkt werden. Dieser Meinung ist der Nationalrat. Er hat eine Motion von Christian Lohr (CVP/TG) mit 141 zu 46 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Folgt ihm der Ständerat, muss der Bundesrat handeln. Die Regierung ist mit dem Anliegen einverstanden. Das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) werde aber keine pauschalen Tarifsenkungen vornehmen, sondern den Tarif jeder Analyse neu berechnen, wie der Bundesrat in seiner schriftlichen Antwort auf den Vorstoss schrieb. Gemäss einem Parlamentsentscheid sollen die Tarife von Analysen durch medizinische Labors künftig - analog Tarmed und DRG - durch die Tarifpartner verhandelt werden. Der Bund ist daran, einen konkreten Umsetzungsvorschlag zu erarbeiten.
Gesundheitswesen: Der Nationalrat verlangt Sanktionsmöglichkeiten gegen Ärztinnen und Ärzte sowie Spitäler, wenn sich diese systematisch weigern, den Patienten eine Rechnungskopie zuzustellen. Eine entsprechende Motion von Lorenz Hess (BDP/BE) nahm die grosse Kammer mit 187 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung an. Der Bundesrat habe zwar das Problem bestätigt, aber bisher nicht aufgezeigt, wann und wie er den Missstand konkret angehen wolle, sagte Motionär Hess im Rat. Der Nationalrat solle mit dem Ja zum Vorstoss den Druck erhöhen. Die Motion geht nun an den Nationalrat.
Verträge: Vertragsabschlüsse sollen besser vor Umklassierungen geschützt werden. Der Wille der Vertragsparteien bei der Wahl der Vertragsart soll zudem gestärkt werden. Der Nationalrat hat mit 121 zu 69 Stimmen einer entsprechenden Motion von Philippe Nantermod (FDP/VS) zu. Vollzugsbehörden stufen Dienstleisterinnen und Dienstleister, die über Plattformen Verträge schliessen, oft voreilig als Angestellte ein. Das heisse, dass alle betroffenen Personen in ihrer Vertragsfreiheit eingeschränkt seien, argumentierte Nantermod. Die Motion solle dem entgegenwirken. Der Bundesrat lehnt die Motion ab. Es sei zu früh, gesetzgeberisch tätig zu werden, da mit einem Bericht die Situation und die Verbesserungsmöglichkeiten gerade beleuchtet würden, sagte Innenminister Alain Berset.
Gesundheit: Der Bundesrat soll in einem Bericht darlegen, wie eine gesetzliche Regulierung von Pflegeexpertinnen und Pflegeexperten APN (Advanced Practice Nurse) aussehen könnte. Die immer komplexere Patientenbetreuung verlange nach kostengünstigen Lösungen, sagte Marianne Streiff-Feller (EVP/BE), die den Bericht verlangt. Studien würden zeigen, dass AP-Pflegefachpersonen die Versorgungsqualität aufrechterhalten oder gar steigern könnten. Ein neues Modell würde zu einer direkten Entlastung der Hausärzte führen. Der Bundesrat ist einverstanden, den Bericht auszuarbeiten. Der Nationalrat stimmte der Forderung mit 108 zu 74 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu.
Die Traktanden des Nationalrats für Mittwoch, 16. September (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00):
Bern |
Änderung des Nationalstrassenabgabegesetz (19.045) |
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Zahlungsrahmen für die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in den Jahren 2021-2024, Fortsetzung (20.028) |
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EHB-Gesetz (19.070) |
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Totalrevision des Bundesgesetzes über die internationale Zusammenarbeit und Mobilität in der Bildung (19.072) |
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Kapitalerhöhung der Weltbankgruppe und Afrikanische Entwicklungsbank (20.024) |
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Parlamentarische Vorstösse aus dem WBF (gebündelte Abstimmungen) |
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Standesinitiative SG zu Prämiengeldern für Vermittlungsprovisionen (18.305) |
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Motionen und Standesinitiativen zur kostendeckenden Finanzierung der Kinderspitäler (19.3957; 18.309; 18.318; 18.322; 18.324) und zu mehr Zeit zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen (19.4120) |
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Parlamentarische Initiativen 1. Phase, Fortsetzung (gebündelte Abstimmung um circa 18:45) |