(sda) Der Ständerat beharrt bei der Reform des Sexualstrafrechts auf der sogenannten Widerspruchslösung, also auf dem Grundsatz "Nein heisst Nein". Er hat am Dienstag aber einen Kompromissvorschlag gemacht, mit dem der Begriff der Vergewaltigung künftig weiter gefasst wird.

Mit der Revision will das Parlament das Sexualstrafrecht an die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre anpassen. So sollen Gewalt- und Sexualdelikte, deren Opfer oft Frauen und Kinder sind, künftig härter bestraft werden.

Der Nationalrat beharrte zuletzt auf der "Nur ein Ja ist ein Ja"-Lösung, die Sex nur mit Zustimmung aller Beteiligten propagiert. Der neue Kompromissvorschlag des Ständerats kommt dieser Lösung nahe.

Die kleine Kammer anerkennt, dass Opfer von sexualisierter Gewalt zuweilen ihre Ablehnung nicht zum Ausdruck bringen können. Dies, weil sie sich in einer Art Schockzustand, einem Freezing, befinden. Das soll künftig von den Gerichten ebenfalls als Ablehnung gedeutet werden.

"Das Freezing ist künftig ein explizites Beispiel eines nonverbalen Neins", sagte Beat Rieder (Mitte/VS). Er bezeichnete diesen Vorschlag als "tragfähige Lösung". Lisa Mazzone (Grüne/GE) sprach von einem "wichtigen Fortschritt im Sexualstrafrecht". Zum vom Ständerat oppositionslos angenommenen Kompromiss gehört auch, dass Gerichte Täter zu Kursen verpflichten können.

Streit um Schutzalter

Die Vorlage geht nun zurück an den Nationalrat. Diverse Punkte sind noch ungelöst. Der Nationalrat will das entsprechende Schutzalter von heute 12 auf 16 Jahre hochschrauben. Der Ständerat möchte wie der Bundesrat beim geltenden Recht bleiben.

Bei der Frage der Strafrahmen beim Tatbestand der Vergewaltigung ist der Ständerat auf die Linie des Nationalrats eingeschwenkt. Demnach wird im Grundtatbestand die Möglichkeit der Geldstrafe gestrichen. Für die qualifizierte Vergewaltigung sieht der Ständerat eine Mindeststrafe von einem Jahr vor. Der Nationalrat will mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe.

Deutlich abgelehnt hat der Ständerat die vom Nationalrat neu eingefügte Bestimmung zum "Cybermobbing". Der Vorschlag würde zu einer erheblichen Ausweitung der Strafbarkeit führen, sagte Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider.

Aus ähnlichen Überlegungen spricht sich die kleine Kammer auch weiterhin einstimmig gegen die Bestrafung des "Cybergrooming" aus. Der Begriff bezeichnet das gezielte Anbahnen von sexuellen Kontakten mit Minderjährigen, also die Planung eines sexuellen Missbrauchs. Er soll nach Meinung des Nationalrats als Antragsdelikt Aufnahme ins Gesetz finden.

Mehr Vergewaltigungen ahnden

Schon früher gefunden hatten sich die Räte bei weiteren Kernpunkten der Vorlage. Heute setzt die Vergewaltigungsnorm eine Nötigung voraus. Künftig ist ein Vergewaltiger, wer gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung vornimmt, die mit Eindringen verbunden ist - ob mit oder ohne Nötigung und unabhängig von der Art des Eindringens in den Körper.

Neu gibt es zudem einen Straftatbestand zwischen sexueller Belästigung und Vergewaltigung, der Tatbestand des sexuellen Übergriffs. Dieser liegt vor, wenn jemand gegen den Willen einer Person eine sexuelle Handlung an dieser vornimmt, die nicht mit Eindringen verbunden ist.

Die Mehrheit des Parlaments verspricht sich von der Revision des Sexualstrafrechts, dass mehr Fälle von sexueller Gewalt als Vergewaltigung qualifiziert werden. Nichts ändern wird die Reform daran, dass die Beweislage oft schwierig ist. Befürworterinnen der Reform versprechen sich jedoch Veränderungen in der Befragung von Opfern - und hoffen auf eine gesellschaftliche Signalwirkung.