(sda) Landwirtschaft: Der Nationalrat empfiehlt die Massentierhaltungsinitiative mit 111 zu 60 Stimmen bei 19 Enthaltungen zur Ablehnung. Die Schweiz tue bereits genug, um das Tierwohl zu fördern, hiess es am Mittwoch im Rat mehrheitlich. Die Volksinitiative "Keine Massentierhaltung in der Schweiz (Massentierhaltungsinitiative)" will die Massentierhaltung verbieten und die Würde der Tiere in der Landwirtschaft in die Verfassung aufnehmen. Neben Teilen der SP und der GLP stellten sich nur die Grünen vollumfänglich hinter die Initiative. Abgelehnt wurde auch ein direkter Gegenentwurf des Bundesrats sowie der Antrag, eine parlamentarisch Initiative auszuarbeiten. Als nächstes debattiert der Ständerat darüber.

Altersvorsorge: Das Parlament hat die Beratung über die AHV-Reform abgeschlossen. Wegen der Alterung der Bevölkerung benötigt die AHV bis 2030 26 Milliarden Franken. Mit einem Bündel von Massnahmen sollen die Renten gesichert werden. Für Frauen wird das Rentenalter von 64 auf 65 Jahre erhöht. Die am stärksten betroffenen Frauen werden dafür entschädigt. Auf Antrag der Einigungskonferenz entschied das Parlament, dass diese Zuschläge bei Ergänzungsleistungen nicht hinzugerechnet werden dürfen, weil sich die Kompensation sonst wieder auflöst. Zur Finanzierung der Abfederung wird zudem die Mehrwertsteuer erhöht. Mit dem Resultat sind linke Kreise aber nicht zufrieden. Sie wollen die Vorlage in der Schlussabstimmung von Freitag ablehnen und haben das Referendum angekündigt.

Coronavirus - Schweiz: Das Parlament hat die Beratung über das Covid-19-Gesetz abgeschlossen. Die wichtigste Änderung: Der Bund wird wieder einen Teil der Kosten für Covid-Tests übernehmen. Zudem wurden zahlreiche Artikel bis Ende 2022 verlängert, etwa die Hilfen für die Kultur, den Schutzschirm für überregionale Publikumsveranstaltungen, die Kurzarbeits- und Arbeitslosenentschädigung sowie die Bestimmungen bei den Härtefallmassnahmen. Zuletzt beschloss das Parlament auf Antrag der Einigungskonferenz noch, dass der Bund Verträge mit Impfstoffherstellern nicht veröffentlichen muss, und dass er bei der Planung der Intensivpflegekapazitäten in Spitälern nicht in die Hoheit der Kantone eingreifen, diese aber unterstützen soll. Sofern die Räte das Gesetz am Freitag in der Schlussabstimmung annehmen, wird es am Samstag in Kraft treten - mitsamt dem neuen Testkostenregime.

Strafrecht: In der Schweiz werden schwere Körperverletzung sowie Gewalt und Drohung gegen Beamte künftig härter bestraft. Dagegen sind für Raserdelikte wieder reine Geldstrafen möglich. Das Parlament hat die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen unter Dach und Fach gebracht. Nach dem Ständerat hiess auch der Nationalrat den Vorschlag der Einigungskonferenz gut - mit 122 zu 65 Stimmen ohne Enthaltungen. Die Einigungskonferenz hatte im Wesentlichen die Beschlüsse des Ständerats übernommen. Gewalt und Drohung gegen Beamte kann demnach künftig nur noch in leichten Fällen mit einer Geldstrafe geahndet werden. Die Vorlage ist bereit für die Schlussabstimmung.

Armee: Der Nationalrat will ein Cyber-Kommando und eine neue Militärluftfahrtbehörde schaffen. Er hat als Erstrat die entsprechenden Gesetzesänderungen gutgeheissen. Darin werden auch die Armeeeinsätze für zivile Anlässe gesetzlich geregelt. Die grosse Kammer hat der Änderung des Militärgesetzes und der Armeeorganisation mit 178 respektive 179 zu 0 bei jeweils 12 Enthaltungen zugestimmt. Das Geschäft geht in den Ständerat. Der Bundesrat will die Führungsunterstützungsbasis (FUB) angesichts der aktuellen Bedrohungslage auf Anfang 2024 in ein Cyber-Kommando mit 575 Angehörigen weiterentwickeln. Laut einem Bericht ist die Schweizer Armee in Sachen Digitalisierung "viel zu wenig weit fortgeschritten".

Kriegsverbrechen: Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) soll künftig das Aushungern der Zivilbevölkerung auch in innerstaatlichen Konflikten ahnden. Der Nationalrat hat als Erstrat den Bundesbeschluss über die Änderung des sogenannten Römer Statuts angenommen. Der Entscheid fiel mit 172 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Vorlage geht nun an den Ständerat. Die entsprechende Ergänzung des Römer Statuts geht auf einen Vorschlag der Schweiz zurück. Im Dezember 2019 haben die 123 Vertragsstaaten des ICC die verbreitete Kriegsmethode des Aushungerns der Zivilbevölkerung in Bürgerkriegen zum Kriegsverbrechen erklärt. Zuvor war dies nur für Kriege zwischen Staaten der Fall.

Klima: Der Nationalrat hält nichts von der Schaffung eines durch das Los bestimmten Klimarates mit 200 Mitgliedern. Er hat der entsprechenden parlamentarischen Initiative der Fraktion der Grünen mit 136 zu 33 Stimmen bei 9 Enthaltungen keine Folge gegeben. Die Initiative forderte die Ausarbeitung der gesetzlichen Grundlagen zur Einführung eines Klimarates, einer "losbasierten Minischweiz", wie sich Balthasar Glättli (Grüne/ZH) ausdrückte. Angesichts der Klimakrise gelte es, neue Wege zu erproben, "um schnellere, ambitioniertere und gleichzeitig breit und demokratisch abgestützte Lösungen für mehr Klimagerechtigkeit zu finden". Die Mehrheit des Nationalrates befürchtete indes eine Schwächung der Stellung des Parlamentes durch einen Klimarat. Dadurch würde eine Konkurrenzbehörde geschaffen. Der Vorstoss ist damit erledigt.

Völkerrechtsverträge: Der Nationalrat hat als Zweitrat den 21. Bericht über die abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge aus dem Jahr 2020 zur Kenntnis genommen. Die Anzahl der Verträge sei relativ stabil geblieben, sagte Aussenminister Ignazio Cassis. Insgesamt seien 816 Verträge und 518 Abkommen abgeschlossen sowie 298 Änderungen vorgenommen worden. Das seien etwas weniger Abschlüsse, dafür etwas mehr Änderungen als im Vorjahr. Von den 816 Verträgen bedürfe keiner nachträglich einer parlamentarischen Genehmigung, erklärte Claudia Friedl (SP/SG) im Namen der vorberatenden Kommission. Die "stattliche Liste" sei ein Hinweis auf die Wichtigkeit der bilateralen und multilateralen Beziehungen der Schweiz.

Abstimmungen: Der Nationalrat will keine weitere Gesetzesänderung anstossen, die zu klareren Fragen auf Abstimmungszetteln führt. Er hat einer parlamentarischen Initiative von Gabriela Suter (SP/AG) mit 131 zu 53 Stimmen bei drei Enthaltungen keine Folge gegeben. Suter führte zur Illustration das Beispiel über die Abstimmung zum Vaterschaftsurlaub an. Aus der Frage sei nicht hervorgegangen, dass es um die Einführung des Vaterschaftsurlaubes gehe. Die Frage lautete damals: "Wollen Sie die Änderung des Bundesgesetzes über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und für Mutterschaft (Erwerbsersatzgesetz) annehmen?" Die Kommission sehe zwar den Handlungsbedarf, sagte Kurt Fluri (FDP/SO). Die Frage werde aber bereits mit einer anderen Vorlage angegangen. Die Vorlage ist damit vom Tisch.

Volksinitiativen: Der Nationalrat ist dagegen, dass jede Volksinitiative künftig nur noch eine Nummer oder rein beschreibende Titel erhält, um einseitige oder irreführende Perspektiven auszuschliessen. Er hat einer entsprechenden parlamentarische Initiative von Damien Cottier (FDP/NE) mit 157 zu 28 bei vier Enthaltungen keine Folge gegeben. Titel von Initiativen würden manchmal zum wichtigen Marketinginstrument. Dabei seien die Titel zwar nicht gerade irreführend, aber einseitig. Das sei einer sachlichen und faktenbasierten demokratischen Diskussion nicht förderlich, sagte Cottier. Aus Sicht des Nationalrats sei die Forderung aber ein unzulässiger und zu rigider Eingriff in die Volksrechte, sagte Kommissionsberichterstatter Gerhard Pfister (Mitte/UR). Die freie Meinungsbildung sei durch die Wahl des Titels keineswegs eingeschränkt. Die Vorlage ist vom Tisch.

Nationalratswahlen: Die Sitze im Nationalrat sollen weiterhin nach dem bestehenden Verfahren zugeteilt werden. Der Nationalrat hat einer parlamentarischen Initiative der Fraktion der Grünliberalen mit 105 zu 84 Stimmen keine Folge gegeben. Sie wollte das Gesetz so ändern, dass die Sitze im Nationalrat künftig mit der "doppeltproportionalen Divisormethode mit Standardrundung", besser bekannt als "doppelter Pukelsheim" zugeteilt werden. Das hätte gleich auch die Abschaffung der Listenverbindungen bedeutet. Die Mehrheit im Rat argumentierte, das geforderte System möge auf kantonaler Ebene seine Berechtigung haben, es werde jedoch den Gegebenheiten auf Bundesebene in keiner Weise gerecht. Hier sei es falsch, nur über den Rechenschieber zuzuteilen, sagte Kommissionssprecher Gregor Rutz (SVP/ZH). Das Begehren ist damit erledigt.

Notrecht: Der Nationalrat will nicht am bestehenden Notrecht des Bundesrates herumschrauben und den Einfluss des Parlamentes nicht verstärken. Er hat einer entsprechenden parlamentarischen Initiative aus den Reihen der SVP mit 135 zu 51 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge gegeben. Alfred Heer (SVP/ZH) kritisierte in seinem Vorstoss das "nahezu unbegrenzte Notrecht" des Bundesrates in Notlagen. Wenn der Bundesrat solche Massnahmen treffe, hätte laut Heers Vorschlag eine Zweidrittelmehrheit der beiden Kammern der Bundesversammlung diese innert Tagen genehmigen müssen. Die vorberatende Kommission erachtet Heers Anliegen als "nicht krisentauglich". Der Entscheid der Bundesversammlung käme in der Regel zu spät. Die Forderung hat sich damit erledigt.

Vereinigte Bundesversammlung

Justiz I: Statt Stefan Keller ermitteln künftig zwei ausserordentliche Bundesanwälte in der Fifa-Affäre: Ulrich Weder und Hans Maurer, beide Zürcher. Die Vereinigte Bundesversammlung hat die zwei ehemaligen Staatsanwälte in ihr Amt gewählt. Das von der parlamentarischen Gerichtskommission vorgeschlagene Zweierticket war unbestritten. Alle Fraktionen unterstützten das Duo. Weder erhielt 189, Maurer 188 von 192 gültigen Stimmen. Aufgabe der neuen Sonder-Bundesanwälte wird es sein, die Strafuntersuchung gegen den früheren Bundesanwalt Michael Lauber und andere Personen wegen möglicher Ungereimtheiten rund um Ermittlungen zum Weltfussballverband Fifa fortzuführen.

Justiz II: Alberto Fabbri (Mitte) steht für die Amtsperiode 2022 bis 2023 dem Bundesstrafgericht vor. Der neue Präsident des Bundesverwaltungsgerichts heisst Vito Valenti (FDP). Ferner bestimmte die Bundesversammlung drei neue ordentliche Richterinnen und Richter am Bundesstrafgericht. Das Rennen machten Maric Demont (Grüne), Felix Ulrich (SVP) und Maurizio Albisetti Bernasconi (Mitte). Die neuen Mitglieder am Bundesverwaltungsgericht heissen Christoph Errass (GLP), Chrystel Tornare Villanueva (SVP) und Iris Widmer (Grüne). Schliesslich wählte das Parlament Stefan Wehrenberg (SVP) für den Rest der Amtsperiode 2020 bis 2023 zum Präsidenten des Militärkassationsgerichts

Die Traktanden des Nationalrats für Donnerstag, 16. Dezember (08:00 bis 13:00 und 15:00 bis 19:00):

Bern Umgang mit Listen von säumigen Prämienzahlenden (16.312)
Verpflichtungskredit für Informatikprojekte bei Meteoschweiz (21.062)
Motion zu Planungssicherheit bei Medizinprodukten (21.3176)
Lohndeckel bei bundesnahen Betrieben, Differenzen (16.438)
Zollabkommen mit der Europäischen Gemeinschaft (21.059)
Einigungskonferenz zum Bundesbudget 2022 (21.041)
Standesinitiative BE, SG, TI, FR, ZG zum Verbot von Gewaltvideospielen (08.316; 08.334; 09.313; 09.314; 09.332; 10.302)
Standesinitiative GE zu familienergänzender Kinderbetreuung (20.308)
Standesinitiative NE zu Referendum zum Freihandelsabkommen(20.316)
Standesinitiative JU zu Bestimmungen zum Recht auf Eltern- oder Vaterschaftsurlaub (20.320)
Veloweggesetz (21.046)
Parlamentarische Initiativen erste Phase, Fortsetzung (gebündelte Abstimmungen um circa 18:45)