(sda) Sanktionen: Der Bundesrat soll nach dem Willen des Nationalrats künftig eigenständige Schweizer Sanktionen verhängen dürfen. Die grosse Kammer hat sich am Donnerstag mit 136 zu 53 Stimmen ohne Enthaltungen für eine entsprechende Änderung des Embargogesetzes ausgesprochen. Gründe für eine Verhängung sollen namentlich die Verletzung von Menschenrechten oder andere schwere Verstösse gegen internationales Recht sein. Der Ständerat hatte eigenständige Sanktionen bei der ersten Beratung des Geschäfts abgelehnt. In der Zwischenzeit haben sich durch den Ukraine-Krieg die Vorzeichen allerdings geändert. Die kleine Kammer muss sich nun nochmals mit der Sache befassen.

Ukraine: Keine Taskforce für die Sperrung und den allfälligen Einzug von Vermögenswerten russischer Oligarchen, keine unabhängige Rohstoffmarktaufsichtsbehörde: Der Nationalrat hat griffigere Instrumente für die Lokalisierung, die Sperrung und den allfälligen Einzug solcher Vermögen abgelehnt. Die beiden Vorstösse kamen aus den Reihen der SP und der Grünen. Der Rat lehnte sie im Rahmen einer ausserordentlichen Session mit 103 zu 78 Stimmen bei 3 Enthaltungen respektive 103 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung ab. Gutgeheissen wurden die beiden Vorstösse jeweils von der SP, den Grünen sowie den Grünliberalen. Mitte, FDP und SVP stimmten dagegen. Der Ständerat führt ebenfalls eine ausserordentliche Session zum Thema durch.

Landwirtschaft: Der Nationalrat hat eine Aufstockung der Mittel zur Förderung des Schweizer Weins auf neun Millionen Franken pro Jahr gutgeheissen. Die Aufstockung ist mit der Einhaltung von Nachhaltigkeits- und Qualitätskriterien verbunden. Der Rat nahm eine entsprechende Motion seiner Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK-N) mit 98 zu 61 Stimmen bei 22 Enthaltungen an. Derzeit unterstützt das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) die Förderung des Schweizer Weins mit jährlich 2,8 Millionen Franken. Kommissionssprecher Markus Ritter (Mitte/SG) begründete die geforderte markante Anhebung des Bundesbeitrages auf neun Millionen Franken jährlich mit dem grossen Marketingdruck aus dem Ausland, insbesondere aus Italien.

Coronavirus - Schweiz: Der Nationalrat ist wie der Ständerat gegen eine Preisobergrenze für Schutzmasken und Handdesinfektionsmittel. Er hat einer entsprechenden Standesinitiative des Kantons Jura mit 100 zu 62 Stimmen keine Folge gegeben. Im Gegensatz zu den Nachbarländern habe die Schweiz keine Preisobergrenze für Masken und Desinfektionsmittel festgelegt, hatte das jurassische Kantonsparlament argumentiert. Dadurch werde jeglicher Form von Missbrauch durch Personen, die sämtliche ethischen Werte mit Füssen träten und sich dank der pandemiebedingten Nachfrage zu bereichern suchten, Tür und Tor geöffnet. Die im September 2020 eingereichte Standesinitiative ist vom Tisch.

Krankenkassen: Krankenversicherer sollen angehäufte Prämien-Reserven an die Versicherten zurückzahlen, wenn diese mehr als 150 Prozent der Mindesthöhe betragen. Der Nationalrat hat eine entsprechende parlamentarische Initiative aus den Reihen der FDP mit 107 zu 58 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Per Anfang 2021 sassen die Kassen auf Reserven von insgesamt 12,4 Milliarden Franken. Das entsprach einer durchschnittlichen Solvenzquote von 207 Prozent, mehr als das Doppelte der Mindesthöhe.

Armee I: Das Parlament hat die Nachrüstung der Rechtsgrundlagen für militärische Informationssysteme verabschiedet. Die Anpassungen betreffen militärische und nicht-militärische Informationssysteme, die das Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) betreibt. Die aktuellen Grundsätze zur Bearbeitung von Personendaten genügen den heutigen datenschutzrechtlichen Vorgaben nicht mehr. Der Nationalrat hiess die Vorlage mit 172 zu 0 Stimmen und bei einer Enthaltung gut. Damit ist das geänderte Gesetz über die militärischen Informationssysteme (MIG) bereit für die Schlussabstimmung. Die revidierten Rechtsgrundlagen sollen laut Verteidigungsministerin Viola Amherd am 1. Februar 2023 in Kraft treten.

Wettbewerbsrecht: Die Wettbewerbskommission (Weko) soll sich nicht auf die Abklärung belastender Umstände fokussieren, sondern auch die entlastenden Umstände von sich aus eruieren. Die verfassungsmässige Unschuldsvermutung soll nach Ansicht des Parlaments im Kartellgesetz präzisiert werden. Das fordert nach dem Ständerat auch der Nationalrat. Er hat einen entsprechenden Vorstoss von Ständerat Hans Wicki (FDP/NW) mit 99 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen angenommen und folgte damit der knappen Empfehlung seiner vorberatenden Kommission. Der Bundesrat muss sich damit gegen seinen Willen an die Arbeit machen.

Hochschulen: Der Nationalrat will vom Bundesrat eine detaillierte Bestandesaufnahme zur Situation des akademischen Nachwuchses in der Schweiz. Aufzeigen soll sie insbesondere die Arbeitsbedingungen und den Stand der Chancengleichheit. Die grosse Kammer hat ein entsprechendes Postulat ihrer Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) gegen den Willen des Bundesrates mit 105 zu 73 Stimmen bei 3 Enthaltungen akzeptiert. Dieser muss nun liefern. Kommissionssprecherin Sandra Locher Benguerel (SP/GR) führte aus, die Anstellungsverhältnisse im Mittelbau der Hochschulen seien prekär. Es brauche mehr Festanstellungen an Hochschulen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu stärken.

Energiewende: Die Massnahmen zur Umsetzung der Energiepolitik 2050 werden nicht mit Erträgen der Nationalbank finanziert. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat die Schaffung eines entsprechenden Fonds abgelehnt - mit 102 zu 62 Stimmen bei einer Enthaltung. Die Initiative ist vom Tisch. Der Kanton Jura forderte namentlich die Verwendung von Erträgen aus Aktien und Obligationen sowie anderen Zinserträgen für die Energiewende. Er begründete dies insbesondere mit den gestiegenen Einnahmen der Schweizerischen Nationalbank (SNB) seit der Einführung von Negativzinsen.

Hotellerie: Hotels in Städten sollen nach dem Willen des Nationalrats künftig ebenso von Förderkrediten profitieren können wie jene in Tourismusgebieten. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Motion mit 129 zu 49 Stimmen angenommen. Sie will den Bundesrat beauftragen, den Förderperimeter der Schweizerischen Gesellschaft für Hotelkredit (SGH) auf die gesamte Schweiz auszuweiten und die SGH mit den nötigen Ressourcen auszurüsten. Die Motion geht an den Ständerat.

Forschung: Der Nationalrat fordert weitere Schritte zur Förderung von Forschung und Innovation in der Schweiz. Er will damit die Nachteile durch die Nichtbeteiligung am EU-Forschungsprogramm "Horizon Europe" besser ausgleichen. Mit 164 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung hat er eine Motion seiner Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK-N) gutgeheissen. Der Vorstoss geht an den Ständerat. Er verlangt ein Programm zur Förderung von Forschung und Innovation. Teil davon sollen etwa Investitionsbeiträge für Start-ups und KMU und die Förderung exzellenter Forschender sein.

Berufsberatung: Der Bund soll sich nach dem Willen des Nationalrats stärker im Bereich der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung engagieren. Die grosse Kammer hat sich mit 129 zu 48 Stimmen für eine entsprechende Motion ausgesprochen. Diese fordert eine nationale Strategie und die Stärkung der Angebote. Dabei geht es unter anderem um die kostenlose berufliche Standortbestimmung für Personen über vierzig. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Armee II: Der Bundesrat muss Möglichkeiten zur Vertiefung der Zusammenarbeit mit anderen europäischen Staaten und der Nato in der Sicherheitspolitik prüfen. Der Nationalrat hat ihn beauftragt darzulegen, an welchen zusätzlichen Programmen die Armee teilnehmen könnte. Er überwies mit 116 zu 45 Stimmen ein entsprechendes Postulat von Corina Gredig (GLP/ZH). Stehen soll die Auslegeordnung im geplanten Zusatzbericht zum Sicherheitspolitischen Bericht. Der Bundesrat war der Ansicht, mit den bereits geplanten Abklärungen sei das Anliegen des Postulats bereits abgedeckt.

Flüchtlinge: Der Nationalrat ist gegen die zusätzliche Aufnahme besonders schutzbedürftiger Flüchtlinge von den griechischen Inseln. Er hat einer Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt mit 98 zu 59 Stimmen keine Folge gegeben. Der Vorstoss wollte zudem vom Bundesrat verlangen, die Kapazitäten der Bundesasylzentren und der kantonalen Asylzentren vollständig auszulasten. Die Ratsmehrheit war zusammen mit ihrer vorberatenden Kommission der Ansicht, die Situation der Flüchtlinge auf den Inseln Lesbos und Samos sei nicht mehr dermassen tragisch wie im Herbst 2020, die Lage habe sich etwas beruhigt.

Post: Eine Standesinitiative des Kantons Zürich zum Thema Poststellen ist vom Tisch. Nach dem Stände- hat ihr auch der Nationalrat oppositionslos keine Folge gegeben. Der Entscheid erfolgte aus rein formalen Gründen. Aufgenommen wird das Anliegen trotzdem. Dies, weil das Parlament in der Vergangenheit eine Initiative des Kantons Jura mit derselben Stossrichtung Folge gegeben hatte. Der Kanton Zürich verlangte ein Moratorium für Schliessungen von Poststellen, bis eine gesamtschweizerische Planung vorliegt.

Coronavirus - Schweiz: Der Grenzverkehr in Basel soll auch während einer Pandemie bestmöglichst gewährleistet sein. Dafür ist aber eine Standesinitiative des Kantons Basel-Stadt nach Ansicht des Nationalrates das falsche respektive überholte Mittel. Er setzt lieber einen bereits von beiden Räten überwiesenen Vorstoss von Ständerätin Eva Herzog (SP/BS) zu diesem Thema. Der Bundesrat habe den entsprechenden Auftrag also bereits. Die Standesinitiative lehnte der Rat deshalb diskussionslos ab. Offene Grenzen seien angesichts der 34'000 Grenzgängerinnen und Grenzgänger, die in Basel-Stadt arbeiteten, ein absolute Notwendigkeit, hiess es in der Begründung der Standesinitiative.

Die Traktanden des Nationalrats für Montag, 13. Juni (14:30 bis 19:00):

Bern Vereidigungen (22.205)
Fragestunde (bis 15:30)
Motion für eine nachhaltige Strategie für die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU (21.4184)
Motion für dringliche Massnahmen zugunsten des Schweizer Forschungs-, Bildungs- und Innovationsstandorts (22.3012)
Motion für humanitäre Hilfe für die Ukraine (22.3073)
Parlamentarische Vorstösse aus dem EDA (gebündelte Abstimmungen um circa 18:45)