(sda) Der Nationalrat will die Strafprozessordnung in einigen Punkten anpassen. Gegen den Willen der SVP hat er am Donnerstag entschieden, die Vorlage zu beraten und nicht zurückzuweisen. Nun beginnt das Feilen an den Details.

Angepasst werden sollen mehrere Punkte in der erst zehnjährigen Strafprozessordnung. Schon kurz nach deren Inkrafttreten wies die Praxis auf Probleme hin, es folgten parlamentarische Vorstösse. Der Bundesrat hat die Anliegen nun in einer Vorlage zusammengefasst.

Zur Debatte stehen unter anderem die Einschränkung der Teilnahmerechte für Beschuldigte, zusätzliche Möglichkeiten für den Einbezug von DNA-Profilen in Verfahren und die "justice restaurative", die die Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrates (RK-N) in die Vorlage aufgenommen hat.

Rückweisungsantrag abgelehnt

Eine von Yves Nidegger (SVP/GE) angeführte Minderheit wollte die Vorlage an den Bundesrat zurückweisen, unterlag aber mit 53 gegen 137 Stimmen. Der "übermässige administrative Aufwand" für die Polizei, der Verfahren verlangsame und viele Ressourcen verschlinge, müsse berücksichtigt werden, fand die Minderheit.

Auch sei die Balance zwischen Opferschutz und dem Anliegen, Täter so schnell wie möglich dingfest zu machen, nicht erreicht, stellte Pirmin Schwander (SVP/SZ) fest. Die SVP wolle in der Detailberatung Korrekturen beantragen. Justizministerin Karin Keller-Sutter wies Vorwürfe zurück, dass bei der Arbeit an der Vorlage nicht alle beteiligten Kreise einbezogen worden seien.

Die Rk-N unterstützt die Vorlage grundsätzlich und verabschiedete die Revision mit 17 zu 0 Stimmen und 8 Enthaltungen. Details werden nun zu reden geben: Drei Dutzend Minderheitsanträge und ein Bündel Einzelanträge liegen dem Plenum vor.

Im Gegensatz zum Bundesrat will die Mehrheit der RK-N die Teilnahmerechte am Verfahren für Beschuldigte nicht einschränken. Gemäss Bundesrat sollen Beschuldigte bei Beweiserhebungen - etwa der Einvernahme von Zeugen oder Personen, die im gleichen Verfahren beschuldigt sind - nicht dabei sein dürfen, bevor sie sich selbst geäussert haben.

Heute dürfen alle Parteien im Verfahren an allen Beweiserhebungen teilnehmen. Beschuldigte hätten das Recht, die Aussage zu verweigern, kritisierte Min Li Marti (SP/ZH) die vorgeschlagene Einschränkung. Der Gesetzgeber müsse ein faires Verfahren für alle Beteiligten ermöglichen.

Die Fdp ist sich bei der Beschränkung der Teilnahmerechte nicht einig, wie Christa Markwalder (BE) berichtete. Einerseits gehe es um den Opferschutz. Anderseits bestehe Kollusionsgefahr, etwa bei Verfahren gegen Banden. Die GLP wiederum will wie die SVP einer Verschärfung bei den Teilnahmerechten zustimmen.

Die Vorlage des Bundesrates gehe klar zu Lasten der Beschuldigten, die Staatsanwälte hätten stark lobbyiert, sagte Sibel Arslan (Grüne/BS). Kritische Punkte wollten die Grünen deshalb in der Detailberatung zur Sprache bringen.

"Justice restaurative"

Die Rk-N will das Konzept der opferorientierten Justiz ("justive restaurative") in die Strafprozessordnung aufnehmen. Der Bundesrat lehnt das ab. Das Konzept sieht vor, dass sich beide Parteien in einem Strafverfahren auf ein Mediationsverfahren einigen können. Dessen Ergebnis kann die Strafverfolgungsbehörde berücksichtigen.

Für die Verfolgung von Kinderpornografie und sexuellen Handlungen mit Minderjährigen will die RK-N Ermittlern und Ermittlerinnen mehr Mittel in die Hand geben. Sie beantragt dem Rat einstimmig, die verdeckte Ermittlung in diesem Bereich zu erleichtern.