Nach dem Ständerat hiess am Mittwoch auch der Nationalrat entsprechende Anpassungen im Jugendstrafgesetz und im Strafgesetzbuch gut, jeweils gegen den Willen von SP und der Grünen. Die beiden Vorlagen dazu hatte das Parlament bestellt.
Keine Zukunftsperspektive
Das Jugendstrafrecht konzentriere sich heute auf erzieherische und therapeutische Massnahmen, habe sich bewährt und böte Hoffnung auf Wiedereingliederung, sagte Florence Brenzikofer (Grüne/BL). Die Verwahrung sei für junge Straftäter nicht geeignet.
Weil das Gehirn von unter 25-Jährigen noch in Entwicklung sei, seien Vorhersagen über deren künftige Gefährlichkeit kaum oder gar nicht möglich, fügte Raphaël Mahaim (Grüne/VD) hinzu. Wer als junger Mensch verwahrt werde, habe keinerlei Zukunftsperspektive. Eine solche Massnahme sei unmenschlich, sagte Christian Dandrès (SP/GE).
"Egal wie alt jemand ist, es geht nicht um eine Bagatelle, sondern um Mord", widersprach Patricia von Falkenstein (LDP/BS). Der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Tätern und Täterinnen gehe dem Schutz der Täter vor, sagte Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS). "Die Verwahrung ist das allerletzte und schärfste Mittel."
"Wenige tragische Einzelfälle"
"Offenbar setzen Sie sich nicht für die Opfer ein, sondern für die Täter", hielt Mauro Tuena (SVP/ZH) der Gegnerseite vor. Das Jugendstrafrecht schreibe die Entlassung nach dem 25. Geburtstag vor, unabhängig von der Gefährlichkeit, ergänzte Patrick Hässig (GLP/ZH). "Es geht um wenige, sehr tragische Einzelfälle."
Verwahrt werden können sollen junge Leute, die als Minderjährige nach dem 16. Geburtstag einen Mord begangen haben. Bei ihnen muss nach der jugendstrafrechtlichen Sanktion ernsthaft Gefahr bestehen, dass sie eine weitere solche Tat begehen. Das Jugendstrafgesetz sieht heute keine reine Sicherheitsmassnahme zum Schutz Dritter vor.
Verwahrt werden sollen also nicht 16- oder 17-Jährige, sondern junge Mörderinnen und Mörder nach Vollendung des 18. Lebensjahrs im Anschluss an die jugendstrafrechtliche Sanktion. Von 2010 bis 2020 wurden laut Bundesrat zwölf Jugendliche in der Schweiz wegen Mordes verurteilt. Die Verwahrung hätte nur einzelne von ihnen betroffen.
Die Svp wollte die Möglichkeit für Verwahrungen von jungen Tätern und Täterinnen weiter fassen, unterlag aber. Sie wollte Verwahrungen nicht nur für Mörderinnen und Mörder ermöglichen, sondern bei vorsätzlicher Tötung, schwerer Körperverletzung und Vergewaltigung.
Gutgeheissen hat der Nationalrat den Antrag seiner Rechtskommission, den möglichen Freiheitsentzug für ab 16-jährige Mörderinnen und Mörder von vier auf sechs Jahre zu erhöhen. Als Voraussetzung für einen Verwahrungsvorbehalt beschloss der Nationalrat zugleich eine Verurteilung zu mindestens vier Jahren Freiheitsentzug.
Nicht mehr unbegleitet in Urlaub
Auch Verwahrte gemäss dem Erwachsenenstrafrecht beschäftigten den Rat. Er beschloss wie schon der Ständerat, dass im geschlossenen Vollzug Verwahrte und Personen, die vor der Verwahrung eine Freiheitsstrafe absitzen, nur von Sicherheitspersonal begleitet in den Urlaub dürfen. Im offenen Vollzug sind unbegleitete Urlaube aber möglich.
Auf Antrag von SVP und Mitte erweiterte der Nationalrat die Voraussetzungen für Verwahrungen. Diese sollen auch ausgesprochen werden für Personen, die zum zweiten Mal einen Mord, eine vorsätzliche Tötung oder eine Vergewaltigung begangen haben.
Eine Wiederholungstat rechtfertige diesen Schutz vor den gefährlichsten Tätern, sagte Philipp Matthias Bregy (Mitte/VS) namens der Minderheit. Der Antrag wurde mit knapp angenommen, mit 93 zu 91 Stimmen und bei zwei Enthaltungen.
Umstritten ist der Vorschlag, die jährliche Überprüfung einer Verwahrung von Straftätern nur noch alle drei Jahre vorzusehen, wenn die bedingte Entlassung zuvor dreimal in Folge abgelehnt wurde. Der Nationalrat und der Bundesrat möchten das so handhaben, der Ständerat hingegen bei der jährlichen Überprüfung bleiben.
Die Vorlage geht nun wieder an den Ständerat.