(sda) Gentechnisch veränderte Organismen, denen kein transgenes Erbmaterial eingefügt wurde, sollen von der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 ausgenommen werden. Der Ständerat hat am Donnerstag knapp diese Ausnahme im Gentechnikgesetz beschlossen.

Die Zustimmung zum entsprechenden Ausnahmeartikel fiel nach einem Patt von 21 zu 21 Stimmen bei zwei Enthaltungen mit Stichentscheid von Ständeratspräsident Thomas Hefti (FDP/GL), der damit auf Parteilinie votierte. In der Gesamtabstimmung hiess der Rat das abgeänderte Bundesgesetz über die Gentechnik im Ausserhumanbereich mit 42 zu 1 Stimmen bei einer Enthaltung gut.

Der kleine Paukenschlag hatte sich bereits in der Wissenschaftskommission des Ständerats (WBK-S) angedeutet. Allerdings war er auch dort nur mit dem Stichentscheid des Kommissionspräsidenten Hannes Germann (SVP/SH) zustande gekommen. Demnach sollen gentechnisch veränderte Organismen, denen keine artfremde DNA eingefügt wurde, vom Moratorium ausgenommen werden. Das hatten freisinnige und grünliberale Abgeordnete bereits im Nationalrat erfolglos beantragt.

Keine Bewilligungen während Geltungslücke

Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat, der der Verlängerung des Gentech-Moratoriums bis Ende 2025 im September ohne Ausnahmen sehr deutlich zugestimmt hatte. Dass auch die grosse Kammer auf die Ausnahme der Genomeditierung umschwenkt, scheint angesichts des klaren Verdikts beim ersten Mal fraglich.

Wie das Sekretariat der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA bekannt gab, erfolgt die Differenzbereinigung in den Räten erst in der Frühlingssession. Die Kommission werde sich Ende Januar damit befassen, sagte Kommissionssekretär Marcello Fontana. Obwohl das geltende Moratorium Ende Jahr ausläuft, sei das kein Problem. Die Verwaltung werde einfach keine Versuchsprojekte bewilligen, solange das Gesetz nicht bereinigt sei.

"Hyper-Igelmentalität"

Es dürfe nicht sein, dass eine mit dem Nobelpreis gewürdigte Technik wie die Genschere Crispr/Cas mit einem Verbot belegt werde, sagte Germann. Diese "Hyper-Igelmentalität" stehe schon etwas quer in der Landschaft. Auch Ruedi Noser (FDP/ZH) warb für die Ausnahme: "Es wäre ein wichtiges Signal an den Forschungsstandort Schweiz, dass das hier die letzte generelle Verlängerung des Moratoriums ist."

Andrea Gmür-Schönenberger (Mitte/LU) führte aus, nach zwei Jahrzehnten Denkverbot sei es wirklich an der Zeit, dem neusten Stand der Wissenschaft Rechnung zu tragen. Für eine Beurteilung des Risikos sei unterdessen ausreichendes Wissen vorhanden.

Jakob Stark (SVP/TG) hielt im Namen der knapp unterlegenen Kommissionsminderheit dagegen, die Schweiz dürfe im Bereich der Gentechnologie "nicht schneller laufen, als die Musik spielt", aber sie müsse Rhythmus und Lautstärke erhöhen. Es sei zu früh bereits Tatsachen zu schaffen. Er würde lieber den Bericht des Bundesrates mit den Entscheidungsgrundlagen abwarten, der bis Mitte kommenden Jahres vorliegen soll.

Erfolgsmodell nicht aufs Spiel setzen

Maya Graf (Grüne/BL) warnte davor, einen Schnellschuss zu fabrizieren und das Erfolgsmodell der gentechfreien Schweiz aufs Spiel zu setzen. Zudem würden wichtige Daten aus Freisetzungsversuchen von gentechnisch veränderten Organismen fehlen. Weiter seien Patentfragen ungelöst und es drohe schliesslich eine abweichende Gesetzgebung von der EU

Die Rahmenbedingungen hätten sich nicht verändert seit der letzten Verlängerung des Moratoriums vor vier Jahren, wandte sich Umweltministerin Simonetta Sommaruga gegen eine Ausnahme. Die rasche Entwicklung im Bereich Gentechnik spreche vielmehr für eine erneute Verlängerung. Unbeabsichtigte Folgen und Risiken der Methoden seien noch zu wenig bekannt.

Weiter erinnerte sie daran, dass heute einzig das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen verboten sei. Forschung und Versuche seien erlaubt. Im übrigen habe das Parlament im zugehörigen nationalen Forschungsprogramm ausgerechnet die neuen Gentechnik-Verfahren nicht berücksichtigt. "Und jetzt wollen sie Ausnahmen ausgerechnet dort machen, wo am wenigsten Informationen vorhanden sind?", fragte Sommaruga.

Es gebe nicht "die" neuen Verfahren. Es gebe alles, von sehr einfachen bis sehr komplexen Eingriffen, zum Beispiel für die Trockentoleranz von Pflanzen. Diese Vielfalt spreche auch für genauere Analysen. Es gibt laut Sommaruga insgesamt noch zu viele offene Vollzugsfragen.

Auch Viren, Bakterien und Insekten

Ungeklärt sei weiterhin die Koexistenz mit nicht gentechnisch veränderten Pflanzen in der kleinteiligen schweizerischen Landwirtschaft, warnte Sommaruga weiter. Zudem würden mit der Ausnahme auch gentechnisch veränderte Bakterien, Viren und Insekten nicht mehr unter das Gentechnikgesetz fallen.

Generell wird das Gentech-Moratorium in der Landwirtschaft nach der grundsätzlichen Zustimmung im Ständerat bereits zum vierten Mal verlängert. Das Moratorium besteht seit 2005 nach dem Ja zu einer Volksinitiative. Gentechnisch veränderte Organismen dürfen in der Schweiz deshalb im Moment nur zu Forschungszwecken angebaut werden.

Die lange schroffe Ablehnung weicht sich indes zunehmend auf. So hat etwa der neu gegründete Verein "Sorten für morgen" eine weitere Verlängerung des Moratoriums um vier Jahre als "keine Zukunftsstrategie" bezeichnet. Dem Verein gehören unter anderen die Grossverteiler Migros und Coop, die Agrargenossenschaft Fenaco oder die Obst-, Gemüse- und Kartoffelproduzenten an.