Der Mantelerlass will den Weg ebnen für eine höhere Stromproduktion mit Solar-, Wind- und Wasserkraftanlagen im Inland. Damit soll ein Strommangel im Winter möglichst verhindert werden. In allen Stromproduktionsbereichen soll es künftig einen Vorrang gegenüber dem Naturschutz geben. Im Fokus stehen 16 Wasserkraftprojekte.
Am Schluss resultierte ein Kompromiss. Das Parlament versuchte zu verhindern, dass ein Referendum aus mehreren politischen Ecken zustande kommt, welches die Vorlage als Ganzes gefährden würde. Die Räte stellten sich im Sinne der Bürgerlichen gegen eine breite Solarpflicht und zeigten dafür Verständnis für etwas strengere Restwasserregeln im Sinne des Umweltschutzes.
Interessenabwägung bleibt möglich
Konkret will das Parlament weniger Restwasser bei Wasserkraftwerken nur dann zulassen, wenn ein Strommangel droht. So hatte es der Bundesrat angesichts des drohenden Strommangels im vergangenen Winter vorübergehend bereits gehandhabt.
Die Räte einigten sich zudem darauf, dass neue Wasserkraftanlagen nicht von vorneherein ausgeschlossen werden sollen, wenn die entstehende Restwasserstrecke durch ein Schutzgebiet von nationaler Bedeutung verlaufen würde. Eine rot-grüne Minderheit wehrte sich vergebens dagegen.
Energieminister Albert Rösti sagte, dass ohne diese Bestimmung Projekte nicht einmal angeschaut werden könnten. Anschauen heisse nicht "bereits bewilligt". Eine Abwägung der Interessen solle möglich sein.
Keine umfassende Solarpflicht
Auch punkto Solarpflicht fanden sich die Räte in der Mitte. Auf grossen Dächern und Fassaden müssen künftig Solarpanels angebracht werden. Diese Solarpflicht gilt für Neubauten mit mehr als 300 Quadratmetern anrechenbarer Fläche. Diese Regel gilt schon heute befristet.
Rot-Grün hatte auf der generellen Solarpflicht für Dächer und Fassaden bestanden und auch grosse Umbauten erfassen wollen, unterlag aber. Auch für Parkplätze soll es keine Solarpflicht geben. Die Bürgerlichen warnten erfolgreich vor Eingriffen ins Privateigentum.
Energieminister Rösti bezeichnete den Energie-Mantelerlass als "austarierte Vorlage". Auch Kommissionssprecher Matthias Samuel Jauslin (FDP/AG) sprach von einem "wichtigen Schritt in Richtung Versorgungssicherheit".
Schnelle Umsetzung von Wasserkraftprojekten
Um die an der Urne beschlossene Energiewende zu schaffen, sollen im Energie-, im Stromversorgungs- und im Raumplanungsgesetz zahlreiche Massnahmen verankert werden. Per 2040 ist ein Zubau von Kraftwerken zur Erzeugung von erneuerbarer Energie von mindestens sechs Terawattstunden vorgesehen.
Gebiete, die sich für die Nutzung von Solar- und Windenergie eignen, sollen künftig in den kantonalen Richtplänen ausgeschieden werden. In diesen Fällen soll die Nutzung der Solar- und Windenergie Vorrang haben gegenüber anderen nationalen Interessen. Kraftwerke in Biotopen von nationaler Bedeutung sowie in Wasser- und Zugvogelreservaten sollen dagegen weiterhin ausgeschlossen sein.
Den grössten Anteil am Ausbau der einheimischen Energien soll gemäss Beschluss des Parlaments die Wasserkraft haben. Die Umsetzung von 16 Wasserkraftprojekten steht im Zentrum. Damit die Projekte so schnell wie möglich umgesetzt werden können, sollen die Verfahren beschleunigt werden. Das Interesse an einer Realisierung geht anderen Interessen von nationaler Bedeutung grundsätzlich vor.
"Mittlere Zufriedenheit"
In der letzten Differenzbereinigungsrunde im Nationalrat waren viele pragmatische Voten zu hören. Trotz Mängeln in der Vorlage, die vor allem die Wortführer der Grünen und der SVP betonten, wurde von keiner Seite mit dem Referendum gedroht. Es scheint, als habe jede Seite auch zahlreiche positive Punkte im Energie-Mantelerlass gefunden.
"Wir dürfen zufrieden sein mit dem, was hier gelungen ist", sagte die Luzerner Mitte-Nationalrätin Priska Wismer-Felder. Diesem "Meilenstein in der Energiewende" müssten jedoch weitere folgen. Auch SP-Sprecherin Nadine Masshardt (BE) zeigte sich erfreut, dass nun eine Vorlage stehe, die sowohl Nutz- als auch Schutzinteressen berücksichtige.
"Ich hoffe, es sei jetzt die mittlere Zufriedenheit", fasste Energieminister Rösti zusammen. Dies bedeute meist, dass in verschiedenen Bereichen Kompromisse gefunden worden seien.