(sda) Schlussabstimmungen: 21 Vorlagen haben der National- und der Ständerat am Freitag zum Ende der Herbstsession parlamentarisch unter Dach und Fach gebracht. Der grösste Brocken ist die AHV-Reform, die das Rentenalter der Frauen von 64 auf 65 Jahre erhöht und neun betroffenen Jahrgängen einen Rentenzuschlag gewährt. Weil das Referendum der Gewerkschaften als sicher gilt, dürfte das Stimmvolk das letzte Wort haben. Ebenfalls verabschiedet hat das Parlament die Verrechnungssteuerreform sowie die erneute Aktualisierung des Covid-19-Gesetzes. Auch bei diesen Projekten steht bereits ein Referendum im Raum.

Austritt: Der Nationalrat hat Hans-Ueli Vogt (SVP/ZH) aus dem Nationalrat verabschiedet. Vogt, hauptberuflich Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich, wurde 2015 in die grosse Kammer gewählt und schaffte 2019 die Wiederwahl. Im Nationalrat war er Mitglied der Rechtskommission. Er zeichnete unter anderem für den Text der 2018 von Volk und Ständen abgelehnten Volksinitiative "Schweizer Recht statt fremde Richter", auch Selbstbestimmungsinitiative genannt, verantwortlich. Nationalratspräsidentin Irène Kälin (Grüne/AG) würdigte in ihrer Verabschiedung insbesondere den besonnenen und sachlichen Debattenstil Vogts.

Katastrophen: Die Bevölkerung soll besser vor drohenden Gefahren und Naturkatastrophen gewarnt werden. Der Nationalrat hat stillschweigend eine Motion von Maja Riniker (FDP/AG) an den Ständerat überwiesen. Der Bundesrat soll die rechtlichen Grundlagen schaffen, damit Cell Broadcasting eingeführt werden kann. Damit können Informationen direkt auf Handys gesendet werden, die sich im betroffenen Gebiet befinden. Das sei auch als Tourismus- und Transitland wichtig, damit auch ausländische Gäste im Ereignisfall rasch alarmiert werden können, begründet Riniker ihre Motion. Eine bestimmte App braucht es dafür nicht. Heute informieren die Behörden über die App "Alertswiss", die entsprechend installiert sein muss.

Gesundheit: Rentnerinnen und Rentner mit Diabetes sollen häufiger orthopädische Schuhe beziehen und der Versicherung angeben können. Der Nationalrat hat stillschweigend eine Motion von Baptiste Hurni (SP/NE) an den Ständerat überwiesen. Derzeit werden ausserhalb der Invalidenversicherung nur alle zwei Jahre die Kosten für entsprechende Schuhe übernommen, es sei denn, es werden medizinische Gründe angegeben. Schuhe nutzten sich aber ab, es brauche zudem unterschiedliche Schuhe je nach Jahreszeit, begründet Hurni seine Motion. In diesen Fällen würden die Kosten nicht übernommen. Hurni verlangt daher eine Anpassung der Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Altersversicherung.

Lebensmittel: Tierische Eiweisse aus Schlachtnebenprodukten von Schweinen und Hühnern sollen wieder als Futtermittel für allesfressende Nutztiere verwendet werden können. Der Nationalrat hat eine Motion von Manuel Strupler (SVP/TG) stillschweigend an den Ständerat überwiesen. In der EU seien die Regelungen dafür angepasst worden. Bei der Einführung des Verbotes sei die Schweiz der EU gefolgt, daher sei auch nötig, jetzt diese Anpassungen wieder vorzunehmen, damit keine Wettbewerbsnachteile entstehe. Bei der Neuregelung müsse natürlich die Lebensmittelsicherheit gewährleistet werden.

Postulate: Wenn das Parlament vom Bundesrat mit einem Postulat einen Bericht zu einem Thema verlangt wird, soll der Bundesrat vorab angeben, wie hoch er die anfallenden Kosten schätzt. Zudem soll er die effektiven Kosten dann im Bericht angeben. Der Nationalrat hat stillschweigend eine Motion von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (SG) an den Ständerat überwiesen. Die Räte würden Postulate überweisen, obwohl es häufig unklar ist, ob der Bericht tatsächlich einen Mehrwert bringe. Eine Erklärung dafür sei, dass die Kosten für das Erstellen eines einfachen Berichts weitgehend unbekannt seien. Es sei mehr Transparenz nötig, damit National- und Ständeräte künftig in voller Kenntnis der Sachlage entscheiden könnten.

Tiere: Der Nationalrat will, dass tierische Schlachtnebenprodukte für Tierfutter wiederverwendet werden können. Er hat eine entsprechende Motion von Nationalrätin Martina Munz (SP/SH) stillschweigend angenommen. Der Vorstoss geht nun an den Ständerat. Der Bundesrat ist mit dem Anliegen einverstanden. In der EU wurde das Verbot zur Verfütterung von tierischen Nebenprodukten aufgehoben. Die Verwendung von verarbeitetem tierischen Protein von Schweinen in Geflügelfutter und umgekehrt von Geflügel in Schweinefutter ist wieder erlaubt - vorausgesetzt, das Material stammt aus der Schlachtung gesunder Tiere.

Steuern: Der Bundesrat wird die Umsetzung des Steuerteils der Mitte 2019 vom Volk angenommenen Staf-Vorlage aufgrund der Datenlage 2023 in den Kantonen evaluieren und darüber Bericht erstatten. Diesen Auftrag hat er vom Nationalrat erhalten. Die grosse Kammer überwies stillschweigend ein entsprechendes Postulat von Philipp Kutter (Mitte/ZH). Damit kann festgestellt werden, ob die prognostizierten dynamischen Effekte der Steuerreform auf die Steuereinnahmen des Bundes sowie der Kantone und Gemeinden eingetroffen sind.

Kriminalität: Der Nationalrat verlangt vom Bundesrat einen Bericht zur Bekämpfung der Mafia und mafia-ähnlicher Strukturen. Er hat ein entsprechendes Postulat von Marco Romano (Mitte/TI) stillschweigend angenommen. Der Bundesrat wird beauftragt, einen Bericht zu erstellen, in dem er die verfügbaren Instrumente zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität analysiert und eine allfällige Anpassung der Gesetzgebung prüft. Ziel ist eine verstärkte Prävention und eine zeitnahe Erkennung von Aktivitäten krimineller Banden.

Cyber-Risiken: Der Bundesrat muss in einem Bericht die Risiken infolge der zunehmenden Nutzung von Satelliten für die Datenübermittlung analysieren und mögliche Massnahmen aufzeigen. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Judith Bellaïche (GLP/ZH) stillschweigend überwiesen. Dabei geht es unter anderem um den Datenschutz, aber auch um Nutzungskonflikte im All und die Abhängigkeit von Staat und Privaten in der Schweiz von den entsprechenden Infrastrukturen.

Unterhaltsrecht: Der Bundesrat muss evaluieren, wie die Gerichte bei Scheidungs- und Trennungsurteilen das revidierte Unterhaltsrecht anwenden und wie sich die Neuregelung auf geschiedene Väter und Mütter auswirkt. Der Nationalrat hat ein Postulat von Andri Silberschmidt (FDP/ZH) stillschweigend gutgeheissen, das einen Bericht namentlich zu Obhuts- und Besuchsregelungen verlangt.

Heime: Der Nationalrat will Pflegeheime nicht von der Pflicht ausnehmen, das elektronische Patientendossier einzuführen. Er hat eine entsprechende Petition stillschweigend abgelehnt. Die Vorteile überwögen, wenn überall auf die gleiche Weise Informationen erfasst würden, fand die vorberatende Kommission.

Coronavirus I: Der Nationalrat verzichtet auf einen weiteren Vorstoss zum Thema Long Covid. Er hat eine Petition, die eine nationale Strategie zugunsten von Personen forderte, die von Langzeitfolgen von Covid-19 oder dem Chronique-Fatique-Syndrom betroffen sind, stillschweigend abgelehnt. Die vorberatende Kommission anerkannte zwar, dass Handlungsbedarf bestehe. Die grosse Kammer habe jedoch bereits eine Motion angenommen, die das Anliegen aufnehme.

Coronavirus II: Der Nationalrat will für die Zeit nach der Pandemie die Sozial- und Wirtschaftspolitik nicht grundsätzlich neu ausrichten. Er hat eine entsprechende Petition des Bürgerkollektivs "Appel du 4 mai" mit 121 zu 68 Stimmen ohne Enthaltungen abgelehnt. Die Unterzeichnenden argumentierten, dass die Covid-19-Krise die Gewohnheiten der Bevölkerung und deren Wertesystem verändert habe. Sie forderten vom Parlament Massnahmen für einen sozialeren, lokaleren und ökologischeren Wiederaufbau der Wirtschaft nach der Krise.

Strafrecht: Der Nationalrat will noch einmal darüber diskutieren, ob sogenannte Kriminaltouristen per Strafbefehl verurteilt und anschliessend des Landes verwiesen werden sollen. Er hat die Frist für die Behandlung einer entsprechenden parlamentarischen Initiative des früheren Bündner SVP-Nationalrats Heinz Brand verlängert. Der Entscheid fiel mit 119 zu 65 Stimmen. Die Linke wollte den Vorstoss abschreiben, da das Parlament die Idee bereits diskutiert und abgelehnt habe.