(sda) Keine neuen Biodiversitätsvorgaben und dafür ein Massnahmenpaket, welches den Selbstversorgungsgrad erhöhen soll: Diese Rezepte für mehr Versorgungssicherheit sieht der Ständerat vor. Diskutiert werden diese wohl im Rahmen der künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik.

Neben der Corona-Pandemie zeigt auch der Krieg in der Ukraine, dass Güter und Ressourcen nicht endlos verfügbar sind. Am Mittwochvormittag diskutierte der Ständerat über die Frage, ob die Schweiz mehr Nahrungsmittel anbauen soll. In einer ausserordentlichen Session zum Thema Versorgungssicherheit kamen mehrere Motionen zur Sprache.

57 Prozent der Nahrungsmittel in der Schweiz kommen aus einheimischer Produktion - zu wenig, fand die Mehrheit in der kleinen Kammer und forderte unter anderem, dass die hiesige Landwirtschaft mehr produzieren solle.

Inputs für hängige Agrarreform

Konkret soll der Bundesrat die Inkraftsetzung der neuen Mindestvorgabe von 3,5 Prozent an Biodiversitätsförderflächen auf der Ackerfläche überdenken. Diese neue Regel wurde aufgrund des Krieges in der Ukraine bereits um ein Jahr auf 2024 verschoben.

Mit 30 zu 15 Stimmen beschloss der Ständerat nun, den Richtwert ganz aus dem ökologischen Leistungsnachweis in der Direktzahlungsverordnung zu streichen. Zudem wurde der Bundesrat mit 31 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung beauftragt, ein Massnahmenpaket auszuarbeiten, welches die Abhängigkeit der Versorgung der Schweizer Bevölkerung mit ausländischen Lebensmitteln verringert.

Über beide Motionen muss noch der Nationalrat entscheiden. Verschiedene Rednerinnen und Redner plädierten dafür, die Anliegen in Rahmen der künftigen Ausrichtung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+) zu konkretisieren. Die Vorlage könnte im Winter erstmals vom Ständerat behandelt werden.

Keine zusätzlichen Flächen bereitstellen

Werner Salzmann (SVP/AG) plädierte in der Debatte für "rasche Massnahmen, um die Durchhaltefähigkeit zu erhöhen". Sein Tessiner Parteikollege Marco Chiesa warnte davor, sich "blindlings" auf Importe zu verlassen. Es gelte, die Abhängigkeiten zu reduzieren.

Beat Rieder (Mitte/VS) gab zwar zu bedenken, dass sich die Schweiz wegen ihres Reichtums wohl immer Nahrungsmittel auf dem Weltmarkt werde beschaffen können. Trotzdem müsse alles dafür getan werden, "damit wir nicht Nahrungsmittel aufkaufen, die für die Ärmsten bestimmt sind".

Nichts wissen wollte der Ständerat davon, zusätzliche Brachflächen und Biodiversitätsflächen für den Ackerbau bereitzustellen. Diese Forderung aus den Reihen der SVP wurde mit 36 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen verworfen. Diese Motion ist damit erledigt.

"Mehr Kartoffeln auf den Tisch bringen"

Die Ratslinke warnte davor, die Biodiversitätsförderflächen zu verkleinern. "Wir entziehen dem Boden mit unserer extensiven Landwirtschaft derzeit viele Nährstoffe", sagte Adèle Thorens Goumaz (Grüne/VD). Gehe das so weiter, werde die Schweiz künftig noch viel grössere Probleme haben mit der Versorgungssicherheit.

Maya Graf (Grüne/BL) machte die Landwirtschaft mitverantwortlich dafür, dass es nun Probleme gebe. Zu lösen seien diese nicht mit weniger Biodiversität, sondern mit weniger Lebensmittelverschwendung und weniger Fleischkonsum. "Wir können mehr Kartoffeln, Getreide und Hülsenfrüchte auf den Tisch bringen."

Landwirtschaftsminister Guy Parmelin gab zu bedenken, dass die schon anspruchsvolle Arbeit rund um die AP22+ mit weiteren Vorstössen nur verkompliziert werde. Der Bundesrat habe im Sommer klargestellt, dass er eine Selbstversorgung mindestens im heutigen Umfang auch bei wachsender Bevölkerung erhalten wolle und in einem Bericht aufgezeigt, wie dies erreicht werden solle.

Aufgrund der aktuellen Versorgungslage mit Nahrungsmitteln sieht der Bundesrat zurzeit keinen Handlungsbedarf für einen staatlichen Eingriff in die inländische landwirtschaftliche Produktion, wie Parmelin weiter ausführte. "Sollte sich die Versorgungssicherheitslage derart verschlechtern, dass Massnahmen zur Optimierung der Inlandproduktion notwendig werden, wird der Bundesrat alle ihm zur Verfügung stehenden Optionen prüfen."

Rückendeckung für Schutzstatus

Auch die Flüchtlinge aus der Ukraine waren ein Thema in der Sonderdebatte, die am Nachmittag auch im Nationalrat geführt wird. Die SVP forderte mit weiteren Motionen, dass der Bundesrat den Schutzstatus S innerhalb der Ukraine regional differenziert anwendet.

Für viele Ukrainer sei eine sichere Rückkehr in ihre Heimatregion im Westen, im Zentrum oder im Norden der Ukraine mittlerweile möglich, hielt Marco Chiesa (SVP/TI) fest. "Der Schutz muss dort gewährt werden, wo er wirklich nötig ist", sagte Jakob Stark (SVP/TG).

Justizministerin Karin Keller-Sutter wies darauf hin, dass die Situation auf dem gesamten Gebiet der Ukraine "sehr volatil" sei. Von einem Waffenstillstand seien die Kriegsparteien weit entfernt. Die Schweiz könne sich keinen internationalen Alleingang leisten, indem sie einzelne Gebiete als sicher bezeichne.

Der Ständerat versenkte die drei entsprechenden Motionen mit jeweils 37 Nein-Stimmen deutlich. Sie sind damit vom Tisch.