(sda) Schweiz - Eu I: Die Schweiz kann den seit zwei Jahren ausstehenden Kohäsionsbeitrag in Höhe von 1,3 Milliarden Franken an die EU auszahlen. Nach dem Ständerat hat am späten Donnerstagabend auch der Nationalrat entschieden, die entsprechenden Rahmenkredite ohne neue Bedingungen freizugeben. Am Ende war das Verdikt deutlich: Mit 131 zu 55 Stimmen bei einer Enthaltung nahm die grosse Kammer die Vorlage an. Die Gegner - neben der SVP auch einzelne Vertreterinnen und Vertreter der Mitte - waren mit ihren Anträgen chancenlos. Der Bundesrat kann nun entsprechend handeln und auf ein positives Zeichen der EU hoffen.

Schweiz - Eu II: Der Bundesrat soll dem Parlament in der kommenden Wintersession die Finanzierungsbotschaft für die Vollassoziierung an das EU-Programm Erasmus plus vorlegen. Der Nationalrat hat als Erstrat eine entsprechende Motion mit 131 zu 48 Stimmen angenommen - gegen den Willen von SVP und Bundesrat. Erasmus plus ist das EU-Programm zur Förderung von allgemeiner und beruflicher Bildung, Jugend und Sport in Europa. Schweizer Studierende können mit dem Programm an EU-Universitäten ein Austauschsemester machen und die Leistungen an Schweizer Universitäten anrechnen lassen. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Regionalverkehr: Der Nationalrat unterstützt den öffentlichen regionalen Personenverkehr (RPV) bis Ende 2025 mit knapp 4,4 Milliarden Franken. Als Erstrat hat er dem entsprechenden Verpflichtungskredit für die Jahre 2022 bis 2025 mit 173 zu 3 Stimmen bei 4 Enthaltungen zugestimmt. Das sind 250 Millionen Franken mehr als in der laufenden Vierjahresperiode. Sämtliche Aufstockungs- und Kürzungsanträge lehnte der Rat ab. Das gesprochene Geld soll die Hälfte der ungedeckten Kosten im RPV für die Jahre 2022 bis 2025 decken. Separat aufgearbeitet werden die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie. Die Vorlage geht an den Ständerat.

Schweiz - Afghanistan: Der Nationalrat hat eine dringliche Debatte zu Afghanistan und zur Zuwanderung durchgeführt. SP, Grüne und Grünliberale wollten mehr Kontingentsflüchtlinge aus Afghanistan oder den umliegenden Staaten aufnehmen, SVP, FDP und Mitte nicht. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte, das UNHCR habe im Hinblick auf das nächste EU-Ministertreffen zu Afghanistan der Staatengemeinschaft geschrieben mit der Bitte, das Resettlement-Kontingent für Menschen aus Pakistan und anderen umliegenden Ländern zu erhöhen. Es sei eine "unspezifische Anfrage" gewesen, erklärte sie. Die Schweizer Resettlement-Gruppe, die diese Anfrage prüfe, sei jedoch einer weiteren Aufnahme gegenüber kritisch eingestellt. Bei der Botschaft in Islamabad in Pakistan und Teheran im Iran sei eine Vielzahl von Anträgen von humanitären Visa eingereicht worden, deshalb sei das Personal aufgestockt worden.

Konkurse: Ein ganzes Paket von Massnahmen soll missbräuchliche Konkurse und Schädigungen von Gläubigern weiter erschweren. Der Nationalrat hat als Zweitrat der entsprechenden Gesetzesvorlage mit 137 zu 48 Stimmen bei 4 Enthaltungen zugestimmt. Er will aber weniger weit gehen als der Ständerat. Bei den umstrittenen Punkten geht es um den Mantelhandel, das sogenannte Opting-out (Revisionsverzicht) sowie das vom Bundesrat vorgeschlagene Wahlrecht der öffentlichen Hand zur Fortführung von Betreibungen. Staatliche Gläubiger sollen gemäss Vorschlag des Bundesrats zwischen Konkurs und Pfändung wählen können. Die Vorlage geht zur Differenzbereinigung an den Ständerat.

Güterverkehr I: Die gesetzliche Grundlage für den unterirdischen Gütertransport kann frühestens in der nächsten Session bereinigt werden. Der Nationalrat schwenkte nur bei einer von zwei noch offenen Differenzen auf die Lösung des Ständerats ein. Strittig bleibt weiterhin die Frage zum Vorgehen bei Enteignungen, wenn Interessen von bundesnahen Betrieben tangiert sind. Geeinigt haben sich die Räte darauf, dass die Kommission für den Eisenbahnverkehr (Railcom) für Streitigkeiten zur diskriminierungsfreien Berechnung des Preises zuständig sein soll. Das Gesetz soll die Grundlage bilden für das private Projekt "Cargo sous terrain". Die Vorlage geht zurück an den Ständerat.

Güterverkehr II: Im gewerbsmässigen Strassengüterverkehr sollen sich Fahrer von leichten Lieferwagen analog zum Schwerverkehr an Ruhezeiten halten müssen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einem entsprechenden Vorstoss mit 124 zu 53 Stimmen zugestimmt. Analog zum EU-Mobilitätspaket solle die Schweiz die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen für Fahrer von Lieferwagen ab 2,5 Tonnen im Strassengütertransport regeln. Dabei soll der Bundesrat den grösstmöglichen Spielraum ausloten, um eine einfache und kostengünstige Lösung zu suchen. Auf eine strengere und vorzeitige Umsetzung der künftigen EU-Vorschriften, also einen "swiss finish", soll er verzichten.

Stempelsteuer: Die Stempelabgabe auf dem Umsatz von inländischen Urkunden und auf der Zahlung von Lebensversicherungsprämien wird nicht abgeschafft. Der Nationalrat ist mit 182 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen nicht auf die Vorlage eingetreten. Das Geschäft ist damit erledigt. Die Abschaffung der Stempelsteuer auf Eigenkapital beschloss das Parlament bereits in der Sommersession. SP, Grüne und Gewerkschaften haben das Referendum ergriffen.

Service Public: Der Bundesrat muss mit einem Gesetz die Oberaufsicht über Unternehmen mit einem Grundversorgungsauftrag (Service public) neu regeln. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine entsprechende Motion gutgeheissen. Es stelle sich immer wieder die Frage, welche Aufgaben bundesnahe Betriebe ausserhalb ihres Grundversorgungsauftrags übernehmen dürften. Der Bundesrat stellte sich gegen das Anliegen und verwies auf die Eignerpolitik des Bundes. Auf diesem Weg könne rascher auf neue Entwicklungen reagiert werden und das Parlament könne seine Anliegen so einfacher einbringen. Der Vorstoss geht nun an den Bundesrat.

Covid-Zertifikat: Die Covid-Zertifikatspflicht gilt künftig auch im Parlamentsgebäude - allerdings mit einer Ausnahme: So soll jemand, der kein Covid-Zertifikat vorweisen kann, das Parlamentsgebäude mit einer Maske betreten dürfen. Nachdem das Parlament einer entsprechenden Vorlage zugestimmt hatte, bejahte nach dem Ständerat nun auch der Nationalrat deren Dringlichkeit - mit 143 zu 35 Stimmen bei 6 Enthaltungen. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmung. Die neue Regelung soll ab Samstag gelten.

Astronomie: Die Schweiz soll vollumfänglich von Daten und Experimenten des empfindlichsten Radioteleskops der Welt profitieren können. Der Nationalrat hat als Erstrat einer Vollmitgliedschaft beim "Square Kilometre Arry Observatory" (Skao) zugestimmt. Das soll knapp 25 Millionen Franken mehr kosten als ursprünglich bewilligt. Der Rat hiess die Vorlage mit 162 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung gut. Das Geschäft im Gesamtumfang von 33,6 Millionen Franken geht nun an den Ständerat. Mit Skao sollen die Entstehung der ersten Sterne und Galaxien erforscht und einige der grössten Rätsel des Universums entschlüsselt werden.

Garantiefristen: Eine Mehrheit des Nationalrats möchte, dass die Garantiezeit für Geräte und Produkte in der Schweiz von heute zwei auf fünf Jahre erhöht wird. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Motion von Marianne Streiff-Feller (EVP/BE) mit 100 zu 87 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Eine Ausdehnung der Frist würde laut der Motionärin sicherstellen, dass Unternehmen ein Interesse daran haben, die Lebensdauer ihrer Produkte zu verlängern. Justizministerin Karin Keller-Sutter äusserte erfolglos grundsätzliche Bedenken zur Massnahme und verwies überdies auf eine laufende Gesamtanalyse zur grünen Wirtschaft, die Ende 2022 vorliegen soll. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Umwelt: Gefährliche Chemikalien sollen in der Schweiz unter Bedingungen weiterverwendet werden dürfen. Nach dem Ständerat hat sich auch der Nationalrat für eine Anpassung im Anhang der Chemikalien-Risikoreduktions-Verordnung ausgesprochen. Die grosse Kammer präzisierte jedoch den Motionstext. Demnach muss die Verwendung ohne Emissionen in die Umwelt und ohne Exposition vonMenschen erfolgen. Zudem schränkt der Nationalrat den Geltungsbereich der Ausnahmeregelung ein: Nur Stoffe für die Herstellung von Chemikalien und Heilmitteln sollen unter den genannten Voraussetzungen verwendet werden dürfen. Die abgeänderte Motion geht zurück an den Ständerat.

Flugverkehr: Der jährliche Bundesbeitrag an die Regionalflughäfen wird im Gesetz verankert. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine entsprechende Motion von Benedikt Würth (Mitte/SG) angenommen. Damit soll den Regionalflugplätzen eine gewisse Planungs- und Finanzierungssicherheit gegeben werden. Die Mehrheit in beiden Räten wies darauf hin, dass die zivile Luftfahrt aufgrund von Corona eine schwere Krise durchlebe und sich gerade auch die kleinen und regionalen Flughäfen in einer ausserordentlich schwierigen Situation befänden. Der Vorstoss geht nun an den Bundesrat.

Verkehr: In der Schweiz dürfen künftig Jugendliche ab 16 Jahren vierrädrige Leichtmotorfahrzeugen mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 45 Kilometern pro Stunde (km/h) fahren. Der Nationalrat hat dies als Zweitrat diskussionslos gutgeheissen. Durch eine Anpassung der Verkehrszulassungsverordnung (VZV) werden die für die verschiedenen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer geltenden Vorschriften besser aufeinander abgestimmt. Zudem werden sich die Schweizer Regeln denjenigen der Nachbarländer annähern. In den meisten Ländern dürften diese Fahrzeuge ab 16 Jahren gefahren werden. In der Schweiz muss man aktuell 18 Jahre alt sein.

Kinderschutz: Der Nationalrat will dem Bundesrat gegen dessen Willen den Auftrag erteilen, das Recht für Kinder auf eine gewaltfreie Erziehung auch im Schweizerischen Zivilgesetzbuch (ZGB) zu verankern. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Motion von Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) mit 111 zu 79 Stimmen bei 3 Enthaltungen gutgeheissen. In der Schweiz würden 130'000 Kinder in der Erziehung Gewalt erleben. Der Grundsatz des besonderen Schutzes gehört laut der Motionärin deshalb auch ins ZGB. Justizministerin Karin Keller-Sutter war der Meinung, die geltende Rechtslage im Strafrecht genüge. Zudem stellten sich heikle Fragen in diesem Bereich. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Landwirtschaft: Gewässerräume in Landwirtschaftszonen sollen nicht verkleinert werden können, wenn sie die Futtergrundlage eines landwirtschaftlichen Betriebs gefährden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion aus dem Ständerat abgelehnt - mit 100 zu 84 Stimmen bei einer Enthaltung. Aus Sicht der Gegner wäre mit der Motion der Gewässerschutz geschwächt worden. Umweltministerin Simonetta Sommaruga warnte: "Bei einer Annahme zur Motion machen Sie das Gegenteil von Biodiversität." SP, Grüne und GLP stimmten geschlossen gegen die Motion, zusammen mit Stimmen aus der FDP und der Mitte reichte es für eine knappe Mehrheit. Der Vorstoss ist erledigt.

Asylrecht: Lernende mit einem negativen Asylentscheid sollen nicht dazu gezwungen werden, ihre Lehre abzubrechen. Der Nationalrat hat mit 118 zu 71 Stimmen eine entsprechende Motion von Jürg Grossen (GLP/BE) angenommen. Noch immer müssten gut integrierte junge Asylsuchende wegen eines negativen Entscheids die Lehre abbrechen, erklärte er. Justizministerin Karin Keller-Sutter sagte, das Problem habe vor allem vor der Einführung des beschleunigten Asylverfahrens bestanden. Es handle sich um ein "Übergangsphänomen". Der Abbau alter Pendenzen im Asylwesen gehe rasch voran. "Wir haben noch 120 altrechtliche Fälle. Hier eine Gesetzesänderung zu machen, ist nicht angebracht." Die Motion geht an den Ständerat.

Güterverkehr: Lieferwagen, die für den gewerbsmässigen Gütertransport eingesetzt werden, sollen nicht in das Abgabesystem der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) integriert werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion aus dem Ständerat abgelehnt. Eingereicht hatte den Vorstoss Ständerat Hans Wicki (FDP/NW). Er argumentierte, dass das heutige LSVA-System Lieferwagen bevorzuge, obwohl diese ebenfalls Kosten verursachten. Laut einer Mehrheit im Nationalrat würde eine Umsetzung dagegen zu schwierigen Abgrenzungsfragen und in der Folge zu intransparentenzusätzlichen Belastungen für einzelne Transporte führen. Der Vorstoss ist erledigt.

Schulden: Der Bund soll ein schweizweites Betreibungsregister einführen. Dieser Meinung ist der Nationalrat. Er hat einer Motion von Martin Candidas (Mitte/GR), die dies verlangt, mit 177 zu 10 Stimmen bei 6 Enthaltungen zugestimmt. Wer einwohnerrechtlich den Meldeort ändert, dann sollen am neuen Meldeort die bisherigen betreibungsregisterrechtlichen Daten übernommen werden müssen. Das Geschäft geht an den Ständerat.

Gewalt: Um den Kampf gegen pädosexuelle Gewalt im Internet zu verstärken, soll ein nationaler Aktionsplan erarbeitet werden. Motionärin Christine Bulliard-Marbach (Mitte/FR) erklärte im Nationalrat, dass sich pädosexuelle Gewalt im Internet seit Jahren immer mehr ausbreite. Prävention, Opferhilfe und Strafverfolgung müssten aus einer Hand arbeiten. Justizministerin Keller-Sutter argumentierte vergeblich, die Kompetenz der Straftatbekämpfung liege bei den Kantonen. "Wir sind der Ansicht, dass die Kantone ihre Aufgabe sehr gut wahrnehmen", sagte sie. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Datenschutz: Der Bundesrat soll in einem Bericht eine Gesamtschau machen, wie es um den Schutz bei den Datenbanken des Bundes und der Kantone steht. Der Nationalrat hat mit 167 zu 24 Stimmen bei 3 Enthaltungen ein entsprechendes Postulat von Nationalrat Beat Flach (GLP/AG) angenommen. Der Bundesrat solle aufzeigen, welche Herausforderungen aufgrund der zunehmenden Vernetzung und steigenden Leistungsfähigkeit der Datenbanken vorliegen und ob allenfalls Massnahmen angezeigt sind. Das Postulat geht an den Bundesrat.

Die Traktanden des Nationalrats für Freitag, 01. Oktober (08:00 bis 11:00):

Bern Petitionen
Nicht bekämpfte Vorstösse gemäss beschleunigtem Verfahren
Schlussabstimmungen