(sda) Geschäftsmieten: Der Nationalrat will Geschäftsmietern, die während des Corona-Lockdown im Frühling schliessen mussten oder eingeschränkt waren, unterstützen. Er ist am Donnerstag auf ein Gesetz für einen teilweisen Mieterlass mit 91 zu 89 Stimmen bei 4 Enthaltungen eingetreten. Die Fraktionen von SVP und FDP stimmten zwar geschlossen für Nichteintreten auf die Vorlage. Das Zünglein an der Waage spielte aber die gespaltene Mitte-Fraktion, die einige wenige Ja-Stimmen mehr abgab als Nein-Stimmen. Zusammen mit den Stimmen der geschlossenen Linken sowie der Mehrheit der GLP ergab sich ein knappes Ja. Das Geschäftsmietegesetz sieht vor, dass Mieterinnen und Mieter sowie Pächterinnen und Pächter, die im Frühjahr von einer Schliessung oder starken Einschränkung betroffen waren, für die Zeit vom 17. März bis 21. Juni 2020 nur 40 Prozent des Mietzinses bezahlen müssen. 60 Prozent gehen zulasten der Vermieterinnen und Vermieter. Als nächstes berät die vorberatende Kommission die Details der Vorlage.

Gesundheitskosten: Der Nationalrat hat bei der Beratung des Kostendämpfungsmassnahmenpakets des Bundesrats entschieden, dass kein Referenzpreissystem zur Senkung der Generikapreise eingeführt werden soll. Anstelle dessen sollen auf dem Verordnungsweg Anreize für Apotheker und Ärztinnen geschaffen werden, mehr Generika zu verkaufen. Um dies zu erreichen, sollen sie nicht mehr die höchste Marge erhalten, wenn sie das teuerste Medikament verkaufen. Gekippt hat der Nationalrat das Gewinnverbot für Krankenkassen in der Grundversicherung. Konkret sollen Rabatte, die Versicherer aushandeln, zu 25 Prozent an die Versicherer gehen und zu 75 Prozent an die Versicherten. Bisher galt in der Grundversicherung der Grundsatz, dass die Prämien kostendeckend sind und alle Überschüsse zurück an die Versicherten gehen. Ausserdem lehnte es der Nationalrat ab, den Versicherern bei den Spitallisten ein Beschwerderecht einzuräumen. Dies solle in der alleinigen Kompetenz der Kantone bleiben. Die Geschäfte gehen an den Ständerat.

Antibiotika: Der Nationalrat will den Kampf gegen den vermeidbaren Einsatz von Antibiotika in der Veterinärmedizin weiter verstärken. Er hat eine Motion von alt Nationalrätin Bea Heim (SP/SO) angenommen - mit 96 zu 78 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Der Vorstoss geht damit an den Ständerat. Er will etwa bei den mengen- und preisabhängigen Margen auf Antibiotika ansetzen. Der Bundesrat soll auf dem Gesetzes- oder Verordnungsweg "Fehlanreize eliminieren, die heute zu unnötig erhöhtem Einsatz von Antibiotika beitragen können", wie es in der Begründung des Vorstosses heisst. Der Bundesrat argumentierte, dass das Anliegen mit den neuen Bestimmungen im Heilmittelgesetzes erfüllt sei. Er empfahl deshalb ein Nein.

Spitalfehler: Mit einer gesetzlichen Grundlage will der Nationalrat sicherstellen, dass zu Lernzwecken dokumentierte Ereignisse in Spitälern nicht von Gerichten verwendet werden können. Er hat eine entsprechende Motion von Ruth Humbel (CVP/AG) ohne Gegenstimme angenommen. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Gemäss zwei Bundesgerichtsurteilen dürfen Richter bei Haftpflichtverfahren auf Lernsysteme zugreifen. Können Fehlermeldungen für allfällige Sanktionen verwendet werden, werde damit die Vertraulichkeit und Anonymität untergraben, argumentierte Humbel. Der Bundesrat lehnt die Motion aus verfahrenstechnischen Gründen ab. Er wolle zuerst ein Gutachten analysieren lassen, bevor er sich weitere Schritte überlege.

Mobbing: Der Nationalrat will eine nationale Social-Media-Kampagne gegen Mobbing und Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen lancieren. Er hat eine entsprechende Motion von Yvonne Feri (SP/AG) angenommen. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Die Schweiz besetze in Sachen Mobbing in Europa einen unrühmlichen Spitzenplatz, machte Feri geltend. Der Bundesrat will die Kampagne im Rahmen seiner nationalen Plattform "Jugend und Medien" umsetzen - ohne zusätzliche Ressourcen. Auf eine Anti-Mobbing-Kampagne verzichten wollte die SVP-Fraktion. Die Prävention müsse über das Elternhaus und die Schule erfolgen, argumentierte Andreas Glarner (SVP/AG). Die Gegner der Motion unterlagen schliesslich mit 101 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen.

Tiere I: Der Nationalrat hat einen Vorstoss abgelehnt, der verlangte, dass Ziegen und Zicklein nicht mehr enthornt werden dürfen. Die nun erledigte Motion stammt von Irène Kälin (Grüne/AG). Sie argumentierte, dass das Enthornen von Ziegen und Zicklein ein heikler, unnötiger und tierquälerischer Eingriff sei. Praxis und Forschung würden belegen, dass es bei der Laufstallhaltung von behornten Ziegen kaum zu Unfällen zwischen Mensch und Ziege komme. Eine Mehrheit des Nationalrats folge dieser Argumentation nicht. Die grosse Kammer stimmte mit 99 zu 76 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen die Motion. Auch der Bundesrat hielt ein absolutes Enthornungsverbot für unverhältnismässig, weil es auch Tierärztinnen und Tierärzten verboten würde, Ziegen und Zicklein zu enthornen.

Tiere II: Wer eine Katze besitzt, die sich draussen frei bewegen kann, muss diese nicht von Gesetzes wegen kastrieren lassen. Im Nationalrat ist ein Vorstoss, der eine bundesweite Kastrationspflicht für diese Katzen verlangte, abgelehnt worden. Der Nationalrat traf seinen Entscheid mit 151 zu 19 Stimmen bei 4 Enthaltungen. Die Motion von der Zürcher FDP-Nationalrätin Doris Fiala ist damit erledigt. Der Bundesrat empfahl die Motion zur Ablehnung. Nach aktuellen Schätzungen sterilisiert oder kastriert ein grosser Teil der Halterinnen und Halter ihre Katzen bereits, schrieb der Bundesrat in seiner Stellungnahme. In Einzelfällen hätten die kantonalen Vollzugsbehörden die Möglichkeit, die Kastration von Tieren anzuordnen.

Implantate: Der Nationalrat will den Zulassungsprozess von Medizinprodukten wie beispielsweise Implantaten nicht demjenigen von Medikamenten angleichen. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Motion von Verena Herzog (SVP/TG) abgelehnt - mit 110 zu 61 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Mit strengeren Kontrollen vor der Zulassung sollten irreversible Folgeschäden bei den Patientinnen und Patienten verhindert werden. "Operateur und Patient sollen sich auf die gute Qualität eines Implantats verlassen können", argumentierte Herzog. Der Bundesrat sprach sich gegen eine strengere Zulassung von Implantaten aus. Damit komme man in den Clinch mit der EU. Zudem wäre der Aufbau einer sehr viel grösseren Kontrollbehörde teuer und aufwendig. Der Vorstoss ist nach dem Nein des Nationalrats erledigt.

Pflegesparkonto: Die FDP-Fraktion möchte für Pflege und Betreuung im Alter ein freiwilliges, steuerbefreites Pflegesparkonto einführen. Der Nationalrat hält nichts davon. Er hat eine entsprechende Motion mit 99 zu 74 Stimmen abgelehnt. Die grosse Kammer folgte damit dem Bundesrat, der den Vorstoss zur Ablehnung empfahl. Seiner Meinung nach würden davon vor allem gut Verdienende profitieren. Einkommensschwache Personen hingegen hätten wenig Anreiz für eine freiwillige Vorsorge, weil sie weniger Steuervorteile hätten. Die Motion ist nach dem Nein des Nationalrats erledigt.

Gesundheit: Patienten, die sich für ein günstiges Spital entscheiden, sollten dafür nicht mit zusätzlichen Instrumenten finanziell belohnt werden. Der Nationalrat hat den Vorschlag der FDP-Fraktion abgelehnt, in solchen Fällen Prämienrabatte zu gewähren oder die Kostenbeteiligung aufzuheben. Nach dem Nein ist die Motion erledigt. Die Mehrheit folgte dem Bundesrat, der argumentierte, dass für das Anliegen bereits eine gesetzliche Grundlage bestehe. Versicherer könnten heute Modelle anbieten, in denen die Versicherten freiwillig ihre Wahl auf kostengünstige stationäre Leistungserbringer beschränken und hierfür von einer geringeren Prämie oder Kostenbeteiligung profitieren können.

Digitalisierung: Der Nationalrat will keine gesetzliche Regelung zu vernetztem Spielzeug erlassen. Er hat eine Motion von SP-Nationalrat Mathias Reynard (VS) mit 100 zu 79 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Der Vorstoss ist damit vom Tisch. Der Motionär forderte Sicherheitsstandards für vernetztes Spielzeug. Der Bundesrat sollte auf Gesetzes- oder Verordnungsebene eine Regelung erlassen, um den Begriff der Sicherheit von Spielzeug auf digitale Sicherheit auszuweiten. Die Mehrheit folgte dem Vorschlag der Landesregierung, die Lösungen ohne Rechtsetzung suchen will.

Corona-Folgen: Der Bundesrat soll nicht prüfen müssen, inwiefern die im Rahmen der Corona-Krise getroffenen Massnahmen und auch das Virus selbst sich unterschiedlich auf Frauen und Männer, Migrantinnen und Migranten, auf Menschen in unterschiedlichen Einkommen sowie auf Stadt und Land ausgewirkt haben und immer noch auswirken. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Tamara Funiciello (SP/BE) mit 98 zu 80 Stimmen abgelehnt. Dieses ist damit vom Tisch. Bekämpft wurde das Anliegen von den bürgerlichen Fraktionen. "Müssen wir aus der Corona-Krise noch eine Gender-Krise machen?", fragte Martina Bircher (SVP/AG). Der Bundesrat war mit dem Vorstoss einverstanden, wollte den Bericht aber erst nach Abschluss der Pandemie erstellen lassen.

Traktanden für die Sitzung vom Freitag, 30. Oktober (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 18:00):

Bern Coronavirus: Solidarbürgschaftsgesetz (20.075)
Motion zur Besteuerung von elektronischen Zigaretten (19.3958)
Motion zu Prüfung durch die Eidgenössische Finanzkontrolle bei teilprivatisierten Unternehmen des Bundes (19.4371)
Motion zu Green-Finance-Produkten (19.4372)
Motion zur Möglichkeit der Verwaltungseinheiten zum Abschluss von Personalverleihverträgen (19.4382)
Postulat zu Nachhaltigkeitszielen für die Schweizerische Nationalbank (20.3012)
Motion zu Monitoring der Bewerbungen auf offene Stellen bezüglich Sprachgemeinschaft und Herkunftskanton (20.3920)
Postulat zu Einhaltung der Weisungen zur Förderung der Mehrsprachigkeit (20.3921)
Motion zu Verbesserung der Steuergerechtigkeit im Warenfluss des kleinen Grenzverkehrs (19.3975)
Standesinitiativen SG und TG zum Einkaufstourismus (18.300 und 18.316)
Vorlage für eine Regelung für transparentes Lobbying im eidgenössischen Parlament (15.438)
Parlamentarische Vorstösse aus dem EJPD (gebündelte Abstimmungen um ca. 17:45)