Bei der Beratung der letzten verbliebenen Differenz zum Nationalrat folgte der Ständerat mit 29 zu 12 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag der Mehrheit seiner Aussenpolitischen Kommission (APK-S) und des Bundesrats. Auch die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (Sik-S) hatte sich in einem Mitbericht einstimmig gegen eigenständige Sanktionen ausgesprochen.
Das Geschäft geht damit zurück an den Nationalrat. Dieser hatte sich im Juni vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine dafür ausgesprochen, dass die Schweiz Personen und Entitäten, etwa Unternehmen, die an schwerwiegenden Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte beteiligt sind, eigenständig sanktionieren kann. Der Ständerat hatte dies noch vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs, im Sommer 2021, bereits einmal abgelehnt.
Beide Ständeratskommissionen argumentierten, eigenständige Sanktionen wären mit gravierenden Auswirkungen auf die Neutralität und zahlreichen rechtsstaatlichen Problemen verbunden.
Eine linke Minderheit der APK-S beantragte, der Ständerat solle sich dem Nationalratsbeschluss anschliessen.
Zweifel an Wirksamkeit
Sanktionen wirkten, wenn sie breit getragen würden, sagte Damian Müller (FDP/LU) namens der Kommissionsmehrheit. Allein könne die Schweiz wenig ausrichten.
Es gehe nicht um Sanktionen gegen Staaten, betonte dagegen Carlo Sommaruga (SP/GE) im Namen der Minderheit. Folglich gebe es auch mit der Neutralität kein Problem.
Es gelte auch, den veränderten internationalen Kontext zu berücksichtigten, forderte der Genfer Ständerat. Die USA etwa würden schon heute personenbezogene Sanktionen bei schweren Menschenrechtsverletzungen verhängen, ebenso zahlreiche weitere Staaten. Die Schweiz könne sich der Entwicklung nicht einfach entziehen.
Bei den Verbrechen, um die es gehe, gebe es keine Neutralität, sagte Sommarugas Zürcher Parteikollege Daniel Jositsch. Er sei der Änderung anfänglich aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit kritisch gegenübergestanden, habe sich aber überzeugen lassen, dass Betroffene über genügend Beschwerdemöglichkeiten verfügten.
"Eine Frage der Realpolitik"
Es gehe um eine Frage der Realpolitik, sagte dagegen Pirmin Bischof (FDP/SO). Folge man dem Nationalrat, wäre die Schweiz das mit Abstand kleinste Land, das eigenständige Sanktionen kennen würde. Als "Weltpolizist der Menschenrechte" eigne sie sich jedoch nicht.
Denn es wäre kaum möglich, alle Staaten der Welt, von denen die meisten keine Rechtsstaaten seien, gleich zu behandeln, so Bischof. Sanktionen hätten nur einen Sinn, wenn die Schweiz gemeinsam mit anderen Staaten handle.
Die wenigen Vorteile eigenständiger Sanktionen stünden in keinem Verhältnis zu den massiven Nachteilen, warnte Wirtschaftsminister Guy Parmelin. Es wäre mit Gegenmassnahmen und grossem Aufwand zu rechnen - für Strafmassnahmen mit minimaler Wirkung.
Ebenfalls keine Mehrheit fand im Ständerat eine parlamentarische Initiative des Zürcher SP-Nationalrats Fabian Molina. Dieser wollte dem Bundesrat die Kompetenz geben, gegen hochrangige Politikerinnen und Politiker bei schweren Verletzungen der Menschenrechte und Korruption Konto- und Reisesperren zu verhängen. Der Nationalrat hatte sich in der Sommersession für die parlamentarische Initiative ausgesprochen, nun ist diese vom Tisch.
Anlass für die Revision des Embargogesetzes war ursprünglich, dass der Bundesrat ein 2015 infolge der russischen Invasion der Krim erlassenes Verbot von Waffenimporten aus Russland und der Ukraine verlängern wollte. Die Botschaft ans Parlament verabschiedete die Landesregierung bereits 2019.
Der Entwurf sah lediglich vor, dass der Bundesrat übernommene Sanktionen auf weitere, davon nicht erfasste Staaten ausweiten können solle, wenn das Interesse des Landes dies erfordere. In diesem Punkt waren sich die Räte bereits vor der Debatte am Montag einig - und ebenso, dass eine solche Ausweitung auch in Bezug auf Personen möglich sein solle.
Heute kann die Schweiz nur Sanktionen der Uno, der EU oder der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) übernehmen. Gestützt auf das Embargogesetz werden diese durchgesetzt.