Velowege: Dreieinhalb Jahre nach der Annahme des Bundesbeschlusses über die Velowege durch Volk und Stände steht das neue Veloweggesetz. Der Nationalrat hat die letzte kleine Differenz bereinigt. Damit ist das Geschäft bereit für die Schlussabstimmungen. Die Vorlage verpflichtet die Kantone, innert fünf Jahren ein Velowegnetz zu planen und dieses innert weiteren 15 Jahren zu realisieren. Das Gesetz definiert verschiedene Grundsätze, wie dies zu erfolgen hat. Velowegnetze müssen beispielsweise "im Grundsatz" zusammenhängend und durchgehend sein, die Wege sollen sicher und attraktiv sein.
Strafprozess: Bei der Revision der Strafprozessordnung sind sich die Räte weiterhin nicht einig, ob Beschuldigte an Einvernahmen anderer Beschuldigter teilnehmen dürfen. Nach geltendem Recht dürfen alle Parteien im Verfahren bei allen Beweiserhebungen dabei sein. Der Bundesrat und auch der Ständerat möchten das Teilnahmerecht von Beschuldigten an Einvernahmen einschränken, also etwa Zeugen oder Personen, die im selben Verfahren beschuldigt sind. Der Nationalrat hingegen will bei der heutigen Regelung bleiben, um faire Verfahren zu garantieren. Aus der Vorlage gestrichen hat der Nationalrat das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit. Vom Tisch ist diese nicht, denn der Nationalrat überwies eine Motion für eine separate Vorlage. Die Revision der Strafprozessordnung geht wieder an den Ständerat.
Konkurse: Auch staatliche Gläubiger müssen Schuldner neu auf Konkurs betreiben und können nicht auf eine Pfändung ausweichen. In diesem Sinne hat der Nationalrat die letzte inhaltliche Differenz zum Ständerat im Rahmen der Revision des Konkursgesetzes mit 94 zu 77 Stimmen bei 3 Enthaltungen bereinigt. Das Geschäft geht trotzdem wegen einer letzten offenen formalen Differenz noch einmal zurück an den Ständerat. Das Herzstück der Vorlage bilden Massnahmen im Strafrecht. Mit einem Tätigkeitsverbot wird Missbräuchen der Riegel geschoben. Ergänzend sollen präventive Massnahmen im Obligationen- sowie im Schuldbetreibungs- und Konkursrecht hinzukommen. So soll die Öffentlichkeit nach den im Handelsregister eingetragenen Personen suchen und die Funktionen der Gesuchten sehen können.
Digitalisierung: Der Nationalrat will die digitale Buchführung für KMU erleichtern. Er hat den entsprechenden Vorstoss seiner Kommission für Rechtsfragen mit 179 zu 0 Stimmen überwiesen, dies gegen den Willen des Bundesrates. Die Kommission begründet ihren Vorstoss unter anderem damit, dass die Verfahren zur digitalen Aufbewahrung von Unterlagen für KMU heute kompliziert und untauglich seien. Zudem seien sie zu teuer und schlügen in der Umsetzung mit mehreren zehntausend Franken zu Buche. Für den Bundesrat ist das Anliegen der Motion bereits erfüllt, eine Anpassung der Rechtsgrundlagen deshalb unnötig. Die elektronische Buchführung sei jederzeit auch ohne digitale Signatur möglich.
Asyl: Asylsuchende, die einen gültigen Lehr- oder Ausbildungsvertrag haben, sollen diese Ausbildung auch nach einem abschlägigen Asylentscheid beenden können. Der Nationalrat hat dazu eine Motion aus der FDP angenommen. Arbeitgeber ermöglichten mit Ausbildungen jungen Asylsuchenden, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sagte Motionärin Christa Markwalder (FDP/BE). Justizministerin Karin Keller-Sutter sprach sich gegen die 2020 eingereichte Motion aus. Seither sei einiges geschehen. Asylverfahren würden heute schneller durchgeführt, und die Ausreisefrist nach einer Wegweisung könne auf ein Jahr verlängert werden für Personen, die kurz vor dem Abschluss einer Ausbildung stünden. Die Motion geht an den Ständerat.
Strafrecht: Arbeitsausbeutung soll neu ein Straftatbestand werden. Der Nationalrat hat einen entsprechenden Vorstoss von Marianne Streiff-Feller (EVP/BE) mit 101 zu 80 Stimmen bei 8 Enthaltungen gutgeheissen. Die Forderung geht nun an den Ständerat. Ausbeuterische Arbeitsverhältnisse seien in einigen Branchen zur geduldeten und lukrativen Realität geworden, die Dunkelziffer sei hoch, begründete Streiff-Feller ihren Vorstoss. Justizministerin Karin Keller-Sutter anerkannte die Problematik. Für sie ist es allerdings zweifelhaft, ob ein separater Straftatbestand dazu beitragen könnte, Ausbeutungssituationen besser zu bekämpfen und zu verhindern, wie sie im Rat erklärte.
Zivilstandsämter: Wer in der Schweiz Zivilstandsbeamtin oder -beamte sein oder werden will, soll nicht mehr zwingend das Schweizer Bürgerrecht haben müssen. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Marionna Schlatter (Grüne/ZH) mit 110 zu 80 Stimmen angenommen. Vielfalt mache Teams stark und sei ein Abbild der Zusammensetzung der Bevölkerung, begründete die Postulantin. Die sehr restriktive Einbürgerungspolitik führe dazu, dass auch gut integrierte potenzielle Bewerber für diesen Bereich nicht infrage kämen. Justizministerin Karin Keller-Sutter hielt erfolglos dagegen, dass das Bürgerrecht eine von drei Voraussetzungen sei für die Wahl. Zivilstandsbeamten verfügten über hoheitliche Befugnisse, hätten eine staatstragende Funktion und müssten mit den Verhältnissen vertraut sein.
Genossenschaften: Der Bundesrat muss eine Totalrevision des Genossenschaftsrechts prüfen. Der Nationalrat hat ein Postulat von Lars Guggisberg (SVP/BE) für eine zeitgemässes und zukunftsfähiges Genossenschaftsrecht mit 126 zu 63 Stimmen angenommen. Heute sei die Diskrepanz zwischen den genossenschaftsrechtlichen Vorschriften und dem unternehmerischen Alltag der partizipativ-demokratischen Gesellschaftsform der Genossenschaft zu gross. Im Kern stammt dieses Recht aus dem Jahr 1936. Justizministerin Karin Keller-Sutter sah zwar keinen unmittelbaren Revisionsbedarf. Der Bundesrat sei aber bereit, eine Gesamtschau und dann eventuell Vorschläge zu machen.
Strafgesetzbuch: Der Nationalrat hat eine Motion von Greta Gysin (Grüne/TI) mit 112 zu 79 Stimmen angenommen, die verlangt, den Artikel 113 in der französisch- und italienischsprachigen Version des Strafgesetzbuches anzupassen. Der Ausdruck, der das Wort "Leidenschaft" (passione, passion) enthält, sollte durch einen neutralen Ausdruck ersetzt werden, der dem deutschen "Totschlag" entspricht. Es handle sich um einen sensiblen Bereich, sagte Gysin. Häufig würden Frauen Opfer solcher Verbrechen. 15 Nationalrätinnen aus der italienisch- und französischsprachigen Schweiz haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Im Artikel 113 geht es um Tötungsdelikte, die "in einer nach den Umständen entschuldbaren heftigen Gemütsbewegung oder unter grosser seelischer Belastung" begangen worden sind. Der Ständerat lehnte vor einem Jahr eine gleiche Motion ab, auch der Bundesrat sprach sich dagegen aus.
Schweiz - Eu: Mögliche Standortvorteile eines unabhängigen Schweizer Rechts sollen genauer unter die Lupe genommen werden. Der Nationalrat hat eine entsprechende Motion von Thomas Burgherr (SVP/AG) mit 110 zu 82 Stimmen gutgeheissen. Nun muss sich der Ständerat mit dem Anliegen beschäftigen. Eigenes Schweizer Recht könnte laut Burgherr einen wesentlichen Standortvorteil für die Schweiz bedeuten. Deshalb müssten Differenzen zwischen Schweizer und EU-Recht analysiert werden, auch auf Angleichungen im Interesse der Schweiz. Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte sich annahmebereit und verwies auf die laufenden Arbeiten dazu unter der Ägide des ehemaligen Staatssekretärs Mario Gattiker. Dabei gehe es insbesondere auch darum, Bereiche zu identifizieren, in denen Regelungsunterschiede eigenständig abgebaut werden könnten.
Die Traktanden des Nationalrats für Donnerstag, 3. März (08:00 bis 13:00):
Bern |
Gletscher-Initiative und direkter Gegenvorschlag, Fortsetzung (21.055) |
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Parlamentarische Vorstösse aus dem Uvek (gebündelte Abstimmungen) |
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Parlamentarische Initiativen erste Phase (gebündelte Abstimmungen ca. 12:45) |