(sda) Der Ständerat hat am Dienstag anlässlich einer Interpellation den Beitritt der Schweiz zum Atomwaffenverbotsvertrag diskutiert. Obwohl das Parlament sich deutlich für den Beitritt aussprach, will der Bundesrat abwarten. Der Bundesrat missachte den Entscheid des Parlaments, hiess es im Rat.

Die Interpellation eingereicht hatte Ständerat Carlo Sommaruga (SP/GE). Er warf dem Bundesrat vor, einen verbindlichen politischen Auftrag des Parlaments nicht umzusetzen. 2018 habe das Parlament mit einer Motion den Bundesrat beauftragt, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen und umgehend zu ratifizieren.

Der Atomwaffenverbotsvertrag ist am 22. Januar dieses Jahres in Kraft getreten. Der Vertrag verbietet Entwicklung, Produktion, Test, Erwerb, Lagerung, Transport, Stationierung und den Einsatz von Kernwaffen. Ausserdem ist die Drohung mit diesen Waffen verboten.

Die Unterzeichnung des Vertrags sei ein Entscheid des Parlaments und nicht ein Entscheid von Experten, die die Kompatibilität mit anderen Verträgen prüften, sagte Sommaruga weiter. Es gebe keine "Expertenpolitik". "Der politische Entscheid zum Atomwaffenvertrag ist vom Parlament bereits getroffen worden.

Eindeutiger Auftrag des Parlaments

Sein Fraktionskollege Paul Rechsteiner (SP/SG) ergänzte, dass eine Motion ein bindender Auftrag des Parlaments an den Bundesrat sei. "Wenn wir in der Antwort des Bundesrat auf die Interpellation nun lesen, dass der Bundesrat die Situation wieder prüfe, dann ist dies nicht richtig." Eine Motion sei kein Postulat, führte Rechsteiner weiter aus. Ein Postulat sei ein Prüfauftrag. "Es ist eine Missachtung des Willens des Parlaments, wenn dieser Vertrag nicht unterschrieben wird. Die Motion ist eindeutig formuliert und wurde eindeutig an den Bundesrat überwiesen."

Verständnis für die abwartende Haltung des Bundesrats zeigte hingegen Thomas Hefti (FDP/GL). Der Bundesrat sei zu Recht vorsichtig. "Die Entwicklung der Atomwaffen wird durch den Beitritt der Schweiz zum Vertrag nicht gestoppt. Wir riskieren jedoch, Staaten wie Grossbritannien und die USA zu schwächen, wenn wir diesen Vertrag unterschreiben."

Bundesrat wartet weiterhin ab

Die Schweiz werde den Vertrag wie die meisten europäischen Staaten vorerst nicht unterschreiben, hielt Aussenminister Ignazio Cassis schliesslich fest.

Zuerst müsse geprüft werden, welchen Einfluss der Atomwaffenverbotsvertrag auf den Atomwaffensperrvertrag (NPT) habe. Dieser Expertenbericht sei abzuwarten. Der Atomwaffensperrvertrag habe 193 Mitglieder. Dieser Vertrag dürfe nicht in Gefahr gebracht werden. "Wenn der Sperrvertrag nicht mehr eingehalten wird, weil sich die Staaten auf den Atomwaffenverbotsvertrag berufen, dann ist das Ziel einer sichereren Welt nicht erreicht."

Der Atomwaffensperrvertrag aus dem Jahr 1970 beinhaltet das Verbot der Verbreitung und die Verpflichtung zur Abrüstung von Kernwaffen sowie das Recht auf die "friedliche Nutzung" der Kernenergie. Nur Indien, Israel, Pakistan und Südsudan sind nicht Mitglied des Atomwaffensperrvertrags.

Die Neubeurteilung des Bundesrats stellte Cassis frühsten auf Ende des Jahres in Aussicht.