Die von Ständerat Filippo Lombardi (CVP, TI) angeführte Delegation für die Beziehungen zum italienischen Parlament weilte am 27. und 28. Juni 2016 zu einem Besuch in Rom. Auf dem Programm standen Gespräche zu europa-, verkehrs-, finanz-, bildungs- und migrationspolitischen Fragen. Der Besuch war Teil des interparlamentarischen Austauschs über aktuelle Themen in den verschiedenen Politikbereichen. Der Schwerpunkt der Gespräche lag auf dem Thema Migrations-, Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Die Schweizer Delegationsmitglieder zeigten sich beim Treffen mit dem Präsidenten des Ausschusses für Umwelt, Raumplanung und öffentliche Arbeiten der italienischen Abgeordnetenkammer, Ermete Realacci, besorgt über die fehlenden Südanschlüsse an den Gotthard und äusserten die Hoffnung, dass Alptransit kein unvollendetes Werk bleibe. Realacci wiederum erläuterte Italiens energiepolitischen Fortschritte: Inzwischen werde 40 Prozent des Strombedarfs mit Energie aus erneuerbaren Quellen abgedeckt.
Die Delegation hatte zudem Gelegenheit, die Rede von Ministerpräsident Matteo Renzi im Senat zu verfolgen, die dieser im Hinblick auf den Dreiergipfel (Deutschland, Frankreich und Italien) zum Brexit-Entscheid hielt. Anschliessend wurde sie von Paolo Corsini, dem Vizepräsidenten des Senats, empfangen und tauschte sich mit diesem über die laufenden institutionellen Reformen und den EU-Ausstieg des Vereinigten Königreichs aus.
Auf dem Programm stand ferner ein eindrücklicher Besuch des Asylbewerberzentrums in Castelnuovo di Porto. Dessen Leiter, Akram Zubaydi, und seine Mitarbeitenden zeigten den Gästen den Aufbau der Einrichtung und schilderten die interkulturellen Herausforderungen, die sie jeden Tag zu bewältigen haben. Italien sieht sich aufgrund seiner geografischen Lage mit einem starken Zustrom von Migranten konfrontiert und muss gemäss den Dublin-Abkommen alle ankommenden Personen registrieren und erstbetreuen. In der von der Genossenschaft Auxilium verwalteten Einrichtung wohnen derzeit 867 Personen aus 26 verschiedenen Ländern und mit einem Durchschnittsalter von 23/24 Jahren.
Die Gespräche mit Vertretern des Ausschusses für Aussenpolitik und Emigration des Senates drehten sich hauptsächlich um den Brexit und die Beziehungen der Schweiz zur EU. Speziell ist, dass einige Ausschussmitglieder in der Schweiz wohnen und deshalb ein besonderes Interesse für die Beziehungen zwischen Italien und der Schweiz zeigen. Laut Senator Claudio Micheloni, Mitglied des Partito Democratico (PD) und wohnhaft im Kanton Neuenburg, steht Europa am Scheideweg: Entweder gelinge es endlich, die Union nachhaltig zu festigen, oder diese werde auseinanderfallen. Die italienischen Senatoren interessierten sich insbesondere für die geplanten Lösungen zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative. Die Schweizer Delegationsmitglieder erklärten, dass der Bundesrat seine Botschaft veröffentlicht hat und das Parlament diese in der Herbst- und in der Wintersession 2016 beraten wird. Bis 9. Februar 2017 sollte dann eine endgültige Lösung gefunden sein.
Ein Thema, das beiden Ländern am Herzen liegt, ist die Förderung der italienischen Sprache. Die Schweizer Delegation teilte mit, dass der Bund auch ausserhalb der Schweiz mehr für die Förderung des Italienischen tun will (siehe Kulturbotschaft). Italien wiederum wird weiterhin die von den Konsulaten organisierten Italienischkurse finanzieren. Beide Delegationen sprachen sich für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich aus.
Die Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier nahmen ferner an einem Kolloquium zur Arbeitsmarktreform in Italien («Il Jobs Act») teil, an dem der Präsident des Ausschusses für Arbeit der Abgeordnetenkammer, Cesare Damiano, ein Referat hielt. Laut Damiano zeigen die aktuellen wirtschaftlichen Schwierigkeiten und der Brexit, dass Freihandelsabkommen, die sich auf die Schaffung von Märkten mit Millionen von Konsumentinnen und Konsumenten beschränken, im Westen, wo die als Zukunft der Demokratie angesehenen Mittelklasse immer mehr verarmt, kontraproduktiv sind. Diese Reform sei eine wichtige Massnahme der aktuellen Regierung zum besseren Schutz der Arbeitnehmenden.
Darüber hinaus fand ein Treffen mit Mitgliedern des Finanzausschusses der Abgeordnetenkammer, darunter Ausschusspräsident Maurizio Bernardo, statt, in dessen Mittelpunkt das Abkommen über die Besteuerung der Grenzgängerinnen und Grenzgänger stand. Im Jahr der Einweihung des neuen Gotthard-Basistunnels (1. Juni 2016), einem wichtigen Teil der neuen Alpentransversale, durfte ein Gespräch mit dem Präsidenten des Ausschusses für Verkehr, Post und Telekommunikation der Abgeordnetenkammer, Michele Pompeo Meta, über die Vervollständigung von Alptransit im Süden und über die Verlagerung des Warenverkehrs auf die Schiene natürlich nicht fehlen.
Die Delegation wurde von ihrem Präsidenten, Ständerat Filippo Lombardi (CVP/TI), angeführt und setzte sich im Weiteren zusammen aus ihrem Vizepräsidenten, Nationalrat Marco Chiesa (SVP, TI), den Nationalrätinnen Kathy Riklin (CVP, ZH) und Silva Semadeni (SP, GR) sowie Ständerat Claude Janiak (SP, BL).
Die italienische Freundschaftsgruppe Italien-Schweiz, der Mitglieder sämtlicher Fraktionen der Abgeordnetenkammer und des Senats angehören, wird vom Abgeordneten Gianni Farina (PD) präsidiert.