Die grosse Kammer hat der Änderung des Militärgesetzes und der Armeeorganisation mit 178 respektive 179 zu 0 bei jeweils zwölf Enthaltungen zugestimmt. Das Geschäft geht an den Ständerat.
Mit der Vorlage werde lediglich die Realität nachvollzogen, die bereits mit Erfolg praktiziert werde, sagte Kommissionssprecherin Priska Seiler Graf (SP/ZH). Mit der Schaffung einer Militärluftfahrtbehörde etwa werde eine bereits seit zwei Jahren bestehende Praxis nun noch gesetzlich verankert.
Die bürgerliche Mehrheit liess sich überzeugen, weil die neue Behörde keine Mehrkosten bringt und kein zusätzliches Personal benötigt. Die Grüne Marionna Schlatter (ZH) wiederum fragte sich, ob eine zusätzliche Behörde im kleinen komplexen Luftraum der Schweiz wirklich nötig sei.
"Wir müssen die Armee befähigen, robuste und hochsichere Informatik- und Telekommunikationsleistungen erbringen zu können", befürwortete Maja Riniker (FDP/AG) die Reform insgesamt. Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) sprach davon, dass die Schweiz mit der Vorlage "auf dem Weg vom Eisen zum Glas" sei. Die herkömmlichen Truppen würden mit dem Cyber-Kommando aber nicht ersetzt, sondern ergänzt.
Fall Ruag nur ein Vorgeschmack
Der Fall Ruag im Jahr 2016 sei nur ein Vorgeschmack gewesen, sagte Franziska Roth (SP/SO). "Die Gefahren der Zeit werden nun endlich erkannt." Beim Cyber-Spionageangriff auf die Ruag wurden mehr als zwanzig Gigabyte Daten entwendet.
Angesichts der komplexen geopolitischen Lage müsse man sich schon heute Gedanken über eine Weiterentwicklung der Armee nach dieser Reform machen, schaute Beat Flach (GLP/AG) bereits wieder vorwärts. Dazu gehörten Überlegungen zur künftigen Dienstpflicht und dem vermehrten Einbezug der Frauen.
Bei den wenigen strittigen Punkten sprach sich der Nationalrat erstens dafür aus, dass Untersuchungen in der Militärluftfahrt einer internen Abteilung der neuen Luftfahrtbehörde anvertraut werden müssen. Er lehnte den Antrag der Kommissionsminderheit mit 111 zu 80 Stimmen ab, die diese Aufgabe einer ausserparlamentarischen Kommission übergeben wollte.
Verteidigungsministerin Viola Amherd betonte, hierbei handle es sich um ein Spezialgebiet, für welches sich ausserhalb der Bundesverwaltung kaum Personen finden liessen. Deshalb habe sich der Bundesrat für eine andere Lösung als bei der Zivilluftfahrt entschieden. Das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl) kann Untersuchungsaufträge an externe Stellen vergeben.
Einsätze für Grossanlässe
Zweitens beschloss der Nationalrat, dass die Einsätze der Armee für Anlässe von nationaler und internationaler Bedeutung keinen direkten Ausbildungsnutzen haben müssen. Zu diesen Anlässen gehören etwa die Lauberhorn-Skirennen, das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest oder die Fête des Vignerons.
Die Minderheit, die einen Ausbildungsnutzen und keine "billigen Arbeitskräfte für private Organisatoren" verlangte, scheiterte mit 139 zu 49 Stimmen bei drei Enthaltungen. Auch Rekrutinnen und Rekruten sollen zudem solche Einsätze leisten dürfen. Beat Flach (GLP/AG) argumentierte vergeblich, die kurze Zeit der Rekrutenschule müsse vollständig für die Ausbildung genutzt werden. "Jeder Tag ist wichtig."
Verteidigungsministerin Amherd antwortete, an Sanitätshilfestellen zum Beispiel sei ein realitätsnahes Training durchaus möglich. Es wäre schade, wenn Armeeangehörige solche "Echteinsätze" nicht leisten dürften. Die Bereitschaft der Armee bleibe auch bei Einsätzen an Grossanlässen gewährleistet. Diese Anlässe wären ohne Armeeeinsatz bedroht, war ein weiteres oft gehörtes Argument.
Abgelehnt hat die grosse Kammer schliesslich drittens auch, dass Personen mit unentbehrlichen Tätigkeiten - etwa medizinisches Personal - mit einem Beschäftigungsgrad ab bereits fünfzig Prozent von der Militärdienstpflicht befreit werden. Es bleibt damit bei einem Anstellungsgrad von mindestens achtzig Prozent für eine eventuelle Befreiung.
Rückstand bei der Digitalisierung
Der Schutz vor Cyber-Attacken ist eine sicherheitspolitische Priorität des Bundesrats, wie dem aktuellen Bericht zur Sicherheitspolitik zu entnehmen ist. Heute sei die Schweiz in Sachen Digitalisierung "viel zu wenig weit fortgeschritten".
Der Bundesrat will deshalb die Führungsunterstützungsbasis (FUB) angesichts der aktuellen Bedrohungslage auf Anfang 2024 in ein Cyber-Kommando mit 575 Angehörigen weiterentwickeln. Das Kommando soll künftig die militärischen Schlüsselfähigkeiten in den Bereichen Lagebild, Cyber-Abwehr, IKT-Leistungen, Führungsunterstützung, Kryptologie und elektronische Kriegsführung bereitstellen.
Zur Verbesserung der internen Ausbildung sollen Miliz-Cyber-Spezialistinnen und -Spezialisten künftig auch ein Praktikum bei externen Anbietern machen.
Die Revision des Militärgesetzes umfasst auch die Schaffung einer Militärluftfahrtbehörde analog des Bazl. Ziel ist die Verbesserung der Betriebssicherheit der Luftwaffe, insbesondere eine bessere Koordination zwischen der Luftwaffe und dem zivilen Flugverkehr bei der Nutzung des gemeinsamen Luftraums. Schliesslich beinhaltet die Vorlage auch eine Stärkung der Unterstützung von zivilen Anlässen durch die Armee.