(sda) Strafverfolgung: Ermittler sollen in Kriminalfällen künftig die an einem Tatort gefundene DNA eines mutmasslichen Täters besser nutzen können. Wie der Nationalrat hat am Mittwoch auch der Ständerat der Phänotypisierung als Ermittlungsmethode zugestimmt. Damit kann aus DNA etwa die Haar- und Augenfarbe oder das Alter bestimmt werden. Zudem wird die Suche nach Verwandtschaftsbezügen auf eine Gesetzesgrundlage gestellt. Aus Sicht der vorberatenden Kommission stellen die Methoden aber einen weitgehenden Eingriff in die Grundrechte dar. Der Rat definierte daher einen Deliktskatalog, welcher etwa Tötung, Mord und Totschlag, Verstümmelung weiblicher Genitalien, Freiheitsberaubung, sexuellen Handlungen mit Minderjährigen und Vergewaltigung umfasst. Das Geschäft geht zurück an den Nationalrat.

Coronavirus - Schweiz: Abgewiesene Asylsuchende können künftig zu einem Covid-Test gezwungen werden, wenn der Test für die Wegweisung, Ausschaffung oder Überstellung in einen anderen Dublin-Staat notwendig ist. Beide Räte haben dieser Änderung des Ausländerrechts bereits zugestimmt. Der Ständerat hat nun noch mit 40 zu einer Stimme beschlossen, das Gesetz als dringlich zu erklären, wie zuvor bereits der Nationalrat. Mit diesem Schritt kann das Gesetz nach der Schlussabstimmung per sofort in Kraft treten. Ein allfälliges Referendum kommt erst nachträglich zum Zug. Wenn ein Gesetz als dringlich erklärt wird, muss es zeitlich befristet werden. Die Gesetzesänderung gilt daher bis Ende 2022. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.

Personenfreizügigkeit: Der Ständerat ist dagegen, die Personenfreizügigkeit in stark von der Covid-19-Krise betroffenen Regionen auszusetzen. Er lehnte eine entsprechende Motion des Tessiner Ständerats und SVP-Präsidenten, Marco Chiesa, mit 27 zu 7 Stimmen ab. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt sei sehr angespannt, begründete Chiesa seine Motion. Die flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit hätten sich als absolut unwirksam erwiesen. Es müsse "unverzüglich" der Gemischte Ausschuss Schweiz-EU einberufen werden, damit die Personenfreizügigkeit, wo gewünscht, ausgesetzt werden könne. Chiesa fand im Rat jedoch keine Mehrheit für sein Anliegen. Es ist damit vom Tisch.

Gerichte: Einigen sich ein Kläger und die Schweiz vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gütlich, wird der Strafregistereintrag künftig gelöscht. Der Ständerat hat als Zweitrat mit 31 zu 0 Stimmen dafür gestimmt, diese Gesetzeslücke zu schliessen. Heute ist dies nicht möglich, weil eine Löschung des Eintrags im Strafregister eine Revision durch das Bundesgericht benötigt. Eine solche Revision ist wiederum nur bei einer Verurteilung der Schweiz möglich, nicht aber bei einer gütlichen Einigung. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.

Überwachung: Das Parlament regelt zwei Artikel zur Analysefunktion im Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs BÜPFS neu im Gesetz und nicht mehr in Verordnungen. Nach dem Nationalrat hat auch der Ständerat den Gesetzesänderungen zugestimmt. Wie Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte, gehe es nicht darum, eine neue Funktionalität einzuführen, sondern eine gesetzgeberische Pendenz zu bereinigen. Die Vorlage habe auch einen finanziellen Aspekt. So könnten die Kantone anstatt eigene Analysesysteme zu nutzen, auf das zentrale System zugreifen. Der Entscheid fiel im Ständerat mit 38 zu 0 Stimmen. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.

Stiftungen: Bei der Modernisierung des Schweizer Stiftungsrechts gibt es noch zwei Differenzen zwischen den Räten. So hatte der Nationalrat den Kreis der Personen erweitert, die für eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde legitimiert sind. Aus Sicht des Ständerats ist dabei der Begriff der Personen mit "berechtigtem Kontrollinteresse" zu ungenau definiert. Zudem soll nach Ansicht des Nationalrats im Gesetz festgehalten werden, dass Stiftungsräte, die steuerlich befreit sind, eine "angemessene Entschädigung" erhalten können. Diese Massnahme berge das Risiko, dass Gelder der Stiftungen bei den zweckmässigen Einsätzen fehlten, sagte Kommissionssprecher Beat Rieder (Mitte/VS). Zudem bestehe ein Missbrauchspotential. Das Geschäft geht zurück an den Nationalrat.

Menschenrechte: Der Ständerat ist dagegen, die Regeln bei Polizeikooperationen mit anderen Ländern enger zu fassen. Der Genfer SP-Ständerat Carlo Sommaruga wollte mit einer Motion erreichen, dass Kooperationen mit Staaten, die Menschenrechte schwerwiegend verletzten, verhindert werden. Sommaruga verwies auf eine Kooperation mit China, "einem Land, das die Menschenrechte schwer verletzt und das in der Schweiz chinesische Staatsangehörige überwacht, die ethnischen Minderheiten angehören". Wenn man mit solchen Staaten zusammenarbeite, legitimiere man deren Verhalten. Es sei wichtig, dies zu verhindern. Der Rat lehnte die Motion aber mit 24 zu 13 Stimmen ab. Die Motion ist damit vom Tisch.

Grundrechte: Der Ständerat hat zwei Motionen, die eine Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen verlangen, an die zuständige Kommission zur Vorprüfung überwiesen. Bürgerinnen und Bürger können ihre Grundrechte, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert werden, vom Bundesgericht gegenüber dem Bundesgesetzgeber rechtlich durchsetzen. Dies gilt aber nicht für andere Grundrechte wie etwa Eigentumsrechte oder die Rechtsgleichheit. Mit der Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit könnte dies möglich werden. Die Motionen gehen an die zuständige Ständeratskommission.

Die Traktanden des Ständerats für Donnerstag, 23. September (08:15 bis 13:00):

Bern Armeebotschaft 2021 (21.023)
Sportanlagen von nationaler Bedeutung. Finanzhilfen (NASAK 5) (21.030)
Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (20.016)
Motion Ordnungsbussen. Die Personen schützen, die Ordnungsbussen verhängen (20.3388)
Motion Lücken in der Integrationsagenda füllen. Chancengerechtigkeit für alle Jugendlichen in der Schweiz (21.3964)
Motion Schutz der Herkunftsangabe "Schweiz". Stopp chinesischer Piraterieware (21.3591)
Vorlage zur steuerlichen Entlastung für familienexterne Kinderbetreuung, Differenzen (20.455)