(sda) Strafrecht: Wer ein Raserdelikt begeht, muss künftig nicht mehr zwingend eine Freiheitsstrafe absitzen. Nach dem Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat die Mindeststrafe aufgehoben. Damit dürfen Raser wieder mit reinen Geldstrafen sanktioniert werden. Der Entscheid in der kleinen Kammer fiel mit 33 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung. Laut Beat Rieder (Mitte/VS), Präsident der Rechtskommission des Ständerats (RK-S), wird damit "ein Missgriff" der "Via sicura"-Vorlage rückgängig gemacht. Ein grösserer Ermessensspielraum für Richter sei notwendig, sagte Philippe Bauer (FDP/NE). Der Umgang mit sogenannten Raserdelikten ist Thema bei der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen. Einige Punkte dieser umfassenden Reform sind noch nicht geklärt. Die Vorlage geht deshalb zurück an den Nationalrat.

Asyl I: Der Bund erhält künftig das Recht, Handys, Tablets und andere elektronische Datenträger von Asylsuchenden auszuwerten. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat einer entsprechenden Vorlage zugestimmt. Die kleine Kammer nahm die Änderungen des Asylgesetzes gegen den Willen von SP und Grünen mit 30 zu 12 Stimmen an. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung. Gemäss dem Parlamentsbeschluss kann das Staatssekretariat für Migration (SEM) künftig dann mobile Datenträger auswerten, wenn die Identität, die Nationalität oder der Reiseweg des Asylsuchenden aufgrund der Identitätsausweise oder auf andere Weise nicht festgestellt werden kann.

Asyl II: Vorläufig in der Schweiz aufgenommene Personen sollen grundsätzlich nicht reisen dürfen - auch nicht im Schengen-Raum. Anders als der Nationalrat will der Ständerat Reisen etwa für die Ausbildung oder den Besuch von Familienangehörigen nicht erlauben. Die kleine Kammer folgte ihrer Staatspolitischen Kommission (SPK). Mit 26 zu 14 Stimmen wurde der Vorschlag des Nationalrats abgelehnt. Die Mehrheit war der Auffassung, dass die Ausnahmen für Reisen im Schengen-Raum weiterhin auf Verordnungsstufe geregelt und im Einzelfall bewilligt werden sollen. Die Vorlage geht zurück an den Nationalrat.

Asyl III: Abgewiesene Asylsuchende sollen künftig zu einem Covid-Test gezwungen werden können, wenn dieser für die Ausschaffung verlangt wird. Nach dem Nationalrat hat der Ständerat der Einführung solcher Tests zugestimmt, mit 31 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung. Wegen der Dringlichkeit geht das Geschäft nochmals an den Nationalrat. Die Tests müssen von spezifisch geschultem medizinischen Personal durchgeführt werden und dürfen nicht gemacht werden bei Jugendlichen unter 15 Jahren und wenn der Test die Gesundheit der betroffenen Person gefährdet.

Bundesanwaltschaft: Die Bundesanwaltschaft und ihre Aufsicht sollen mit einer Gesetzesrevision reformiert werden. Dieser Meinung ist der Ständerat. Er hat eine entsprechende Motion seiner Rechtskommission oppositionslos gutgeheissen. Grundlage für die sanfte Reform sollen verschiedene Berichte bilden, die in den vergangenen Monaten publiziert wurden - darunter der Schlussbericht der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte. Diese schlugen eine "Status quo plus"-Lösung vor. Damit bliebe die Bundesanwaltschaft eigenständig und würde weiterhin von einer unabhängigen Aufsichtsbehörde kontrolliert. Der Startschuss könnte schon bald erfolgen. Der Nationalrat berät in den nächsten Wochen über einen gleichlautenden Vorstoss seiner Kommission.

Krankenversicherung I: Der Ständerat will Vermittlungsprovisionen für Wechsel in der Grundversicherung der Krankenkasse nicht gänzlich verbieten. Die kleine Kammer hat eine Standesinitiative aus St. Gallen mit 29 zu 11 Stimmen abgelehnt. Der Kanton hatte argumentiert, dass Krankenkassen wegen Kassenwechseln jährlich "hunderte von Millionen Franken" an Vermittler überweisen würden. Bezahlen würden dies die Versicherten. Das Parlament habe auf dieses Problem bereits reagiert, sagte Kommissionssprecher Josef Dittli (FDP/UR). Auch die Branche habe gehandelt und eine Selbstregulierung verabschiedet. Diese sei nicht verbindlich und könne umgangen werden, monierte Marina Carobbio Guscetti (SP/TI) vergeblich. Nach dem zweiten Nein des Ständerats ist das Geschäft erledigt.

Krankenversicherung II: Der Ständerat will nicht, dass Kantone per Gesetz eine kantonale, regionale oder interkantonale Einrichtung schaffen können, welche die Krankenkassenprämien festlegt und erhebt. Er hat einer entsprechenden Standesinitiative des Kantons Neuenburg keine Folge gegeben. Die Mehrheit im Ständerat befürchtete, dass die Umsetzung das Krankenversicherungsgesetz grundlegend ändern würde. Die Ratslinke warb vergeblich für das Anliegen. Das Geschäft geht an den Nationalrat.

Terrorismus: Der Ständerat hält am Auftrag an den Bundesrat fest, sich für einen besseren Rechtsschutz bei Uno-Sanktionen gegen Terrorverdächtige starkzumachen. Er hat die Frist für eine Motion von 2009 um ein weiteres Jahr verlängert. Der Vorstoss geht auf den früheren Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty zurück. Die Aussenpolitische Kommission (APK) des Ständerats will die Verlängerung nutzen, um zu prüfen, ob an der Motion Anpassungen vorgenommen werden müssen. Aussenminister Ignazio Cassis bekräftigte im Rat, dass die Schweiz ihre Bemühungen für einen besseren Rechtsschutz für von Sanktionenregimes der Uno betroffene Personen fortsetzen wolle. Über die Fristverlängerung entscheidet nun noch der Nationalrat.

Olympische Spiele: Falls der Bund in der Schweiz Olympische Spiele unterstützt, sollen sich die Stimmberechtigten nicht dazu äussern können müssen. Der Ständerat hat es mit 27 zu 9 Stimmen abgelehnt, das Sportförderungsgesetz anzupassen. Eine entsprechende parlamentarische Initiative aus der SP-Fraktion ist damit vom Tisch. Grossanlässe seien in erster Linie Sache der Kantone, in denen sie stattfinden, befand die Mehrheit des Rats. Aus diesem Grund sollten auch weiterhin die Kantone für die Entscheide zuständig sein. Eine Minderheit war dagegen der Ansicht, dass die gesamte Schweizer Bevölkerung über die Ausrichtung von Olympischen Spielen befinden können sollte. Schliesslich würden solche Anlässe oft mehrere Kantone betreffen und die Bundesfinanzen belasten.

Flüchtlinge: Der Ständerat will Personen, die sich ohne regulären Status in der Schweiz aufhalten, keine weiteren Hilfsmassnahmen zur Verfügung stellen - auch angesichts der Corona-Pandemie oder möglicher anderer Krisen nicht. Die Betroffenen hätten bereits Anspruch auf Nothilfe inklusive einer medizinischen Notfallversorgung, lautete die Begründung. Die kleine Kammer lehnte eine entsprechende Motion von SP-Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider (JU) mit 27 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Die Covid-19-Sicherungsnetze seien an diesen Personen vorbeigegangen, sagte Mathias Zopfi (Grüne/GL), der vergeblich für die Annahme der Motion warb. In mehreren Städten hätten zahlreiche dieser Personen Schlange stehen müssen, um Lebensmittel zu besorgen. Der Bundesrat lehnte das Anliegen ab. Es ist vom Tisch.

Bundesstrafgericht: Der Ständerat fordert, dass an der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona eine vierte Richterstelle geschaffen wird. Er hat einer entsprechenden Vorlage oppositionslos zugestimmt. Laut Beat Rieder (Mitte/VS), Präsident der Rechtskommission, ist zumindest eine zusätzliche Richterstelle deutscher Sprache langfristig notwendig, um die Geschäftslast bewältigen zu können. Der Bundesrat begrüsst den Vorschlag. Die Vorlage geht nun an den Nationalrat.

Kantonsverfassungen: Die geänderten Verfassungen der Kantone Uri, Schaffhausen, Aargau, Tessin und Genf entsprechen den Anforderungen der Bundesverfassung. Der Ständerat hat sie daher stillschweigend gutgeheissen. Wenn ein Kanton seine Verfassung ändert, muss dieser durch das Parlament die eidgenössische Gewährleistung erteilt werden. Diese wird erteilt, wenn die kantonale Verfassung dem Bundesrecht nicht widerspricht. Diese Voraussetzungen seien erfüllt, hiess es im Ständerat. Die Gewährleistung muss auch noch vom Nationalrat erteilt werden. Der Bundesrat hatte dem Parlament beantragt, die Gewährleistung zu erteilen.

Völkerrechtsverträge: Der Ständerat hat als Erstrat den Bericht über die abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge aus dem Jahr 2020 zur Kenntnis genommen. Die Anzahl der Verträge sei relativ stabil geblieben, sagte Aussenminister Ignazio Cassis. Insgesamt seien 816 Verträge und 518 Abkommen abgeschlossen sowie 298 Änderungen vorgenommen worden. Das seien etwas weniger Abschlüsse, dafür etwas mehr Änderungen als im Vorjahr. Das Geschäft geht an den Nationalrat.

Die Traktanden des Ständerats für Donnerstag, 16. September (08:15 bis 13:00):

Bern Änderung Bankengesetz betreffend Insolvenz, Einlagensicherung, Segregierung (20.059; 15.073)
Vorlage zur Erhöhung des Kita-Abzugs bei den Bundessteuern (20.455)
Nachtrag II zum Voranschlag 2021 (21.042)
Vorstösse zum Verkauf der Ruag Ammotec (21.3979; 19.3154)
Motion zum internationalen Online-Versandhandel (18.3315)
Motion "Keine Behinderung der hausärztlich koordinierten Versorgung durch den Fiskus" (19.3892)
Vorlage zum Lohndeckel bei den bundesnahen Betrieben (16.438; 18.428)