Asyl: Vorläufig in der Schweiz aufgenommene Personen sollen grundsätzlich nicht reisen dürfen - auch nicht im Schengen-Raum. Der Nationalrat ist in dieser Frage auf die Linie des Ständerats eingeschwenkt. Die bürgerliche Mehrheit vertrat die Ansicht, nur so lasse sich das Verbot von Reisen ins Herkunftsland durchsetzen. Die Linke und die GLP kritisierten, das Reiseverbot verletzte die Grundrechte - namentlich das Recht auf Familienleben und jenes auf Bewegungsfreiheit. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung.
Stiftungen: Bei der Modernisierung des Schweizer Stiftungsrechts bleibt es auch nach den neusten Beratungen im Nationalrat bei zwei Differenzen. Sie betreffen die Ausgestaltung des Beschwerderechts und die Entschädigung von Stiftungsratsmitgliedern. Der Nationalrat hielt an der Erweiterung des Kreises der Beschwerdelegitimierten mit 108 zu 79 Stimmen fest. Ebenso blieb er mit 121 zu 69 Stimmen bei seiner Ansicht, dass Stiftungsräte künftig eine angemessene Entschädigung zu Gute haben sollen. Der Ständerat möchte bei Fragen die geltenden Bestimmungen weiterlaufen lassen. Mit der "Mini-Modernisierung" sollen die gesetzlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen verbessert und der Stiftungsstandort Schweiz gestärkt werden. In der Schweiz gibt es über 13'000 Stiftungen, die rund 100 Milliarden Franken verwalten.
Steuern: Mit lediglich einer kleinen formalen Differenz geht die Reform der Verrechnungssteuer noch einmal in den Ständerat. Der Nationalrat ist inhaltlich in allen fünf Differenzen der kleinen Kammer gefolgt. Offen bleibt lediglich noch eine Präzisierung bezüglich des Inkrafttretens der Vorlage im Falle der fast sicheren Volksabstimmung über ein Referendum der Linken gegen die Revision. Der Nationalrat möchte, dass das Gesetz bei einer Annahme durch das Volk sicher auf Anfang 2023 in Kraft treten könnte. Der Ständerat dürfte sich diesem Vorschlag anschliessen. Mit der Revision will das Parlament den Schweizer Finanzplatz stärken und dafür die Verrechnungssteuer auf inländischen Zinserträgen weitgehend abschaffen und die Umsatzabgabe auf Schweizer Obligationen aufheben.
Parlament: Doppelbürger im National- und Ständerat sowie im Bundesrat müssen ihre Staatsangehörigkeiten künftig offenlegen, aber nicht mehr zwingend ihre Postadresse. Der Nationalrat hat damit eine letzte kleine Differenz in der entsprechenden Vorlage offengelassen. Der Ständerat möchte nämlich die dienstliche Postadresse in den unter anderem im Internet veröffentlichten Kurzbiografien der Magistratinnen und Magistraten belassen. Der Nationalrat entschied sich jedoch mit 112 zu 69 Stimmen bei zwei Enthaltungen für die Formulierung "dienstliche Postadresse oder E-Mail-Adresse". Die Sprecher der Kommissionsmehrheit begründeten den Kompromissvorschlag insbesondere mit Sicherheitsbedenken. Drohungen gegen Politiker hätten zugenommen.
Schweiz - Eu: Die Schweiz soll sich nach dem Willen des Nationalrats weiterhin am digitalen EU-Sicherheitssystem Fado (False and Authentic Documents Online) beteiligen. Er hat der Anpassung der Rechtsgrundlagen dafür zugestimmt. Die Ratslinke verlangte ohne Erfolg, das Geschäft zu sistieren, bis das Ergebnis einer möglichen Volksabstimmung zum Schweizer Engagement bei der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) vorliege. Mit dem Fado-System werden innerhalb des Schengen-Raums Informationen zu Sicherheitsmerkmalen von Ausweisdokumenten ausgetauscht - und Bilder gefälschter Ausweise, so dass diese leichter entdeckt werden können.
Völkerrecht: Über welche Staatsverträge müssen Volk und Stände befinden können? Diese Frage wird nicht explizit in der Bundesverfassung geregelt. Der Nationalrat hat zum zweiten Mal abgelehnt, auf die Vorlage einzutreten. Der Entscheid fiel mit 114 zu 69 Stimmen bei vier Enthaltungen. Damit ist die Vorlage vom Tisch. Kritisiert wurde unter anderem, eine Neuregelung bringe keinen Mehrwert. Dies, weil nach verbreiteter Auffassung das obligatorische Referendum für völkerrechtliche Verträge mit verfassungsmässigem Charakter bereits Teil des ungeschriebenen Verfassungsrechts ist.
Swissness: National- und Ständerat wollen die Marke "Schweiz" besser schützen. Sie verlangen vom Bundesrat, zu diesem Zweck auf höchster Ebene bei der Regierung Chinas vorstellig zu werden. Als Zweitrat hat der Nationalrat mit 126 zu 51 Stimmen ohne Enthaltungen einer entsprechenden Motion der Aussenpolitischen Kommission des Ständerates (APK-S) zugestimmt. Eine Minderheit der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK-N) wollte die Ablehnung des Vorstosses. Eine Annahme drohe unnötigerweise eine neuerliche diplomatische Verstimmung mit China hervorzurufen.
Sorgerecht: Wer für ein Kind das Sorgerecht hat, soll künftig im Einwohnerregister stehen. Dafür hat sich der Nationalrat ausgesprochen. Die grosse Kammer stimmte oppositionslos einer entsprechenden Motion ihrer Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) zu. Das Geschäft geht an den Ständerat. Stimmt auch dieser zu, erhält der Bundesrat zunächst den Auftrag, eine Machbarkeitsstudie durchzuführen. Falls diese keine grundlegenden Hindernisse ergibt, müsste die Landesregierung danach neue rechtliche Grundlagen für den Eintrag in die kantonalen und kommunalen Einwohnerregister prüfen.
Bundesstrafgericht: Das Parlament fordert, dass an der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts in Bellinzona eine vierte Richterstelle geschaffen wird. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einer entsprechenden Vorlage mit 139 zu 0 Stimmen zugestimmt. Angesichts der steigenden Geschäftslast sei zumindest eine zusätzliche Richterstelle deutscher Sprache notwendig, sagte Kommissionssprecherin Sibel Arslan (Grüne/BS). Derzeit ist pro Sprache (Deutsch, Französisch, Italienisch) eine Person an der Beschwerdekammer tätig. Auch der Bundesrat steht hinter dem Vorschlag. Das Geschäft ist bereit für die Schlussabstimmung.
Standesämter: Der Bundesrat soll nach dem Willen des Parlaments die Gebühren im Zivilstandswesen anpassen. Ziel ist, dass die Kosten der Kantone etwa im Zusammenhang mit Eheschliessungen oder Anerkennungen von Kindern besser gedeckt sind. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat einem entsprechenden Vorstoss zugestimmt. Der Bundesrat hatte die Motion zur Annahme empfohlen. Namentlich im Zusammenhang mit der Digitalisierung müssten neue Finanzierungsmodelle entwickelt werden. Innerhalb der Konferenz der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) gebe es bereits entsprechende Überlegungen.
Gerichte: Das Parlament will die Schweiz als internationalen Gerichtsstandort weiter stärken. Der Nationalrat hat als Zweitrat diskussionslos einen Vorstoss angenommen, der die Ratifikation des Haager Übereinkommens vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen verlangt. Das Übereinkommen war 2015 in der EU in Kraft getreten. International tätige Unternehmen, die in grenzüberschreitende Streitigkeiten verwickelt sind, können sich an ein Schiedsgericht wenden. Sie erhalten somit eine gerichtliche Alternative.
Konkurse: Im Gegensatz zum Ständerat will der Nationalrat im Revisionsrecht die Hürden für Konkursverschleppung und Missbräuche nicht erhöhen. Er hat am Montag eine entsprechende Motion als gegenstandslos abgelehnt. Der Ständerat hatte diese Woche im Rahmen der Beratungen des Konkursrechtes auf die zweijährige sogenannte Opting-Out-Pflicht verzichtet. Angesichts dieser Tatsache einen offenen und relativ unspezifischen Auftrag zu gleichen Thema zu überweisen, sei nicht mehr sinnvoll, sagte Kommissionssprecherin Judith Bellaiche (GLP/ZH). Auch Justizministerin Karin Keller-Sutter sah keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf mehr. Die Motion ist damit vom Tisch.
Integration: Das Parlament will die Ausbildungsmöglichkeiten für spät zugewanderte Jugendliche längerfristig verbessern. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat eine entsprechende Motion mit 119 zu 57 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Der Bundesrat muss nun diese Finanzhilfen zu Gunsten von jährlich rund 1500 späteinreisenden Jugendlichen und jungen Erwachsenen "verstetigen". Damit sollen weiterhin wirksame Massnahmen ergriffen werden, welche die Kompetenzen der betroffenen Jugendlichen im Hinblick auf eine Berufsausbildung stärken. Zeitlich befristet bis Mitte 2024 zahlte nach bisher gültiger Regel der Bund 18 Millionen Franken pro Jahr, weitere 18 Millionen Franken die Kantone.
Die Traktanden des Nationalrats für Dienstag, 7. Dezember (08:00 bis 13:00):
Bern |
Motion zur Aufhebung der "besonderen Lage" (21.3983) |
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AHV-Reform, Differenzen (19.050) |
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Reform der zweiten Säule (20.089; 21.4338) |