(sda) Anders als der Ständerat setzt der Nationalrat im revidierten Sexualstrafrecht auf die Zustimmungslösung "Nur ein Ja ist ein Ja". Neu sollen sexuelle Handlungen mit bis zu 16-jährigen Kindern unverjährbar sein statt wie bisher mit bis zu 12-Jährigen. Vergewaltiger, die ihre Opfer vorher nötigen, sollen zwingend ins Gefängnis müssen.

In diesem Sinne hat der Nationalrat am Montag nach einer rund fünfstündigen Debatte die Verschärfung des Sexualstrafrechtes in der Gesamtabstimmung mit 127 zu 58 Stimmen bei 5 Enthaltungen angenommen. Gegen die Vorlage stimmten die SVP-Fraktion sowie einzelne Vertreter der Mitte. Ihnen sind die teilweise verschärften Strafen zu wenig streng. Das Geschäft geht zurück in den Ständerat.

Die Kernfrage, ob die Zustimmungs- oder die Widerspruchslösung ins Gesetz geschrieben werden soll, fand mit 99 zu 88 Stimmen bei 3 Enthaltungen eine relativ knappe Mehrheit zu Gunsten der "Nur ein Ja ist ein Ja"-Lösung. Damit schaffte der Nationalrat die erwartete Differenz zum Ständerat.

Wer ohne Einwilligung handelt

Für die Zustimmungslösung sprachen sich in der entscheidenden Abstimmung die SP, die Grünen, die GLP sowie Minderheiten von Mitte und FDP aus. Einen sexuellen Übergriff, eine sexuelle Nötigung oder eine Vergewaltigung begeht demnach, wer "ohne die Einwilligung" einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt. Es gilt also "Nur ein Ja ist ein Ja".

Die Svp sowie die Mehrheit von Mitte und FDP wollten sich dem Ständerat und dessen Widerspruchslösung anschliessen. Demnach macht sich strafbar, wer sexuelle Handlungen "gegen den Willen" einer Person vornimmt. Es soll also "Nein heisst Nein" gelten.

Auch der Bundesrat hätte lieber die Ablehnungslösung. Sie schafft laut Justizministerin Karin Keller-Sutter mehr Klarheit, die Anforderungen an eine Ablehnung seien tief, es reiche eine ablehnende Geste. "Ein stillschweigendes Ja bringt nicht mehr Klarheit als ein stillschweigendes Nein", sagte Keller-Sutter.

Unverjährbarkeit und Cybergrooming

Eine weitere gewichtige Differenz schaffte die grosse Kammer bei der Unverjährbarkeit von sexuellen Handlungen mit Kindern. Mit 98 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen schraubte sie das entsprechende Schutzalter auf 16 Jahre hoch. Ständerat und Bundesrat möchten bei maximal 12-jährigen Opfern bleiben.

Bei einer von drei Vergewaltigungsstufen im revidierten Gesetz, jener mit Nötigung, wollen beide Räte die Vergewaltiger zwingend ins Gefängnis schicken, die Mindeststrafe soll über zwei Jahren liegen. Bei den beiden restlichen Stufen lehnte der Nationalrat dies ab, will also weiterhin auch bedingte Strafen und Geldstrafen erlauben. Er schuf damit eine Differenz zur kleinen Kammer.

Anders als der Ständerat hat der Nationalrat neu auch den Tatbestand des "Cybergrooming" ins Gesetz aufgenommen. Der Begriff bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Er soll als Antragsdelikt Aufnahme ins Gesetz finden.

Rachepornografie neu strafrelevant

Wie der Ständerat will auch die grosse Kammer, dass sogenannte Rachepornografie (Revenge porn) neu strafrelevant werden soll. Dabei geht es um das unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten.

Nur ganz knapp nicht ins revidierte Gesetz aufgenommen hat der Nationalrat einen Passus, der auch nicht verbal konnotierte sexuelle Kommunikation wie Gesten und Pfiffe ahnden wollte. Der entsprechende Minderheitsantrag scheiterte mit 96 zu 93 Stimmen.

Mit der Revision will der Bundesrat das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre anpassen. Er will, dass Gewalt- und Sexualdelikte, deren Opfer oft Frauen und Kinder sind, künftig härter bestraft werden. Mit der Vorlage soll auch das Verhältnis der Strafrahmen der Strafgesetzgebung besser aufeinander abgestimmt werden.

Justizministerin Keller-Sutter warnte aber vor zu hohen Erwartungen. Man mache zwar einen wichtigen Schritt, aber Beweisschwierigkeiten würden damit nicht beseitigt. Auch in Zukunft werde es mehrfache Befragungen von Tätern und Opfern brauchen. Und der Paradigmenwechsel müsse auch bei allen Behörden ankommen.