Geschlecht: Menschen mit einer Transidentität und Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung können ihr Geschlecht und den Vornamen im Personenstandsregister künftig unbürokratisch ändern lassen. Das Parlament hat einer Änderung des Zivilgesetzbuches zugestimmt. Mit dieser können Personen, die innerlich fest davon überzeugt sind, den Wechsel vollziehen zu wollen, mit einer Erklärung gegenüber dem Zivilstandsamt eine Änderung des Eintrags bewirken, indem sie dort persönlich vorsprechen. Bis zum vollendeten 16. Lebensjahr müssen Eltern oder die gesetzlichen Vertreter ihre Zustimmung geben. Eine Änderung im Personenstandsregister hat keinen Einfluss auf eine bestehende Ehe oder registrierte Partnerschaft. Auch Eltern-Kind-Verhältnisse bleiben unverändert. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
Erbrecht: Erblasser können künftig über einen grösseren Teil des Nachlasses frei verfügen. Das Parlament hat das fast hundertjährige Erbrecht modernisiert. Der Nationalrat bereinigte die letzte Differenz in der Vorlage. Damit ist diese bereit für die Schlussabstimmung. Die Vorlage des Bundesrats setzt bei den Pflichtteilen an. Neu wird der Pflichtteil der Kinder auf die Hälfte reduziert, jener für die Eltern wird gestrichen. Der Pflichtteil des Ehepartners oder des eingetragenen Partners wird bei der Hälfte des gesetzlichen Erbanspruchs belassen. Der Bundesrat schlug auch vor, eine Regelung für Lebenspartnerinnen und -partner zu erlassen, das Parlament lehnte das aber ab.
Schweiz - Eu: Der Nationalrat hat an einer ausserordentlichen Session das EU-Rahmenabkommen thematisiert. Die Debatte zeigte erneut: Das ausgehandelte Abkommen ist in der Schweiz derzeit nicht mehrheitsfähig. Abgelehnt wurden zwei Motionen der SVP-Fraktion. Diese verlangten erstens, dass die Klärungen in verschiedenen Bereichen verbindlich im Vertragstext festgehalten werden sollen. Und zweitens, dass das institutionelle Abkommen mit der EU nicht unterzeichnet, das Vorhaben abgeschrieben und dies der EU klar und unmissverständlich mitgeteilt werden soll. Beide Vorstösse sind vom Tisch.
Forschung: Die Schweiz soll bei der nächsten Generation des EU-Forschungsprogrammes Horizon dabei sein können. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat die dafür notwendigen Gelder in Höhe von 6,15 Milliarden Franken gesprochen. Von diesen 6,15 Milliarden entfallen 5,42 Milliarden Franken auf Pflichtbeiträge für Horizon Europe, das Euratom-Programm, die internationale Infrastruktur für Fusionsforschung (Iter) und das Digital Europe Programme. 614 Millionen Franken sind als Reserve gedacht, 117 Millionen für nationale Begleitmassnahmen in der Schweiz. Der Bundesbeschluss ist damit definitiv angenommen. Es gehe darum, die Fortsetzung einer guten Zusammenarbeit ohne Unterbruch zu sichern, sagte Bildungsminister Guy Parmelin. Die Schweiz beteiligt sich seit 2004 an den EU-Forschungsprogrammen.
Wohnen: Der Nationalrat will den Rahmenkredit für Bürgschaften in der Wohnraumförderung erneuern. Er hat dem vom Bundesrat beantragten Rahmenkredit von 1,7 Milliarden Franken für Eventualverpflichtungen im gemeinnützigen Wohnungsbau zugestimmt. Das Vorhaben wurde nicht gross bestritten. Widerstand kam einzig von der SVP. "Wir steuern auf eine Immobilienblase zu", hielt Thomas Aeschi (ZG) fest. Mit neuen Bürgschaften würde die Bautätigkeit zusätzlich befeuert. Die übrigen Fraktionen stimmten der Wohnraumförderungsvorlage zu. Die Bürgschaften seien ein zielgerichtetes Instrument, das den vom Bund alimentierten Fonds de Roulement sinnvoll ergänze, lautete der Tenor. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
Flüchtlinge I: Lernende, die während ihrer Ausbildung einen negativen Asylentscheid erhalten, sollten ihre bereits begonnene berufliche Grundbildung in der Schweiz beenden können. Das verlangt der Nationalrat mit einer Motion. Das Anliegen formuliert hatte die Staatspolitische Kommission des Nationalrats (SPK-N). Sie stört sich an Lehrabbrüchen nach langen Asylverfahren. Mit einer Praxisänderung solle erreicht werden, dass Betroffene ihre Lehre abschliessen können - das sei auch im Sinne einer Rückkehrhilfe zu sehen, argumentierte Kommissionssprecherin Corina Gredig (GLP/ZH). Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.
Flüchtlinge II: Flüchtlinge, die Opfer von Gewalt wurden - namentlich Frauen und Mädchen -, sollen einen besseren Zugang zur benötigten Gesundheitsversorgung erhalten. Das fordert der Nationalrat. Er hat eine Motion seiner Staatspolitischen Kommission (SPK-N) angenommen. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Sagt auch er Ja, soll der Bundesrat für eine schnellere Opferidentifikation sorgen. Konkret soll er die fachliche Betreuung für gewaltbetroffene, traumatisierte Geflüchtete in den Bundesasylzentren und den Zugang zu externen Angeboten ausbauen.
Reisebusse: Der Nationalrat will die private Reisebusbranche in der Corona-Krise zusätzlich unterstützen. Er hat eine entsprechende Motion angenommen. Philipp Matthias Bregy (CVP/VS) sprach im Namen der Verkehrskommission des Nationalrats (KVF-N), welche die Motion beschlossen hatte, von einem "klaren Zeichen" zugunsten der arg gebeutelten Reisebusbranche. Die Gegnerinnen und Gegner des Vorstosses - darunter der Bundesrat - verwiesen auf die Härtefallregelung, welche im abgeänderten Covid-19-Gesetz gerade eben ausgebaut worden ist. Davon könne auch die Reisebusbranche profitieren. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat.
Justiz: Der Nationalrat ist einverstanden damit, dass die Schweiz und Indonesien ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der internationalen Kriminalität stärken. Er hat einem bilateralen Rechtshilfevertrag mit 153 zu 32 bei 3 Enthaltungen zugestimmt. Die Schweiz und Indonesien verpflichteten sich, einander in diesem Bereich weitestgehende Rechtshilfe zu leisten. Im Vordergrund steht dabei die Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten, Geldwäscherei und Korruption. Der Rechtshilfevertrag übernimmt laut Bundesrat die wichtigsten Grundsätze des schweizerischen Rechtshilfegesetzes und des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens. Nicht einverstanden mit dem Abkommen war im Nationalrat lediglich ein Teil der SVP-Fraktion, weil dem Land wegen der Menschenrechtsverletzungen nicht die Hand gereicht werden solle. Das Geschäft geht an den Ständerat.
Zivilrecht: Verlustscheine sollen künftig nicht nur in Papierform, sondern auch elektronisch aufbewahrt werden können. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einer entsprechenden Motion stillschweigend zugestimmt. Der Ständerat hatte der Vorlage aber noch einen eigenen Zusatz verpasst. So soll festgeschrieben werden, dass die rechtliche Gültigkeit auch von elektronischen Schuldscheinen jederzeit ersichtlich sein muss. Der Bundesrat muss sich daher nun an die Ausarbeitung machen. Er ist mit dem Anliegen einverstanden. Ein Verlustschein ist die amtliche Bescheinigung, dass eine Forderung am Ende des Betreibungs- oder Konkursverfahrens offengeblieben ist.
Entwicklungshilfe I: Das Parlament hat die Beteiligung der Schweiz an Kapitalerhöhungen der Weltbankgruppe und der Afrikanischen Entwicklungsbank gutgeheissen. Offen war zuletzt noch die Frage, wie bei der Beteiligung der Schweiz an den Kapitalerhöhungen die Aufsicht über das Verhalten der Schweiz in den Gremien geregelt werden soll. Das Parlament einigte sich darauf, dass der Bundesrat die Aussenpolitischen Kommissionen periodisch über seine Tätigkeiten informieren muss. Damit sind die Bundesbeschlüsse definitiv angenommen. Die Erhöhung beträgt 297 Millionen Franken. Konkret soll die Schweiz von 2021 bis 2024 jährlich knapp 50 Millionen US-Dollar für zusätzliche Aktien bei der Weltbank einzahlen. Bei der Afrikanischen Bank sollen es jährlich 12,5 Millionen US-Dollar von 2021 bis 2028 sein.
Entwicklungshilfe II: Der Bundesrat soll auswerten, wie die Umsetzungserfahrungen mit den Umwelt- und Sozialstandards der Weltbankgruppe aus dem Jahre 2016 aussehen. Das verlangt der Nationalrat. Insbesondere soll aufgezeigt werden, inwieweit die Standards die politischen Leitlinien der Schweiz erfüllen. Aufgezeigt werden soll auch der Verbesserungsbedarf zur Durchsetzung von Sozial- und Umweltstandrads sowie zur Korruptionsbekämpfung in den Programmen der Weltbankgruppe besteht. Die Schweiz hat sich an der Revision der Umwelt- und Sozialstandards der Weltbank, die 2018 in Kraft getreten sind, aktiv beteiligt. Der Bundesrat ist bereit, einen entsprechenden Bericht zu verfassen, der auch die Korruptionsbekämpfung abdecken wird.
Handelsbeziehungen: Das Parlament soll in der Handelspolitik der Schweiz mit dem Ausland mehr zu sagen haben. Es soll etwa bei Zielen und roten Linien für die Einfuhr von Lebensmitteln mitreden können. In solchen Abkommen würden oft Regeln bezüglich der Produktionsstandards vereinbart, die unmittelbare Auswirkungen auf die Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten hätten, argumentierte Jacques Nicolet (SVP/VD), der den Vorstoss eingereicht hatte. Das Parlament habe aber keine Möglichkeit, frühzeitig zu intervenieren. Der Inhalt der Handelsabkommen werde jeweils erst bekannt, wenn diese bereits unterzeichnet seien. Der Nationalrat folgte knapp, mit 99 zu 80 Stimmen bei 7 Enthaltungen. Die parlamentarische Initiative geht an den Ständerat.
Schule: Der Nationalrat will nichts davon wissen, Kopfbedeckungen an öffentlichen Schulen mit einem Verfassungsartikel zu verbieten. Einer entsprechenden parlamentarischen Initiative gab er mit 130 zu 51 Stimmen nicht Folge. Jean-Luc Addor (SVP/VS) hatte mit dem Verfassungsartikel den Schulen ein Instrument in die Hand geben wollen gegen "bestimmte parallelgesellschaftliche Erscheinungsformen". Er formulierte seinen Antrag als "generelles Kopfbedeckungsverbot" und meinte mit Kopfbedeckungen unter anderem den Hijab von Muslimas, aber auch Kapuzenpullover. Die Mehrheit der Staatspolitischen Kommission (SPK-N) sah indes das islamische Kopftuch im Zentrum des Vorstosses. Dieser greife in die Religionsfreiheit ein, argumentierte Irène Kälin (Grüne/AG). Mit dem Nein des Nationalrats ist die Initiative vom Tisch.
Apotheken: Der Auftrag an die heute etablierte Armeeapotheke soll nicht erweitert werden, um die Sicherheit der Versorgung mit Medikamenten und Impfstoffen zu erhöhen. Der Nationalrat hat die Schaffung einer solchen Volksapotheke abgelehnt, wie es eine parlamentarische Initiative von alt Nationalrätin Bea Heim (SP/SO) forderte. Der Entscheid fiel mit 118 zu 63 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Ratslinke argumentierte, dass die Corona-Krise in diesem Bereich klaren Handlungsbedarf ausgewiesen habe. Die Mehrheit der grossen Kammer hatte zwar Verständnis für das Anliegen, verwies aber auf laufende Arbeiten. Zunächst sollten weniger weiterführende Massnahmen umgesetzt werden. Mit dem Nein ist die Initiative vom Tisch.
Asylgesetz: Der Nationalrat hat eine parlamentarische Initiative von alt SVP-Nationalrat Sebastian Frehner (BS) abgelehnt, die eine radikale Vereinfachung des Asylsystems forderte. Die Initiative ist damit erledigt. Frehner schlug vor, dass die Flüchtlingseigenschaften aller Personen, die illegal in die Schweiz einreisen, nicht mehr geprüft werden. Es sollte nur noch ein Wegweisungsverfahren geben. Zudem sollten Asylgesuche nur noch bei einem geöffneten Grenzübergang oder bei der Grenzkontrolle in einem schweizerischen Flughafen gestellt werden können. Der Nationalrat lehnte dies mit 135 zu 51 Stimmen ab. Die Mehrheit erachtete die parlamentarische Initiative für völkerrechtswidrig.
Handel: Der Bundesrat erarbeitet einen Bericht zur Förderung eines nachhaltigen internationalen Handels und prüft dabei auch die Einführung von Grenzausgleichssystemen. Diesen Auftrag hat er vom Nationalrat erhalten. Die grosse Kammer überwies ein entsprechendes Postulat ihrer Aussenpolitischen Kommission (APK-N) mit 131 zu 53 Stimmen. Mit Grenzausgleichssystemen können im internationalen Handel höhere Kosten ausgeglichen werden, die sich durch eine Besteuerung von umweltschädlichen Aktivitäten im Inland ergeben, beispielsweise durch eine CO2-Lenkungsabgabe oder einer Pestizidsteuer.
Vereinigte Bundesversammlung
Gerichtswahlen: Martha Niquille (CVP) ist neue Präsidentin des Bundesgerichts. Sie ist von der Vereinigten Bundesversammlung gewählt worden, mit 173 von 174 gültigen Stimmen und für die Amtszeit 2021/2022. 53 Stimmzettel wurden leer eingelegt. Neuer Vizepräsident des Bundesgerichts wird Yves Donzallaz (SVP). Er erhielt 160 von 161 gültigen Stimmen. Bei dieser Wahl wurden 62 Stimmenzettel leer abgegeben. Eine SVP-Minderheit hatte Niquille und Donzallaz nicht wählen wollen, weil sie deren Rolle in einer Untersuchung am Bundesstrafgericht kritisierte. Das Präsidium des Bundesverwaltungsgerichts wurde im Amt bestätigt.
Die Traktanden des Nationalrats am Donnerstag, 17. Dezember (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00):
Bern |
Verlängerung des Bürgschafts-Rahmenkredits im regionalen Personenverkehr (20.053) |
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Motion zur Anpassung der gesetzlichen Grundlage für das E-Bike mit Tretunterstützung bis 25 Stundenkilometer (19.3708) |
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Motion zur finanziellen Überbrückung für den Abbau der Wartelisten bei erneuerbaren Energien (19.3742) |
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Motion zur Energieautonomie der Immobilien des Bundes (19.3750) |
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Änderung Covid-19-Gesetz, Antrag der Einigungskonferenz (20.084) |
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Motion zu den Rahmenbedingungen für emissionsärmere Nutzfahrzeuge (19.4381) |
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Motion zur Luftrettung bei schlechtem Wetter (19.4562) |
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Motion zur Anpassung der Perimeter für die Agglomerationsprojekte (20.3008) |
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Motion zur Bekämpfung des Insektensterbens (20.3010) |
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Motion zur Automation von Güter auf der Schiene (20.3221) |
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Motion zum Bahngüterverkehr und Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstosses (20.3222) |
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Motion zur Förderung des Gütertransports auf dem Rhein (20.3286) |
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Motion für mehr rezyklierten Kunststoff in Kunststoffverpackungen für Getränke und Reinigungsmittel (20.3940) |
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Motionen zur Reduktion von Mikroverunreinigungen aus den Abwasserreinigungsanlagen (20.4261; 20.4262) |
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Motion zur Stützung DAB-Radios in der Covid-19-Krise (20.4336) |
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Vorlage zur Stärkung der Geschäftsprüfungskommissionen, Differenzen (15.451) |
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Standesinitiative Wallis für eine Lockerung des Bundesgesetzes über den Schutz der Gewässer (18.310) |
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Standesinitiative Thurgau zu Integrationskosten (19.303) |
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Standesinitiative Genf zum Verbleib der TV-Nachrichtenabteilung in Genf (19.306) |
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Standesinitiative Genf für eine einfachere Bekämpfung sexueller Belästigung (19.317) |
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Parlamentarische Initiative 1. Phase (gebündelte Abstimmungen um circa 12:45) |
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Ab 15:00: |
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Motion zur zukunftsfähige Daten-Infrastruktur und Daten-Governance in der Bundesverwaltung (20.4260) |
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Vorstösse zur Lohngleichheit (20.400; 20.4263) |
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Vorlage zur Abschaffung der Stempelsteuer - Entwurf 1, Sistierung (09.503) |
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Parlamentarische Vorstösse aus dem EFD (gebündelte Abstimmungen) |
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Parlamentarische Initiativen 1. Phase, Fortsetzung (gebündelte Abstimmungen um circa 18:45) |