(sda) Schlussabstimmungen: Neun Vorlagen haben der Nationalrat und der Ständerat am Freitag mit den Schlussabstimmungen parlamentarisch unter Dach und Fach gebracht. Darunter sind zwei dringliche Gesetze, die bereits am Samstag in Kraft treten werden - einerseits die gesetzlichen Regelungen zum Rettungsschirm für systemrelevante Stromunternehmen, die das derzeit geltende Notrecht ablösen; andererseits die Vorlage für einen Solar-Zwang für bestimmte Neubauten sowie erleichterte Bewilligungen und finanzielle Unterstützung für Gross-Solaranlagen in den Bergen. Gegen den vom Parlament ebenfalls verabschiedeten indirekten Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, der den gesetzlichen Weg zum Netto-Null-Ziel 2050 vorgibt, hat die SVP das Referendum angekündigt.

Sanktionen: Das Schweizer Sanktionenrecht wird nicht geändert. Nachdem das Parlament eigenständige Sanktionen und damit einen Paradigmenwechsel abgelehnt hatte, verwarf der Nationalrat die übriggebliebenen geringfügigen Änderungen in der Schlussabstimmung. Die grosse Kammer fällte ihren Entscheid mit 118 zu 70 Stimmen bei fünf Enthaltungen. Nein stimmten sowohl SP und Grüne als auch die SVP. Der Ständerat stimmte der Vorlage ohne Gegenstimme zu. Mit dem Nein des Nationalrats ist das Gesetz vom Tisch. Bei der Beratung des Geschäfts hatte die Frage eines Paradigmenwechsels in der Schweizer Sanktionspolitik für heftige Diskussionen gesorgt. Schliesslich sprachen sich die Räte dagegen aus.

Spitäler: Der Nationalrat hält an einer Notfallgebühr für Bagatellfälle im Spitalnotfall fest. Er hat es mit 114 zu 71 Stimmen bei 6 Enthaltungen abgelehnt, eine entsprechende parlamentarische Initiative abzuschreiben. Die grosse Kammer sprach sich gegen die knappe Mehrheit der vorberatenden Kommission aus, die die Idee abschreiben wollte. Sie sei nach Anhörungen der involvierten Kreise zum Schluss gekommen, dass die Einführung einer Bagatellgebühr schwierige Abgrenzungsprobleme mit sich bringen würde. Nun hat noch der Ständerat über die Abschreibung zu entscheiden, der die Idee einer Notfallgebühr im Juni 2021 knapp befürwortet hatte.

Familienzulagen: Die Auszahlung von kaufkraftbereinigten Familienzulagen ist kein Thema mehr. Der Nationalrat hat eine von beiden Räten angenommene parlamentarische Initiative abgeschrieben. Grund für den Stimmungsumschwung ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Nach einer Analyse des Urteils gegen Österreich im Juni dieses Jahres kam eine Kommissionsmehrheit zum Schluss, dass es nicht zulässig und diskriminierend wäre, wenn die Schweiz die Familienzulagen für Arbeitnehmende aus der EU, deren Kinder in der EU leben, der Kaufkraft anpassen würde. Konkret würde die Schweiz gegen Regeln des Freizügigkeitsabkommens verstossen. Die SVP wehrte sich im Nationalrat gegen die Abschreibung. Nun hat noch der Ständerat über die Abschreibung zu entscheiden.

Terrorismus: Das Parlament hält am Auftrag an den Bundesrat fest, sich für einen besseren Rechtsschutz bei Uno-Sanktionen gegen Terrorverdächtige starkzumachen. Nach dem Ständerat hat auch der Nationalrat die Behandlungsfrist für eine Motion aus dem Jahr 2009 um ein weiteres Jahr verlängert. Der Vorstoss geht auf den früheren Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty zurück. Eine Mitte-Minderheit vertrat hingegen die Meinung, dass die zuständigen Verwaltungsstellen alles getan hätten, damit das Anliegen erfüllt werde. Ferner habe die Schweiz im Rahmen der zweijährigen Mitgliedschaft im Uno-Sicherheitsrat die Möglichkeit, sich diesbezüglich einzubringen.

Post: Postdienstanbieterinnen werden nicht verpflichtet, für die Empfängerinnen und Empfänger einer Sendung kostenlos Nachforschungs- und Auskunftsaufträge durchzuführen. Der Nationalrat hat eine Petition mit diesem Anliegen stillschweigend abgelehnt. Die vorberatende Kommission beantragte oppositionslos, der Petition keine Folge zu geben, weil sie das Anliegen ablehnt. In derPostgesetzgebung gebe es keine "sachfremden" Vorgaben zur Sendungsverfolgung. Das solle auch so bleiben. Der Ständerat hatte der Petition bereits im Sommer keine Folge gegeben. Mit dem Nein des Nationalrats ist das Geschäft nun erledigt.

Klima: Der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative, der den gesetzlichen Weg zum Netto-Null-Ziel 2050 vorgibt, hat einen neuen Titel. Aus dem "Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz" wurde das "Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit". Dieser Titel wird auch auf dem Abstimmungszettel stehen, falls die SVP genügend Unterschriften gegen die Vorlage zusammenbringt, wovon auszugehen ist. Die SVP, die das Referendum gegen die Vorlage ergreifen will, ist über den Entscheid der Redaktionskommission erzürnt. Laut dem Oberwalliser SVP-Nationalrat Michael Graber, der den Kampf der SVP gegen das Klimaschutzgesetz anführt, ist die Änderung des Titels "einer Demokratie nicht würdig". Ein Antrag auf erneute Überarbeitung des Titels wurde deutlich abgelehnt.

Sicherheitspolitik: Der Bundesrat soll nach dem Willen des Nationalrats eine übergeordnete Strategie zur Sicherheit und Verteidigung der Schweiz erarbeiten und dem Parlament vorlegen. Die grosse Kammer hat eine entsprechende Motion von Thomas Rechsteiner (Mitte/AI) stillschweigend angenommen. Die Landesregierung, die mit dem Auftrag einverstanden ist, soll sich unter anderem Fragen der Koordination zwischen den Departementen und Staatsebenen annehmen. Der Vorstoss geht an den Ständerat.

Sonnenenergie: Deponien sollen zur Gewinnung von Solarenergie genutzt werden können. Das will der Nationalrat. Er hat eine Motion von Rocco Cattaneo (FDP/TI) stillschweigend angenommen. Aufgefüllte Deponien und stillgelegte Steinbrüche erweiterten die Möglichkeiten für die Produktion von Sonnenenergie, schrieb Cattaneo im Vorstoss. Sei eine Deponie abgeschlossen, produziere sie nur noch Unkraut und könne weder für die Landwirtschaft noch für die Forstwirtschaft genutzt werden. Die Landesregierung habe bei Deponien weit reichende Gesetzesbefugnisse, machte Cattaneo geltend. Der Bundesrat ist mit der Motion einverstanden. Sie geht nun an den Ständerat.

Schutzgebiete: Der Nationalrat will die Information über Schutzgebiete verbessern, und zwar anhand von Geodaten. Er hat eine Motion von Ursula Schneider Schüttel (SP/FR) stillschweigend angenommen. Die Gesetzgebung soll so angepasst werden, dass Geodaten von kommunalen, kantonalen und nationalen Schutzgebieten und der dort geltenden Bestimmungen publiziert werden. Die Daten könnten so auf einer nationalen Plattform zusammengeführt werden, schrieb Schneider Schüttel, und Besucherregeln in Schutzgebieten leicht verständlich und digital kommuniziert werden. Der Bundesrat ist mit der Motion einverstanden, sie geht an den Ständerat.

Digitalisierung: Die Bevölkerung soll Identitätsausweise künftig auf dem Smartphone zeigen können. Der Nationalrat hat dazu eine Motion von Philippe Nantermod (FDP/VS) stillschweigend angenommen. Die digitale Identitätskarte soll mit den gängigsten mobilen Betriebssystemen kompatibel sein. Nantermod schwebt indes kein eigenständiger Identitätsausweis vor, sondern die Digitalisierung bewährter Ausweispapieren, insbesondere von Identitätskarten, Aufenthalts- und Niederlassungsbewilligungen sowie Führerausweisen. Immer mehr Menschen nutzten das Smartphone als digitales Portemonnaie, als so genanntes "Wallet", machte Nantermod dazu geltend. Der Bundesrat ist mit dem Auftrag einverstanden, die Motion geht an den Ständerat.

Geothermie: Der Nationalrat will das geothermische Potenzial im Boden für die Wärmespeicherung im Sommer nutzen. Er hat dazu eine Motion von Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) stillschweigend angenommen. Der Vorstoss verlangt, den Spielraum bezüglich der maximalen Temperaturveränderung durch Wärmenutzung oder Wärmespeicherung "optimal" zu erhöhen. Der Schutz des Trinkwassers und der vom Grundwasser abhängigen Lebensräume soll dabei aber nicht tangiert werden. Wärme und Abwärme, zum Beispiel aus Kehrichtverwertungsanlagen, Rechenzentren oder Geothermieanlagen, verpuffe mangels Speichermöglichkeit im Sommer ungenutzt, machte Jauslin im Vorstoss geltend. Der Bundesrat ist mit der Motion einverstanden, sie geht an den Ständerat.

Beschaffungswesen: Das vom italienischen Staat ausgestellte Anti-Mafia-Zertifikat soll auch für das öffentliche Beschaffungswesen in der Schweiz zur Anwendung kommen können. Der Nationalrat hat stillschweigend ein Postulat von Marco Romano (Mitte/TI) an den Bundesrat überwiesen. Der Bundesrat hatte sich zur Annahme bereit erklärt. Das Postulat biete die Gelegenheit, zu prüfen, ob das italienische Antimafia-Zertifikat als Massnahme gegen Korruption bei öffentlichen Beschaffungen in der Schweiz Verwendung finden kann. Romano will mit der Massnahme den Schutz in Bezug auf die Unterwanderung durch die Mafia in der Schweiz erhöhen.

Aussendepartement: Der Bundesrat prüft eine allfällige Anpassung der Karrieresysteme des Personals im Aussendepartement. Der Nationalrat hat ein entsprechendes Postulat von Corina Gredig (GLP/ZH) stillschweigend überwiesen. Angesichts der gesellschaftlichen Entwicklung hin zu mehr Durchlässigkeit und Flexibilität über die ganze Berufslaufbahn hinweg stelle sich die Frage, ob die Personalstrategie des EDA einer Anpassung bedarf, schreibt die Postulantin. Eine allfällige Anpassung müsse mehr Vielfalt in Bezug auf unterschiedliche berufliche Laufbahnen der Mitarbeitenden, grössere Offenheit und Chancengleichheit, eine bessere Vereinbarkeit mit dem Privatleben und verschiedene Zugangsmöglichkeiten für eine diplomatische, konsularische oder IZA-Laufbahn bringen.