(sda) Flugreisen: Der Nationalrat will neue Regeln zur Verwendung der Verkehrsmittel für Reisen von Parlamentsmitgliedern etablieren. Nur wenn die Zugreise länger als sechs Stunden dauert oder eine zusätzliche Übernachtung notwendig ist, soll ein Flugticket bezahlt werden. Die grosse Kammer hat am Dienstag einer entsprechenden Vorlage mit 114 zu 64 Stimmen bei 5 Enthaltungen zugestimmt. Stimmt auch der Ständerat zu, unterliegen Parlamentarier und Parlamentarierinnen künftig den gleichen Regeln wie Mitarbeitende der Bundesverwaltung.

Wef: Nach hörbarer Kritik aus der Politik will sich das World Economic Forum (WEF) stärker an den Sicherheitskosten des Anlasses beteiligen. Das Parlament hat nun dem Bundesbeitrag an die nächsten drei Jahrestreffen in Höhe von jährlich 2,55 Millionen Franken zugestimmt. Aus Sicht der Kommissionsmehrheit sei das nationale Interesse an der Durchführung des WEF-Jahrestreffen aufgrund der internationalen Ausstrahlungskraft hoch. Die Fraktionen von SVP, Mitte, FDP und GLP befürworteten deswegen die durch den Bund gewährleistete Unterstützung. Ein Teil der Ratslinken wollte nicht auf das Geschäft eintreten. Franziska Roth (SP/SO) kritisierte die fehlende Transparenz der privaten WEF-Stiftung. Das sei angesichts der hohen Beteiligung der öffentlichen Hand nicht hinnehmbar.

Sicherheitspolitik: Die Schweiz kann künftig auf das französische Satellitensystem Composante Spatiale Optique (CSO) zugreifen, um zu hochwertigem Bildmaterial zu gelangen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einem bilateralen Abkommen und einem Verpflichtungskredit von 82 Millionen Franken zugestimmt - mit 146 zu 36 Stimmen bei 3 Enthaltungen. Frankreich stationiert 2022 mit CSO drei hochmoderne Bildaufklärungssatelliten im Weltraum. Der jährliche Betrieb und Unterhalt schlägt für die Schweiz mit 2,5 Millionen Franken zu Buche. Das Projekt bringe eine markante Steigerung des Nutzens für nachrichtendienstliche Zwecke und sei mit der Neutralität vereinbar, sagte Verteidigungsministerin Viola Amherd im Rat.

Bundesanwaltschaft: Die Bundesanwaltschaft und ihre Aufsicht sollen mit einer Gesetzesrevision reformiert werden. Dieser Meinung ist nach dem Ständerat auch der Nationalrat. Er hat eine entsprechende Motion gutgeheissen - mit 128 zu 45 Stimmen bei einer Enthaltung. Nun kann sich der Bundesrat an die Arbeit machen. Im Vordergrund steht eine "Status quo plus"-Lösung, wie sie die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) beider Räte vorgeschlagen hat. Damit bliebe die Bundesanwaltschaft eigenständig und würde weiterhin von einer unabhängigen Aufsichtsbehörde kontrolliert. Allerdings müssten die Kompetenzen der Aufsicht geklärt und gestärkt werden, empfahlen die GPK. Es stelle sich auch die Frage, ob die Bundesanwaltschaft vielleicht besser im Kollegium geleitet würde.

Parlament: In der Schweiz soll eine ständige parlamentarische Delegation bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geschaffen werden. Der Nationalrat hat als Zweitrat einer entsprechenden Vorlage zugestimmt. Der Entscheid fiel mit 120 zu 52 Stimmen bei 5 Enthaltungen. Eine grössere Nähe zur Organisation und deren Personal sei nützlich, begründete Kommissionssprecher Martin Landolt (Mitte/GL) die Notwendigkeit einer ständigen Delegation. Die Mitglieder der Bundesversammlung könnten so von der OECD regelmässig über den Stand der laufenden Arbeiten informiert werden, begrüsste auch der Bundesrat den Schritt. Dies sei ein Mehrwert. Die SVP stellte dies in Abrede beantragte erfolglos Nichteintreten auf die Vorlage.

Asyl: Abgewiesene Asylsuchende sollen künftig zu einem Covid-Test gezwungen werden können, wenn dieser für die Ausschaffung verlangt wird. Nachdem das Parlament einer entsprechenden Vorlage zugestimmt hatte, bejahte der Nationalrat nun die Dringlichkeit des Gesetzes, mit 103 zu 76 Stimmen jedoch nur knapp. Damit die Dringlichkeitsklausel in Kraft tritt, benötigt es die absolute Mehrheit in beiden Räten. Als nächstes ist der Ständerat am Zug. Stimmt auch er mit der notwendigen Stimmenzahl zu, kann das Gesetz zur Durchsetzung von Zwangstests unmittelbar nach den Schlussabstimmungen am Ende der Herbstsession in Kraft treten - unabhängig davon, ob später ein Referendum gegen die Vorlage zustande kommt.

Bundesverfassung: 2023 soll das 175-jährige Bestehen der Bundesverfassung von 1848 im und um das Bundeshaus gebührend gefeiert werden. Der Nationalrat hat einen Vorstoss von Ständerat Hans Stöckli (SP/BE) als Zweitrat mit 120 zu 50 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Einzig die SVP wehrte sich aus finanziellen und ordnungspolitischen Gründen gegen das Vorhaben. Zentraler Festakt wird ein Tag der offenen Tür für die Bevölkerung im Parlamentsgebäude und weiteren Gebäuden des Bundes sein. Auf dem Bundesplatz könnten Konzerte stattfinden.

Flüchtlinge: Die Schweiz soll sich nicht am Verteilmechanismus der europäischen "Koalition der Willigen" für die im Mittelmeer geretteten Menschen beteiligen. Der Nationalrat hat fünf gleichlautende Vorstösse mit 97 zu 92 Stimmen abgelehnt. Die knappe Mehrheit schloss sich damit den Argumenten von Justizministerin Karin Keller-Sutter an. Sie sagte im Rat, die Seenotrettung sei zwar eine humanitäre und völkerrechtliche Pflicht. Es mache aber keinen Sinn, bei der Verteilung das Dublin-System zu unterlaufen. Die Schweiz unterstütze die Mittelmeer-Anrainerstaaten in anderem Rahmen. Die Befürworter einer Beteiligung sprachen von einer unhaltbaren Situation auf dem Mittelmeer und einem unwürdigen Tauziehen der europäischen Staaten bei der Verteilung der Flüchtlinge.

Kinderpornografie: Der Bundesrat muss einen Bericht verfassen zur Rolle der Bundespolizei (Fedpol) bei der Bekämpfung der Pädokriminalität im Internet. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Yvonne Feri (SP/AG) mit 127 zu 62 Stimmen überwiesen. Feri hegt den Verdacht, dass eine wirksame Bekämpfung an fehlenden personellen und technischen Ressourcen des Fedpol scheitert. Ebenfalls vom Rat überwiesen wurde ein Postulat von Fabio Regazzi (Mitte/TI), das dem Livestreaming von Kindesmissbrauch im Internet einen Riegel schieben soll. Justizministerin Karin Keller-Sutter hielt vergeblich dagegen, entsprechende Berichte brächten keinen Mehrwert. In der Sache selbst seien die Kantone zuständig und verfügten über die dafür geeigneten Instrumente.

Überwachung: Der Bundesrat muss gegen seinen Willen Massnahmen aufzeigen, ob und wie Überwachungsmassnahmen für Anbieter von Dienstleistungen im Fernmeldebereich verhältnismässig und KMU-freundlicher umgesetzt werden können. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von alt Nationalrat Albert Vitali (FDP/LU) mit 120 zu 66 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Kleine Anbieter müssten vermehrt von Überwachungspflichten und damit von unnötigen Kosten befreit werden. Dieses "Downgrade" werde aber zu wenig umgesetzt respektive müsse automatisiert werden.

Gewalt: Der Nationalrat hat sich vorerst gegen härtere Strafen bei Gewalt und Drohung gegen Beamte und Rettungskräfte ausgesprochen. Mit Blick auf die ohnehin bereits laufende Harmonisierung der Strafrahmen im Strafgesetz lehnte er eine entsprechende Motion von Peter Keller (SVP/NW) mit 104 zu 83 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab. Der Vorstoss sei damit von der Aktualität bereits überholt, sagte Justizministerin Karin Keller-Sutter im Rat. Keller wollte den Strafrahmen für Angriffe von drei auf fünf Jahre erhöhen.

Volksrechte I: Der Bundesrat soll untersuchen, ob das elektronische Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden künftig eine Option sein könnte. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat seiner Staatspolitischen Kommission (SPK) überwiesen. Im bestellten Bericht sollen insbesondere die staatspolitischen Auswirkungen sowie die möglichen Folgen des E-Collecting auf das politische System der Schweiz aufgezeigt werden. Dies unter anderem in Bezug auf die verfassungsmässig festgelegten Quoren und Fristen sowie die Unterschiede der Sammlung von Unterschriften im öffentlichen wie digitalen Raum. Der Bundesrat war mit dem Vorstoss einverstanden, die SVP-Fraktion lehnte ihn ab. Sie ist grundsätzlich gegen die Einführung von E-Collecting.

Volksrechte II: Der Nationalrat will bezahlte Unterschriftensammlungen bei Initiativen und Referenden nicht verbieten. Er hat eine Motion von alt SP-Nationalrat Mathias Reynard (VS) mit diesem Anliegen abgelehnt. Damit ist der Vorstoss erledigt. Die Forderung nach einem Verbot des bezahlten Sammelns wurde nicht zum ersten Mal erhoben. Wie früher stemmte sich der Bundesrat auch dieses Mal gegen ein Verbot. Ein solches wäre "unverhältnismässig und nicht zielführend", argumentierte Bundeskanzler Walter Thurnherr. Der Kanton Genf kennt heute als einziger Kanton eine Gesetzesbestimmung, die bezahlte Unterschriftensammlungen bestraft - jedoch nur dann, wenn ein direkter Zusammenhang zwischen der Anzahl der gesammelten Unterschriften und der Höhe der Bezahlung besteht.

Sportförderung: Wie viele Bundesgelder fliessen in die Nachwuchsförderung von jungen Sportlerinnen? Wie viele gehen an den männlichen Nachwuchs? Diese Fragen möchte der Nationalrat geklärt haben. Er hat ein entsprechendes Postulat von Aline Trede (Grüne/BE) an den Bundesrat überwiesen - mit 83 zu 80 Stimmen. Trede rennt mit ihrem Anliegen offene Türen ein bei der Regierung. Diese zeigte sich bereit, eine neue Analyse durchzuführen. Die letzte datiert aus dem Jahr 2000. SVP, FDP und ein Teil der Mitte-Fraktion stemmten sich erfolglos gegen den Vorstoss. Diana Gutjahr (SVP/TG) sprach von "weiteren Seiten Papier für nichts".

Linksextremismus: Die Gruppierung Antifa (Antifaschistische Aktion) wird nicht verboten. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Andreas Glarner (SVP/AG) mit 137 zu 52 Stimmen abgelehnt. Laut Verteidigungsministerin Viola Amherd ist die linksextreme Szene zwar eine ernstzunehmende Bedrohung, und gewaltsame Aktionen hätten jüngst zugenommen. Eine akute Bedrohung für das Staatswesen sei indes nicht auszumachen. Glarner verlangte die Einstufung der Antifa als terroristische Gruppierung und deren Verbot. In vielen grossen Städten diktiere sich durch gewalttätige Störaktionen gegen Andersdenkende, "welche Demonstrationen erlaubt sind und welche nicht".

Kantonsverfassungen: Die geänderten Verfassungen der Kantone Uri, Schaffhausen, Aargau, Tessin und Genf entsprechen den Anforderungen der Bundesverfassung. Nach dem Ständerat hat daher auch der Nationalrat der Gewährleistung stillschweigend zugestimmt. Im Kanton Genf betrifft die Verfassungsänderung vier Gegenstände, darunter den Steuerwettbewerb und die Umsetzung der Steuerreform des Bundes. Im Aargau geht es um die Umsetzung des Bundesgesetzes über Geldspiele und die Zuständigkeiten der Schulbehörden. Der Kanton Schaffhausen bringt Änderungen an bei der Offenlegung der Politikfinanzierung. In Uri geht es um die Notrechtsklausel, im Tessin um den Grundsatz der Subsidiarität. Sämtliche Gegenstände wurden in kantonalen Volksabstimmungen angenommen.

Die Traktanden des Nationalrats für Mittwoch, 22. September (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00):

Bern Parlamentarische Vorstösse aus dem EDI, Fortsetzung
Bundesgesetz über Tabakprodukte, Differenzen (15.075)
Organspendeinitiative und Gegenvorschlag, Differenzen (20.090)
Vorlage zur Erhöhung des Kita-Abzugs bei den Bundessteuern, Differenzen (20.455)
Engagement der Schweiz im europäischen Frontex-Programm (20.064)
Nachtragskredite zum Budget 2021 (21.042)
Immobilienbotschaft EFD 2021 (21.045)
Vorlage zum Anheben der Umsatzgrenze für die Befreiung von der Mehrwertsteuerpflicht für Sport- und Kulturvereine (17.448)
Motion zur Verkürzung der Frist zur Abgrenzung von Neubauten zu bestehenden Bauten bezüglich steuerlicher Abzugsfähigkeit (20.4572)
Vorstösse zur Schaffung einer Schweizerischen Erdbebenversicherung (20.4329; 14.054; 19.307)
Parlamentarische Vorstösse aus dem EFD
Parlamentarische Initiativen 1. Phase (gebündelte Abstimmungen um circa 18:45)